Seltenes CUP-Syndrom - Metastasen, aber kein Tumor: Claudia leidet an der mysteriösesten aller Krebsarten

 

„Kann ich das überleben?“

Für Claudia beginnt nun eine Zeit der Unsicherheit und Angst. Sie weiß, dass ihr Krebs durch seine Metastasen als fortgeschritten gilt. Kurz nach ihrer Diagnose schnappt sie in einem Podcast auf, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von CUP-Betroffenen nur neun Monate beträgt. „Mir kamen Gedanken wie: Wie geht mein Leben jetzt weiter, wie eingeschränkt werde ich körperlich sein und: Kann ich das überleben?“

Durch den fehlenden Primärtumor ist eine spezifische Behandlung unmöglich. Statt einer Therapie, die wirksam gegen eine bestimmte Krebsart ist, wird üblicherweise eine breite und unspezifische Chemotherapie angesetzt. Die sei breit wirksam und decke vieles ab, sagt Krämer. „Aber die Ergebnisse sind schlecht. Das mittlere Überleben dieser Patienten liegt ganz klar unter einem Jahr.“

Auch Claudia erhält zunächst eine Chemotherapie. Zuvor werden ihr in diversen Operationen das Gewebe in der Bauchdecke und die Eierstöcke entfernt. Eine Vorsichtsmaßnahme, sagen die Ärzte. Die erste Chemo verträgt die Finanzbuchhalterin gut, ein bisschen Müdigkeit, dafür keine Übelkeit. „Aber das Körpergefühl war völlig anders.“ Ein Gefühl wie unter Vollspannung, erklärt sie, „ganz kribbelig“ sei sie gewesen.

Neue Therapie ist „Sechser im Lotto“

Anderthalb Jahre später finden die Ärzte erneut Auffälligkeiten, Claudia muss wieder zur Chemo. Sie hadert mit sich, ist unsicher, ob sie die Therapie über sich ergehen lassen soll. Kurz vor einer dritten Chemotherapie wird Claudia schließlich in eine Studie aufgenommen, an der auch Krämer beteiligt ist. Ein „Sechser im Lotto“ sei das gewesen, sagt Claudia.

Innerhalb dieser Studie werden CUP-Betroffene mit einer Immuntherapie behandelt. Mithilfe von Immuncheckpoint-Inhibitoren wird das Immunsystem der Betroffenen gegen die Tumorzellen aktiviert. „Wenn das Immunsystem dann die Tumorzellen findet, kann es diese abtöten“, so Krämer. Eine Behandlung, die bei einer Reihe von Patienten vielversprechend anschlage. Bei manchen habe sie sogar zur Heilung geführt.

Claudia führt dank der neuen Therapie heute ein weitestgehend normales Leben. Auch ihren Job als Finanzbuchhalterin führt sie weiter aus. Die Normalität helfe ihr. „Ich habe gelernt, wenn mein Alltag passt, wenn ich arbeiten gehen kann, dann ist die Krankheit auch nicht so präsent in meinem Leben.“ Sie ist sich sicher: Hätte sie den Job aufgeben müssen, wäre sie „in ein Loch gefallen“.

Eine Selbsthilfegruppe als Unterstützung

Seit neun Jahren lebt sie nun mit der seltenen Krebsart und ist zuversichtlich, dass es noch viele weitere werden. Wenn der Blick in die Zukunft ihr doch mal Sorgen bereitet, wird sie von Freunden und Familie aufgefangen. Zusätzlich engagiert sich Claudia in einer Selbsthilfegruppe, dem CUP-Forum, in dem Betroffene sich austauschen können.

Hier findet sie Halt in dem Wissen, nicht allein mit ihrer Diagnose zu sein. Sie muss ihren Krebs nicht erst erklären, kann Sorgen und Erfahrungen austauschen mit Menschen, die ähnliches durchmachen. „In so einem Forum fühlt man sich verstanden.“

Durch das Sprechen über die Krankheit hat der Krebs für Claudia ein wenig an Schrecken verloren. Im Forum gibt es viele Betroffene, die lange mit ihrer Diagnose leben. Diese positiven Beispiele seien wichtig. „Mein persönlicher Rat an alle Mitbetroffenen: Bitte gebt nicht auf! Lest nicht immer nur die negativen Berichte, recherchiert nicht zu viel im Internet, manchmal stehen dort auch Dinge, die einen selbst gar nicht betreffen, sich aber trotzdem im Gedächtnis festsetzten.“ Claudia will mit ihrer Geschichte zeigen, dass nach neun Monaten nicht alles vorbei sein muss. Sie sei noch immer die Alte.

Auch Onkologe Alwin Krämer gibt sich zuversichtlich. Noch seien sie zwar weit davon entfernt, das Problem zu lösen. „Aber wir können Patienten heute mithilfe der Immuntherapie deutlich besser helfen als wir das noch vor einer Weile konnten.“