SPD blockiert Cannabis-Abstimmung im Bundestag: „Ein Debakel und Trauerspiel“
Wackelt die Cannabis-Legalisierung? Trotz Einigung drückt die SPD hinter den Kulissen auf die Bremse. Jetzt gibt es Kritik aus den eigenen Reihen.
Berlin – Seit ziemlich genau zwei Jahren verspricht die Bundesregierung, Cannabis zu legalisieren. Nach monatelangem Hin und Her steht seit Sommer der „Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“, kurz CanG. Dieser Referentenentwurf war im Herbst viel diskutiert worden: Legalisierungsbefürwortern waren die Regeln zu restriktiv, Kritikern zu locker. Letztlich konnten sich die zuständigen Ampel-Politiker auf eine endgültige Fassung einigen. Sie sollte Mitte Dezember im Bundestag verabschiedet werden. Doch dazu wird es nicht kommen.
SPD-Fraktion widerspricht eigenem Beschluss
Am Wochenende machte der SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut öffentlich, dass es innerhalb der SPD-Fraktion „Bedenken“ bei der Legalisierung gebe. Zuvor berichtete der Deutsche Hanfverband, dass in der SPD noch „Gespräche und Beratungen“ zum Gesetz stattfänden. Das hätte die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, dem Verband gesagt. Mast ließ eine Anfrage von Ippen.Media dazu unbeantwortet.
Diese Bedenken und Gespräche stehen im Widerspruch zu den Entscheidungen aus der letzten November-Woche. Da einigten sich die zuständigen Abgeordneten von SPD, Grüne und FDP mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Änderungen zum Gesetz. So hieß es etwa, dass die Abstandsregeln zu Schulen oder vergleichbaren Einrichtungen von 200 Meter auf 100 Meter herabgesetzt werden sollen. Die SPD veröffentlichte danach gar eine Pressemitteilung, in der sie die einen „Paradigmenwechsel in der Cannabis-Drogenpolitik“ bejubelt.

Von einer Sprecherin der SPD-Fraktion heißt es nun auf Anfrage: „Wir sind zuversichtlich, das Gesetz im neuen Jahr im Bundestag zeitnah zu verabschieden.“ Damit ist klar: Das Gesetz kommt in der letzten Sitzungswoche des Jahres (11. bis 15. Dezember) nicht mehr auf die Agenda. Genau das war aber bis vor wenigen Tagen noch fest eingeplant.
Es wäre nicht das erste Mal, dass die SPD bei der Cannabis-Frage bremst. In der Partei gibt es unterschiedliche Positionen zu Cannabis. Erst am Montag berichtete der Spiegel von Zweifeln unter SPD-Innenpolitikern an der Legalisierung. „Wenn jetzt über das Gesetz zur Cannabislegalisierung abgestimmt werden würde, gäbe es einen erheblichen Anteil an Nein-Stimmen aus der SPD-Fraktion“, sagte SPD-Politiker Sebastian Fiedler dem Magazin. „Darunter meine eigene.“
Legalisierung ab 1. April? Ampel läuft die Zeit davon
Laut aktuellem Plan sollen Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen für Volljährige ab 1. April 2024 erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen sogenannte Cannabis-Social-Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich werden. Noch vor wenigen Wochen war von 1. Januar als Startpunkt der Legalisierung die Rede, doch schon damals schaffte es das Cannabis-Gesetz nicht auf die Tagesordnung zur Abstimmung. Die Bundesregierung begründete das mit dem Krieg in Israel sowie später mit dem Haushaltsplan 2024. Die Botschaft: Es gibt wichtigere Themen als die Legalisierung von Gras.
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Wann abgestimmt wird, ist noch völlig unklar. Ebenso, ob der 1. April als Starttermin des Gesetzes gefährdet ist. Die SPD lässt ein klares Statement zum Zeitplan auf Anfrage vermissen. Optimistischer äußern sich die drogenpolitischen Sprecherinnen von FDP und Grünen. Es gelte nun, das Gesetz für die zweite und dritte Lesung vorzubereiten, sagt die FDP-Politikerin Kristine Lütke auf Anfrage. „Um die von Gesundheitsminister Lauterbach genannten Fristen zum Inkrafttreten einhalten zu können, muss dies allerspätestens im Januar passieren.“ Auch Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther sagt, eine Aufsetzung „Anfang des Jahres“ reiche. Dann müsste das Gesetz zwischen 15. und 19. Januar in den Bundestag.
Die Branche ist genervt vom ständigen Hickhack der Bundesregierung. Der Cannabis-Unternehmer Niklas Kouparanis spricht im Gespräch mit unserer Redaktion von einem „Debakel und Trauerspiel“ und meint: Die ausbleibende Zustimmung der SPD sei „ein Schlag ins Gesicht“. Patienten, Konsumenten und die Branche an sich bräuchten „endlich Klarheit“. Kouparanis fordert: „Es liegt nun an den vielen kompetenten SPD-Politikerinnen und Politikern, die Glaubwürdigkeit der eigenen Partei nicht noch weiter zu verspielen, indem die für die gegenwärtige Blockade des Fraktionsvorstands verantwortlichen Personen benannt und abgezogen werden.“