Unterstützer der Ukraine und Gesprächspartner Putins: Elon Musk dirigiert die Welt
Von Putin lässt er sich einspannen, er steht für Trump und die Ukraine; vor der US-Wahl 2024 versucht die Weltpresse Elon Musk irgendwo einzuordnen.
Moskau – „Wir müssen übertreiben. Wir müssen eine Atompsychose schüren“ – gesagt haben soll das Sergei Kirijenko im April 2022, das behauptet die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Der stellvertretende Leiter der russischen Präsidialverwaltung und, laut der NZZ, Wladimir Putins recht Hand soll damit einen Social Media-Feldzug gestartet haben; parallel zum Ukraine-Krieg, der da schon zwei Monate tobte und Russland zu der Zeit bereits aus dem Ruder gelaufen war. Seitdem kursieren Gerüchte, das der Tech-Unternehmer Elon Musk entweder seit zwei Jahren ein Intimus des Kreml-Chef sei oder aber auf dessen Abschussliste stünde – und zwar ziemlich weit oben. Die Propaganda hat möglicherweise gewirkt: Die Verwirrung ist groß.
Beide Versionen finden gerade neue Nahrung und schüren Nervosität: „Regelmäßige Kontakte zwischen dem reichsten Mann der Welt und Amerikas größtem Widersacher wecken Sicherheitsbedenken; Themen seien Geopolitik, geschäftliche und persönliche Angelegenheiten“, schreibt aktuell das Wall Street Journal (WSJ). Das Magazin Forbes behauptet glatt das Gegenteil: Musks Freigabe der Starlink-Satellitenverbindung für die Ukraine habe den Zorn des russischen Despoten entfacht, und man wolle ihm ans Leder.
Russische Drohungen gegen Musk und Angriffe auf SpaceX-Satelliten nehmen scheinbar zu
Russische Drohungen gegen Elon Musk und Angriffe auf SpaceX-Satelliten nähmen danach zu, behauptet Forbes-Autor Kevin Holden Platt. Tatsächlich wäre Putins Krieg ohne Starlink wahrscheinlich längst Geschichte. Die Ukraine konnte von Beginn der Kämpfe an quasi ungestört miteinander kommunizieren – die blitzschnellen Aktionen der ukrainischen Verteidiger hatte vor allem die Starlink-Technik ermöglicht; beziehungsweise Elon Musk, der Starlink über seine Firma SpaceX entwickelt und vertreibt. Anfangs des Krieges hatte Mychajlo Fedorow über Social Media Elon Musk um Hilfe gebeten – die der Tech-Unternehmer dem ukrainischen Minister für digitale Transformation auch prompt gewährte. Selbstlos, wie das anfangs schien.
„Elon Musk ist nicht zu stoppen. Er wird tun, was er für richtig hält. Man muss einen gemeinsamen Nenner mit ihm finden und nach Wegen suchen, ihn zu überzeugen.“
Jetzt haben die Russen die Technik gekapert – über Umwege, denn Musk hatte immer wieder dementiert, mit den Russen zu kooperieren. Russische Privatfirmen kauften die Terminals von Zwischenhändlern, die den Kauf als Privatgebrauch ausgäben und die Ausrüstung über Nachbarländer, darunter ehemalige Sowjetrepubliken, nach Russland lieferten, sagte Geheimdienstchef Kyrylo Budanov gegenüber dem Wall Street Journal bereits Anfang des Jahres. Sanktionen gegen Wladimir Putin laufen da ins Leere.
„Wir leben von seiner Gunst“, sagte ein Pentagon-Beamter über Musks Rolle im Krieg in der Ukraine. „Das ist Mist.“ Ronan Farrow hat dieses Zitat veröffentlicht im New Yorker – bereits im August 2023. Obwohl Musk technisch gesehen weder Diplomat noch Staatsmann sei, hielt er es angesichts seines Einflusses in dieser Angelegenheit für wichtig, ihn auch so zu behandeln, sagte gegenüber dem Magazin Colin Kahl. Der damalige Staatssekretär für Verteidigungspolitik im Pentagon skizzierte dem Magazin eine Rolle des US-Amerikaners, die den New Yorker veranlasste, von Musks „Schattenherrschaft“ zu titeln.
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Im U.S.-Wahlkampf 2024 mischt Musk als Unterstützer von Donald Trump mit
Im U.S.-Wahlkampf 2024 mischt Musk als Unterstützer von Präsidentschaftskandidat Donald Trump mit. Der geschätzt 230 Millionen Euro vermögende Unternehmer gilt bereits jetzt als reichster Mensch der Welt und könnte laut dem Bloomberg Billionaires Index bis 2027 sogar zum ersten Billionär der Welt wachsen. Der britische Guardian erklärt Musk zu „Trumps größtem Cheerleader“: „Er ist zugleich ein lautstarker Trump-Stellvertreter, ein Megaspender für den Wahlkampf, ein informeller politischer Berater, ein einflussreicher Medienvertreter und eine produktive Quelle für Online-Desinformation.“ Möglicherweise aktiv, auf jeden Fall aber passiv.
Die NZZ hatte als Beispiel dafür ein „Meme“ genommen — also ein Bild mit Kommentar in Sozialen Netzwerken: eines von dem bedröppelt dreinschauenden ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, unterlegt mit dem Spruch „Das Gefühl, wenn Du seit ganzen fünf Minuten nicht mehr um eine Milliarde Dollar Hilfsgelder gebeten hast“; gepostet wurde das von Elon Musk im Oktober 2023.
Vermeintlich gepostet von Elon Musk. Denn als Quelle recherchierte die Neue Zürcher Zeitung aufgrund von Dokumenten des U.S. Geheimdienstes FBI (Federal Bureau of Investigation) eine russische Social Media-Agentur, die auf Putins Geheiß Proganda betreibt. Bereits im Oktober 2022 soll Musk über seine Firma X (normals Twitter) gepostet haben: „Wenn ich unter mysteriösen Umständen sterbe, war es schön, dich kennenzulernen“, wie Forbes erneut hervorhebt. Musk soll dabei Juri Borissow adressiert haben – der Chef der russischen Raumfahrtbehörde hatte davor Musk mit persönlicher Vergeltung gedroht, weil dieser die „faschistischen Kräfte“ der Ukraine mit satellitengestützten Internetverbindungen versorgte, wie das Magazin schreibt.
Musk hat mit Starlink Putins Blitzkrieg gegen die Ukraine konterkariert
Im Oktober 2022 hatte Musk öffentlich erklärt, er habe nur einmal mit Putin gesprochen. Auf X sagte er, das Gespräch habe sich um den Weltraum gedreht und etwa im April 2021 stattgefunden, wie das Wall Street Journal in seiner aktuellen Berichterstattung klarstellt. Einer aktuellen und einer ehemaligen Geheimdienstquelle zufolge hätten Musk und Putin seitdem und auch noch in diesem Jahr in Kontakt gestanden, „als Musk seine Kritik an der US-Militärhilfe für die Ukraine verschärfte und sich in Trumps Wahlkampf engagierte“, wie das WSJ weiter berichtet.
Musks Rolle ist insofern ambivalent bis verwirrend. Und insofern könnte Forbes mit seiner Berichterstattung genauso richtig liegen wie das Wall Street Journal: Musk hat mit Starlink Putins Blitzkrieg gegen die Ukraine konterkariert. Mit der Wahlkampf-Unterstützung für Donald Trump wiederum hilft er, die USA aus dem Ukraine-Krieg herauszuboxen. Tatsächlich hatte Musk auch die Nutzung von Starlink für die Ukraine für die Region der Krim gesperrt. Die Begründung dafür sei die Angst vor einer Provokation Russlands und einem darauf folgenden Atomschlag gewesen – das wird immer wieder als die Marschroute von Elon Musk kolportiert.
Jetzt wiederum soll den Russen der Zugang zu Starlink in den umkämpften Regionen der Ostukraine verwehrt werden – „Pentagon-Beamte sagten, das Militär arbeite mit der Ukraine und Starlink zusammen, um das Problem zu lösen, und bezeichneten SpaceX als großartigen Partner bei diesen Bemühungen, wie das Wall Street Journal schreibt. Die russische Nutzung von Starlink läuft über über zivile Käufer in Staaten außerhalb der westlichen Sanktionen. Musk kassiert also doppelt.
Musk hält entscheidende Stellschraube zum Fortgang des Ukraine-Krieges in Händen
Auch der Konflikt im Indo-Pazifik wird von Elon Musk maßgeblich mitbestimmt werden. Laut dem Wall Street Journal soll der Kreml Musk Ende vergangenen Jahres gebeten haben, über Taiwan Starlink offline zu lassen – davon will das WSJ von einem ehemaligen russischen Geheimdienstler erfahren haben. „Die Bitte sei als Gefallen für China geäußert worden“, schreibt das Blatt. Das wiederum solle China dementiert haben.
Fest steht, dass Elon Musk über sein durch SpaceX vertriebenes Satelliten-Kommunikationssystem eine entscheidende Stellschraube zum Fortgang des Ukraine-Krieges in Händen hält – möglicherweise scheint außerdem möglich zu sein, dass Musk ein unverstandener Pazifist ist. Immer wieder wird betont, dass der Unternehmen lediglich die zivile Nutzung von Datenverkehr verkaufen wollte; wie der New Yorker über ein Treffen Musks mit Geschäftsleuten zu Beginn des Krieges berichtet.
Dort soll er gesagt haben: „Wir sollten verhandeln. Putin will Frieden – wir sollten mit Putin über Frieden verhandeln‘“; der New Yorker zitiert dafür Reid Hoffman, der gemeinsam mit Musk PayPal gegründet hat. „Musk schien, so sagte er, das, was Putin verkaufte, ‚mit Haut und Haar geschluckt zu haben‘“, wie Hoffman dem Magazin sagte.
Anfang 2024 hatte Wladimir Putin gegenüber dem ultrakonservativen Fox-News-Moderator Tucker Carlson geäußert, Musk Ernst zu nehmen: „Elon Musk ist nicht zu stoppen. Er wird tun, was er für richtig hält. Man muss einen gemeinsamen Nenner mit ihm finden und nach Wegen suchen, ihn zu überzeugen.“