Analyse von Ulrich Reitz - Was bilden wir uns ein? Die Trump-Aussage einer Chef-Grünen lässt tief blicken
Es gibt jetzt diesen einen Satz, der das grundsätzliche Problem der Grünen und ihres Verständnisses von Politik im Verhältnis zur Bevölkerung auf einen Nenner bringt. Er stammt von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und lautet:
„Die ganze Welt schaut mit Hoffnung, aber auch mit Sorge auf die US-Wahl.“ Mit der Hoffnung, dass Kamal Harris gewählt werde, „aber auch mit der Sorge, dass das schiefgehen könnte“.
Dröges Satz ist arrogant
Frage: Woher will die Parlamentschefin der deutschen Grünen wissen, was in Bezug auf die US-Wahl die „ganze Welt“ bewegt? Die israelische Regierung dürfte einen Wahlsieg anders bewerten als die deutschen Grünen.
Das gilt auch für Wladimir Putin und im übrigen auch für etliche Leute in der Brüsseler Hierarchie – dort wird ein Wahlsieg Trumps jenseits aller offiziellen Äußerungen mit der Hoffnung verbunden, endlich gemeinsame Schulden für die Ukraine und überhaupt eine europäische Verteidigung machen zu können.
Die Arroganz in Dröges Satz liegt in der Annahme, die Hoffnung auf Harris wäre Allgemeingut in Deutschland, in Europa und im Rest der Welt. Sie wird übrigens nicht einmal von allen grünen Parteifreunden geteilt.
Deborah Düning, Chef-Außenpolitikerin der Grünen, hofft, mit einem Wahlsieg eine Haushaltsnotlage und ein Ende der Schuldenbremse durchsetzen zu können – zugunsten der milliardenschweren Ukraine-Hilfen.
Europa: Der Kontinent ist heillos zerstritten
Kamala Harris, das wäre ein Weiter so. Auch in der Berliner Regierungskoalition. Ein Sieg Trumps hingegen würde alles über den Haufen werfen, auch in Berlin. Nichts brauche man gerade so wenig wie eine Regierungskrise, sagt Robert Habeck.
Damit sagt er, gerade jetzt brauche Deutschland eine starke und keine zerstrittene Bundesregierung. Denn eine Bundesregierung, die keine mehr ist – in den Worten von Sigmar Gabriel – würde zum Spielball einer US-Regierung, vor allem einer, die von Trump geführt würde.
So ist es auch mit Europa. Der Kontinent ist heillos zerstritten, das deutsch-französische Verhältnis liegt mehr oder weniger in Trümmern. Und in Polen sprechen sie in puncto Ukraine-Krieg eine völlig andere Sprache als in Berlin. Eine Trump-Administration hätte leichte Hand, die Europäer gegeneinander auszuspielen.
US-Wahl hat unmittelbare Folgen für die Ampel
Die Europäer hätten sich das selbst zuzuschreiben. Ihre Malaise läge nicht an einem Donald Trump, es wäre vielmehr so, dass eine durch ihn geführte Regierung erst deutlich machen würde, in was für einen beklagenswerten Zustand die Europäer selbst Europa hineingeführt haben.
Die US-Wahl hat unmittelbare Folgen für die Regierung in Berlin. Die taumelt – und hat allen Grund dazu. Über den Obergrünen Robert Habeck sagt der Oberliberale Christian Lindner, der habe einen „vollkommen anderen Zugang zu wirtschaftspolitischen Fragen“. Hinter dieser Feststellung verbirgt sich nicht nur eine Richtungs-, sondern mehr noch eine Schicksalsfrage.
Lindner sagt, Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt. Habeck sagt, der Staat legt die Richtung der Wirtschaft fest. Darin liegt der Kern aller Konflikte. Grundsätzlich heilbar ist das nicht mehr – egal welchen Formelkompromiss die Ampelleute finden.
Regierungs-Spitzentrio könnte noch zu Kompromissen finden
Der Grund ist die Kassenlage: seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die 60 Milliarden, die Olaf Scholz vom Klimatransformationsfonds in den allgemeinen Etat schieben wollte, hat die Regierung einfach kein Geld mehr, um die Wünsche jeder der drei Parteien zu finanzieren. Mit dieser Entscheidung fing der Niedergang dieser Regierung an. Er ist unaufhaltsam.
Was nicht heißt, dass das Regierungs-Spitzentrio nicht doch noch zu Kompromissen finden könnte. Schließlich ist man sich einig, dass der Wirtschaft geholfen werden müsse – offen ist halt das Wie.
Aber das ist eben auch politisches Handwerkszeug, sprich: Guter Wille vorausgesetzt, sollte man sich einigen können, ob eine Senkung der Körperschaftsteuer (Lindner) oder eine Investitionsprämie („Zehn Prozent auf alles“ - Habeck) der bessere Weg sein soll.
Nach Einschätzung von Liberalen drohen die größeren Konflikte mit den Sozialdemokraten. Denn die – auch die Wirtschaftspolitiker der Fraktion – verweigern sich strikt jeglicher Nachbesserung etwa beim Bürgergeld, von der Rente ganz zu schweigen. Dasselbe gilt für das Tariftreuegesetz.
Führende Grüne haben schon lange die Nase voll
Wirtschaft und Soziales sind beileibe nicht die einzigen Konfliktherde. Außenpolitiker bei den Liberalen kommen immer schwerer klar mit der Israelpolitik der grünen Bundesaußenministerin.
Die Grünen halten Grundsatzreden über Transparenz politischer Entscheidungen und wollen die Treffen Annalena Baerbocks mit harten Israelkritikern unter dem Tisch halten. Die Unzufriedenheit gibt es auch andersherum:
Führende Grüne haben schon lange die Nase voll von der Art, wie Olaf Scholz nicht führt. Sie sagen das inzwischen auch offen wie Fraktionsvize Andreas Audretsch oder eben Dröge: „Was es nicht braucht, ist eine deutsche Regierung und ein Bundeskanzler, der immer wieder Solo-Nummern in Europa macht und immer wieder im Allgeingang“ gegen europäische Entscheidungen stimme.
Zwei Termine werden nach der US-Wahl entscheidend
Die Regierung leidet an akutem inneren Vertrauensschwund. Lindner sagt, es kommt nicht nur auf die drei Führungsleute an. Da hat er recht: die drei haben sich etwa längst etwa auf eine Streichung der Kalten Progression im Steuerrecht geeinigt. Blockiert wird diese fällige Steuersenkung jetzt von den Grünen im Bundestag. Dahinter steckt eine mehr oder weniger erschreckende Erkenntnis:
Staatstragend könnte man sagen, nicht die Koalition ist der Gesetzgeber, sondern der Deutsche Bundestag. Das stimmt: Aber was ist die Einigung einer Koalition wert, wenn wesentliche Punkte hinterher im Parlament blockiert werden. Die Grünen konnten sich bei den Steuern in der Koalition nicht durchsetzen, dafür versuchen sie es jetzt damit im Parlament.
Kein deutsches Unternehmen könnte so arbeiten. Es macht den Eindruck eines fortgesetzten Intrigantenstadels. Jedenfalls nicht erfolgreich.
Es gibt nun zwei Berliner Termine, in denen nach der US-Wahl darüber befunden wird, wie es in und mit Deutschland weitergehen soll. An diesem Mittwochabend trifft sich der Koalitionsausschuss. Er soll entscheiden, wie es weitergehen soll mit der Ampel. Und darüber, ob Scholz „der Kapitän“ bleiben kann. Das führt direkt zum Donnerstag.
Union versteht sich als Staatspartei
Dann ist der Oppositionsführer beim Bundespräsidenten. Friedrich Merz hat schon klargestellt, dass er als quasi als Notrad einer hinkenden Minderheitsregierung eben so wenig infrage kommt wie als Retter eines sozialdemokratischen Kanzlers als dessen Juniorpartner.
Aber: Schon einmal hat Frank Walter Steinmeier es fertiggebracht, eine Partei gegen deren Willen in eine Regierung zu nötigen – 2017 war das. Aber es handelts sich um die „eigenen“ Leute. Nur:
Die Wucht eines patriotischen, staatstragenden Präsidenten-Arguments im Fall eines Wahlsiegs von Trump sollte man auch nicht unterschätzen. Die Union versteht sich schließlich als Staatspartei – und wenn es denn darum geht, Deutschland aus einem Notstand zu befreien…