Ukrainische Ausbildungszentren werden angegriffen: "Gibt überhaupt kein System"

Beim Einschlag einer russischen Rakete in einer Ausbildungseinheit des ukrainischen Heeres kamen nach offiziellen Angaben mindestens drei Soldaten ums Leben. 18 weitere wurden verletzt. Das war Ende Juli dieses Jahres. 

"Ungeachtet der Sicherheitsmaßnahmen ist es nicht gelungen, Verluste unter dem Personal vollständig zu verhindern", räumten die Heeresstreitkräfte damals auf Facebook ein. 

Das Militär kündigte eine gründliche Überprüfung des Vorfalls und notfalls eine Bestrafung Verantwortlicher an, sollten die Verluste auf die Fahrlässigkeit von Offizieren zurückzuführen sein.

Ausbildungszentren fehlt es offenbar an Luftverteidigung

Ein aktueller Bericht des "Kyiv Independent" legt nun nahe, dass es in ukrainischen Ausbildungszentren - insbesondere solchen in der Nähe der Frontlinie oder der Grenze - häufig an angemessener Luftverteidigung fehlt. Die Rekruten seien nicht ausreichend vor wiederholten russischen Angriffen geschützt.

Kommandeure und ehemalige Ausbilder machten im Gespräch mit dem Blatt entsprechende Anschuldigungen. "Ausbildungszentren sind militärische Einrichtungen, die von der Luftabwehr geschützt werden sollten", sagte etwa Oberstleutnant Bohdan Krotevych, der ehemalige Stabschef der ukrainischen Asow-Brigade, dem "Kyiv Independent".

"So sollte das System funktionieren, aber derzeit gibt es bei den ukrainischen Streitkräften überhaupt kein System." Krotevych ist laut "Kyiv Independent" zu einem der lautstärksten Kritiker der ukrainischen Militärführung geworden. Seine Vorwürfe: Missmanagement und Nachlässigkeit.

So reagiert der ukrainische Generalstab auf Vorwürfe

Der Aussagen des Generalstabs klingen ganz anders. Die Sicherheit und Gesundheit des Personals, insbesondere angesichts der ständigen Bedrohung durch russische Angriffe, seien das vorrangige Bestreben der Führung, hieß es. Raketenangriffe auf Übungsgelände würden gründlich untersucht.

"Meiner Meinung nach ist ein strategisches Programm zum Aufbau einer unterirdischen Infrastruktur erforderlich", sagte Kyrylo Berkal, stellvertretender Kommandeur des 3. Armeekorps, der für die Ausbildung zuständig ist, im Gespräch mit dem "Kyiv Independent". Allerdings würde der Bau neuer Gelände Zeit und erhebliche finanzielle Mittel erfordern.

Serhij Hrabskyj, ein pensionierter ukrainischer Oberst und Militäranalyst, erklärte, es sei schwierig zu beurteilen, ob "alles" getan werde, um die Sicherheit der Rekruten zu gewährleisten. Immerhin seien die Ressourcen im Bereich Luftabwehr begrenzt.

"Dann wird es mit ziemlicher Sicherheit Tote geben"

Und Glen Grant, ein pensionierter Oberstleutnant der britischen Armee, der von 2014 bis 2018 zeitweise das ukrainische Verteidigungsministerium beriet, wies auf die Komplexität des gesamten Sachverhalts hin.

Während vieles von der Kompetenz der Kommandeure auf den Übungsplätzen abhänge, seien ihre Möglichkeiten, die Rekruten zu verteilen, begrenzt. Insbesondere, da für bestimmte Übungen eine größere Zahl von Soldaten und Ausbildern nötig ist.

„Wenn (russische Streitkräfte) ein Übungsgelände angreifen, wird es mit ziemlicher Sicherheit Tote geben“, sagte Grant dem "Kyiv Independent". Er fügte hinzu, das sei vergleichbar mit einem Angriff auf ein Fußballspiel, das von einer riesigen Menschenmenge besucht wird.

mit Material der dpa