„Noch nicht gearbeitet“: Beim „Micro-Retirement“ probiert Gen Z die Rente aus

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Auf Social Media zeigen sich viele junge Menschen auf Weltreise. Wollen sie damit ihren Ruhestand vorziehen? Ein Arbeitsforscher erklärt die Gründe für diesen Trend. 

Wer auf Instagram oder TikTok unterwegs ist, bekommt den Eindruck, dass immer mehr Millennials und Teile der Gen Z ein Sabbatical machen, also eine längere Pause von der Arbeit – und das am Anfang ihrer Karriere. „Ältere Generationen werfen jüngeren oft vor, bei der Arbeit unwillig zu sein. Sie können es nicht nachvollziehen, wenn jemand noch wenig erreicht hat, aber bereits ein Jahr Urlaub macht“, sagt Veit Hartmann vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.

US-amerikanische TikTok-User nennen die Pausen „Micro-Retirement“, also „Mikro-Ruhestand“. Millennials und die Generation Zero wollen nicht bis zur Rente warten, um die Dinge zu tun, die sie begeistern. Laut Arbeitswissenschaftler Hartmann hätten Auszeiten aber zahlreiche Gründe: Manche nutzten die Zeit für Fortbildungen, andere „möchten raus aus dem Arbeitsalltag und etwas ganz anderes tun. Dazu gehört auch das Thema Reisen.“

„Micro-Retirement“: Junge Menschen entscheiden sich bewusst für Auszeit zu Beginn des Arbeitslebens

Auch in Deutschland nehmen sich viele junge Menschen Auszeiten von ihrem Job. Einer davon ist der 26-jährige Luis aus Frankfurt, der bereits seit neun Monaten unterwegs ist. Er hat sich bewusst dazu entschieden, sich diesen Traum in jungen Jahren zu erfüllen, solange er die „Energie für Abenteuer und die Toleranz für den Mangel an Komfort“ habe. „Ich glaube nicht, dass ich mit 45 oder gar 65 noch in Hosteldorms schlafen oder 18-stündige Busfahrten unternehmen will“, sagt Luis BuzzFeed News.

Das Reisen habe viele positive Seiten wie die „Freiheit und die kulturelle und menschliche Vielfalt, die ich kennenlerne“, erzählt Luis. Arbeitsforscher Hartmann berichtet, dass Reisen sich sogar günstig auf die Karriere auswirken könne: Internationalität, Sprachkompetenz und Umgang mit anderen Kulturen seien Fähigkeiten, die von Unternehmen geschätzt würden. „Man konnte eine Weltreise noch nie so positiv in seinem Lebenslauf darstellen wie aktuell“, sagt er.

Babyboomer haben kaum Verständnis für Lebensplanung der Gen Z

Das würden häufig besonders Mitglieder der Generation X und Babyboomer nicht verstehen. „Die Älteren sagen: ‚Noch nicht gearbeitet und schon eine Weltreise machen‘“, erklärt der Arbeitsexperte. Dabei gebe es kein richtig oder falsch: „Es handelt sich einfach um unterschiedliche Lebensentwürfe und Modelle in unterschiedlichen gesellschaftlichen Entstehungskontexten“, so Hartmann. Denn die Arbeit habe sich verändert. Junge Menschen hätten heute nicht mehr die typische Erwerbsbiografie im Kopf wie früher: Ausbildung oder Studium, dann ein Job bis zur Rente.

Junge Frau mit Rucksack wandert einen Berg im Schnee nach unten.
Nicht bis zu Rente warten: Junge Menschen wollen reisen, solange sie fit sind. © Cavan Images / IMAGO

Menschen nutzen berufliche Auszeiten jedoch nicht nur aus positivem Antrieb. Einige Arbeitnehmer legen eine Pause ein, um einem Burnout vorzubeugen. Der Experte warnt davor: „Ziel sollte es sein, die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass es gar nicht erst zu einem Burnout kommt“, sagt Hartmann BuzzFeed News Deutschland. Eine monatelange Auszeit sei ein Ausweg für Einzelne, doch als Lösung „gefährlich“. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten stattdessen Arbeitsbedingungen zu schaffen, von denen man keine lange Pause brauche.

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