Haftstrafe nach schwerem Unfall: „Man kann den Bogen nicht so überspannen“
Ein junger Mann verlor bei einem Autounfall beinahe sein Leben. Nun wurde er zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt – ohne Bewährung.
Bad Tölz/Wolfratshausen - Der heute 27-Jährige aus Bad Tölz saß ohne gültigen Führerschein am Steuer des Skoda, mit dem er am 3. Juli vorigen Jahres gegen 23 Uhr am Greilinger Berg nach links von der Fahrbahn abkam und gegen einen Baum krachte. Deshalb musste er sich kürzlich wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor dem Amtsgericht Wolfratshausen verantworten.
Dass der Tölzer den Unfall überlebte, grenzt an ein Wunder
Dass er diese Gelegenheit noch bekam, grenzt fast an ein Wunder, angesichts der gravierenden Verletzungen, die er sich bei dem Crash zugezogen hatte. „Man hat ihn in Murnau gerettet“, erklärte Verteidigern Donatella Angino. Noch heute sei ein Knie instabil, ihr Mandant leide an Nervenschäden im rechten Bein. Hinzu kämen „gravierende Schäden auch psychischer Art“.
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Wie es zu dem Unfall gekommen war, konnte nicht geklärt werden. Zeugen gab es nicht, der Angeklagte habe „keine Erinnerung, gefahren zu sein“, so die Verteidigerin, habe aber kurz nach dem Unfall selbst von einem Suizidversuch gesprochen. Bei dem Crash war das Fahrzeug quer über die Fahrbahn nach rechts in den Graben geschleudert worden, der Motorblock war auf der Straße liegen geblieben. „Wie man so einen Unfall zustande bringt, weiß ich nicht“, erklärte ein Polizist als Zeuge vor Gericht. „Es gab keine Schleuderspuren, nichts, möglicherweise ist der Fahrer eingeschlafen, aber das ist Spekulation.“
Tölzer ist mehrfach vorbestraft
Allerdings wusste der Beamte gleich, wer der Unfallverursacher war. Der mehrfach vorbestrafte Tölzer musste seinen Führerschein 2017 abgeben, damals war er 21 Jahre jung und wegen Drogenhandels zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Drei Jahre später saß er wieder auf der Anklagebank: Wegen fortgesetzten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie Urkundenfälschung wurde er zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Richter am Landgericht wandelten dieses Urteil in der Berufungsverhandlung im Mai 2023 in eine zweijährige Bewährungsstrafe um.
Richter hat keinerlei Verständnis für den Angeklagten
„Er kriegt im Mai Bewährung, die mit nichts zu rechtfertigen ist – und zwei Monate später setzt er sich wieder ins Auto“, ereiferte sich Richter Helmut Berger. „Was hat das Urteil für eine Wirkung auf sie?“, fragte er den Angeklagten. Die Antwort gab er selbst: „Keine! Er hat das Berufungsurteil mit Füßen getreten.“ Deshalb zeigte der Richter auch kein Verständnis für den Antrag der Verteidigerin. Diese hatte in ihrem Plädoyer beantragt, auf eine Verurteilung ihres Mandanten zu verzichten und sich dabei auf Paragraf 60 StGB berufen. Darin räumt der Gesetzgeber die Möglichkeit ein, „von einer Strafe abzusehen, wenn die Folgen der Tat für den Täter so schwer sind, dass die Strafe darüber hinaus keinen Zweck erfüllt“. Dieser Fall sei hier gegeben. „Mein Mandant ist doch bestraft genug. Er ist gesundheitlich bis an sein Lebensende beeinträchtigt.“
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Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig
Dieser Paragraf sei geschaffen worden für Fälle, „wo ein Vater beim Rückwärtsfahren versehentlich sein Kind überfährt, aber doch nicht für einen, der wie wild durch die Gegen fährt und gerade noch am Baum vorbeischrammt“, erklärte Berger, der die sehr schweren Verletzungen lediglich strafmildernd bewertete. „Sonst wäre die Strafe höher ausgefallen.“
Mit dem Strafmaß von sechs Monaten ohne Bewährung lag das Gericht deutlich über dem Antrag des Staatsanwalts, der acht Monate mit Bewährung und eine Geldauflage von 1000 Euro gefordert hatte. „Man kann den Bogen nicht so überspannen und er versucht es immer noch“, sprach Berger in seiner Urteilsbegründung offen aus, was er über den Angeklagten dachte: „Ich bin überzeugt, er spielt mit uns.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.