In Haft gestorben - Alexej Nawalny: Frau, Familie, Vergiftung und Gefängnis
02. Februar 2021: Ein Gericht in Moskau verurteilte Nawalny zu dreieinhalb Jahren Straflagerhaft, weil er aus Sicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren aus dem Jahr 2014 verstoßen hatte. Nach Darstellung seiner Anwälte wird ihm womöglich ein früherer Hausarrest angerechnet. Dann müsste er zwei Jahre und acht Monate in ein Straflager und käme theoretisch im Oktober 2023 wieder frei. Die Verteidigung will das Urteil anfechten. Bis es in Kraft tritt, bleibt der Oppositionelle in Untersuchungshaft.
Nur wenige Tage nach seiner Verurteilung kam Nawalny am 06. Februar 2021 erneut vor Gericht. Weil er einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll, drohen ihm eine Geldstrafe oder Zwangsarbeit. Nawalny hatte im vergangenen Sommer ein in den Staatsmedien ausgestrahltes Video kritisiert, in dem mehrere Bürger sich für eine Verfassungsänderung aussprachen.
„Schaut sie euch an: Sie sind die Schande des Landes“, schrieb Nawalny Anfang Juni auf Twitter über die Menschen in dem Clip und beschimpfte sie als „Verräter“. Da einer von ihnen im Zweiten Weltkrieg kämpfte, muss Nawalny sich nun wegen Veteranen-Verleumdung verantworten. Kritiker betrachten die Verfassungsreform als Instrument der Machtsicherung für Kremlchef Putin.
10. Februar 2021: Bundesaußenminister Heiko Maas hat Russland mit weiteren Sanktionen im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny gedroht, ein Ende der Gaspipeline Nord Stream 2 aber abgelehnt. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich für den Weiterbau der Ostsee-Gasleitung ausgesprochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte betont, dass sie Nord Stream 2 und den Fall Nawalny nicht miteinander verknüpfen wolle.
24. März 2021: Der Zustand des im Straflager inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny hat sich nach Angaben seines Vertrauten Leonid Wolkow deutlich verschlechtert. „Seit Ende voriger Woche leidet er an starken Schmerzen im Rücken“, teilte Wolkow mit. Der 44-Jährige habe übermittelt, dass er Lähmungserscheinungen in einem Bein habe und nicht mehr auftreten könne. Trotz der Schmerzen habe er insgesamt nur zwei Tabletten bekommen.
31. März 2021: Aus Protest gegen fehlende ärztliche Hilfe trat der im Straflager inhaftierte Nawalny in einen Hungerstreik. „Ich habe den Hungerstreik erklärt mit der Forderung, das Gesetz einzuhalten und den eingeladenen Arzt zu mir zu lassen“, hieß es in einer bei Instagram veröffentlichten Mitteilung des 44-Jährigen.
05. April 2021: Nawalny beklagte eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustands. Man habe ihm 38,1 Grad Fieber sowie „starken Husten“ attestiert - seinen Hungerstreik werde er trotzdem fortsetzen, hieß es auf Nawalnys Instagram-Account. Drei seiner Mitgefangenen seien wegen Tuberkulose in ein Krankenhaus gebracht worden. Am Abend wurde bekannt, dass der Oppositionelle medizinische Hilfe bekommen habe. Nawalnys Anwältin Olga Michailowa sagte dem unabhängigen Internetsender Doschd, der Oppositionsführer habe in der Zeit im Straflager bereits 13 Kilogramm abgenommen.
06. April 2021: Russische Ärzte haben am Straflager in Pokrow vergeblich Zugang zu dem erkrankten Nawalny gefordert. „Wer muss man sein, um Ärzten den Zugang zu einem sterbenden Menschen zu verwehren“, sagte Nawalnys Ärztin Anastassija Wassiljewa. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte Kremlchef Putin auf, seinen Gegner nicht sterben zu lassen.
16. April 2021: Der in Hungerstreik getretene Nawalny hatte eine konkrete Androhung einer „Zwangsernährung“ wegen seines schlechten Gesundheitszustandes beklagt. Eine Aufseherin habe ihn auch mit einer „Zwangsjacke“ gedroht, teilte er bei Instagram mit.
19. April 2021: Nawalny wurde in ein Krankenhaus für Gefangene verlegt. Er sei in die Einrichtung auf dem Gelände eines anderen Straflagers gekommen, teilte der Strafvollzug in Moskau mit. Sein Gesundheitszustand wurde demnach als „zufriedenstellend“» bezeichnet. Nawalny isst seit fast drei Wochen nichts mehr, um so einen Arztbesuch durchzusetzen. Sein Team nannte Nawalnys Gesundheitszustand bedrohlich und warnte wegen kritischer Kaliumwerte im Blut vor einem drohenden Herzstillstand.
23. April 2021: Nawalny hatte ein Ende seines Hungerstreiks angekündigt. Angesichts „aller Umstände“ beginne er damit, aus dem Hungerstreik auszusteigen, hieß es in einer Mitteilung in seinem Instagram-Kanal. Zuvor hatten seine Ärzte ihm empfohlen, dringend wieder Nahrung zu sich zu nehmen.
26. April 2021: Die Organisationen von Nawalny dürfen nach Angaben seines Teams nicht mehr arbeiten. Ein Gericht in Moskau habe das Arbeitsverbot verfügt, teilte der Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, mit. Das Verbot gelte, bis über einen Antrag der Moskauer Staatsanwaltschaft entschieden werde, die Organisationen als extremistisch einzustufen.
07. Juni 2021: Nawalny wurde nach seinem Hungerstreik wieder ins ursprüngliche Straflager zurückverlegt.
10. Juni 2021: Russlands Justiz hat mehrere Organisationen von Nawalny endgültig verboten. Ein Gericht in Moskau stufte die Vereinigungen als extremistisch ein. In Verbindung mit einem neuen Gesetz dürfen Nawalnys Unterstützer nun nicht mehr bei Wahlen in Russland antreten.
Das endgültige Verbot der Nawalny-Organisationen in Russland hat in den USA und in Europa Kritik ausgelöst. Auch Menschenrechtler beklagten das Vorgehen der russischen Justiz gegen die Opposition als politisch motiviert.
21. September 2021: Nawalny hatte eine Fälschung der Parlamentswahl in Russland kritisiert. Es gebe klare Beweise etwa für Moskau, dass die Abstimmung zunächst zugunsten der Opposition ausgegangen und dann mit der späteren Veröffentlichung von Angaben der Online-Abstimmung im Sinne der Kremlpartei Geeintes Russland geändert worden sei, hieß es in einer Erklärung Nawalnys. Das Ergebnis sei auf „primitivste Weise“ verändert und den Wählern somit gestohlen worden.
12. Oktober 2021: Nawalny hatte dem russischen Journalisten Dmitri Muratow zur Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis beglückwünscht. Er gratuliere Muratow „von ganzem Herzen“, hieß es auf Nawalnys Twitterseite. Der 45-Jährige zuvor selbst als möglicher Preisträger gehandelt worden.
Am Montag verkündete Nawalny auch, dass er im Lager nicht mehr länger als fluchtgefährdet eingestuft werde. Stattdessen werde er nun als „Extremist“ und „Terrorist“ geführt.
25. Januar 2022: Ein Jahr nach seiner Inhaftierung wurde Nawalny in Russland nun offiziell als „Extremist“ geführt. Er und mehrere seiner Mitstreiter wurden auf eine umstrittene Liste gesetzt. Der 45-Jährige war unter der Nummer 7504 der mehr als 10 000 Namen umfassenden Liste der russischen Finanzaufsichtsbehörde Rosfinmonitoring zu finden, die auch Anhänger der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) umfasst.
15. Februar 2022: Nawalny hatte zum Auftakt des neuen Prozesses gegen ihn der russischen Justiz eine willkürliche Inszenierung von Strafverfahren vorgeworfen. „Meine Prozesse sind ziemlich seltsam, was den Ablauf und die Urteile angeht, aber hier haben sie jede Grenze überschritten“, sagte der Putin-Gegner in dem improvisierten Gerichtssaal im Straflager.
Verantworten musste sich Nawalny diesmal wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen verbotene Anti-Korruptionsstiftung und wegen Beleidigung einer Richterin. Nach Angaben seines Teams drohen Nawalny 15 Jahre Haft.
18. Februar 2022: Der Bruder von Alexej Nawalny ist in Abwesenheit zu einer Straflagerhaft verurteilt worden. Die einjährige Bewährungsstrafe von Oleg Nawalny sei wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen in eine echte Haftstrafe umgewandelt worden, teilte Moskau mit. Der Staatsagentur Tass zufolge geht der Strafvollzug davon aus, dass der 38-Jährige nach einem Flug nach Zypern im vergangenen September nicht wieder nach Russland zurückgekehrt ist.
15. März 2022: Die russische Staatsanwaltschaft hat 13 weitere Jahre Haft für Nawalny gefordert. In dem Prozess wegen angeblicher Veruntreuung von Spendengeldern gegen Nawalny forderte Staatsanwältin Nadeschda Tichonowa 13 Jahre Gefängnis für Nawalny, wie russische Nachrichtenagenturen berichteten.
22. März 2022: Ein Gericht in Moskau hatte den Nawalny in einem weiteren umstrittenen Prozess schuldig gesprochen .
14. Juni 2022: Nawalny wurde aus seinem jetzigen Gefängnis abtransportiert und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Das berichten Nawalnys Büroleiter Leonid Wolkow auf Telegram und die Schriftstellerin Kira Jarmysch auf Twitter. „Wo Alexej jetzt ist und in welche Haftkolonie er gebracht wird, wissen wir nicht“, schrieb Wolkow.