Ausland - Die Türkei, Syrien und Trump: Hoffnung auf einen "Deal"?
"Wir werden bald in Damaskus mit unseren Brüdern beten", sagte 2012 der damalige Premierminister Recep Tayyip Erdogan – und deutete auf den baldigen Umsturz von Baschar al-Assad hin. "Er hat keine Zukunft in Syrien", erklärte er damals.
Die Prognose des türkischen Präsidenten hat sich nicht erfüllt. Stattdessen könnte nach der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sogar Bewegung in das frostige Verhältnis zwischen Syrien und der Türkei kommen.
Nach Einschätzung der syrischen Regierung sind zwei gegensätzliche Szenarien denkbar: Eine Wiederannäherung oder eine Verschlechterung der bereits schlechten Beziehungen zwischen beiden Ländern.
"Eine Normalisierung zwischen Ankara und Damaskus ist von der Dynamik der persönlichen Beziehungen zwischen Trump und Erdogan abhängig", erklärt der syrische Politiker Ahed Al Sukkari im Gespräch mit der DW.
Sukkari gehört wie Syriens Diktator Baschar al-Assad der Baath-Partei an und ist stellvertretender Präsident des Ausschusses für Internationale Beziehungen im syrischen Parlament. Er sprach mit der DW via Whatsapp.
"Erdogan sieht Trumps Rückkehr als ein Vorteil", schreibt er. "Er möchte diese für sich selbst nutzen, in dem er sich als der Beschützer der Region positioniert und dadurch politische, militärische und vor allem wirtschaftliche Vorteile bekommt."
Falls Trump wie in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) Druck auf Ankara ausübe, könne dies allerdings dazu führen, dass die Türkei eine Normalisierung ihrer Beziehungen zu Syrien sowie die Pflege ihrer Beziehungen zu Russland und dem Iran bevorzugen würde, erläutert er.
Ankara unterstützt seit Anfang des Bürgerkrieges 2011 die syrische Opposition. Trotzdem gab es in der letzten Zeit Signale für eine Wiederannäherung zwischen den Staatschefs der beiden Länder.
So ist ein Treffen zwischen den beiden Staatschefs ist vorgesehen, das bisher allerdings nicht realisiert wurde. "Als zwei Länder mit muslimischen Völkern möchten wir so bald wie möglich wieder zusammenkommen", sagte Erdogan im Sommer dieses Jahres.
In Bezug auf die türkisch-syrischen Beziehungen spielt noch eine weitere persönliche Beziehung eine wichtige Rolle: Nämlich das Verhältnis zwischen Wladimir Putin und Erdogan.
Der Kreml hat sich als der Vermittler für die Gespräche zwischen Damaskus und Ankara angeboten. Moskau gilt als der wichtigste Verbündete Syriens. Russlands Präsident Putin unterhält gute persönliche Beziehungen zu Erdogan.
Diese Kooperation ist laut Zaur Gasimov, Experte für türkisch-russische Beziehungen an der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul, "emotional, sehr dynamisch, stabil, funktional, entideologisiert und zukunftsorientiert".
Syriens Diktator zeigte sich ebenfalls für eine Normalisierung offen, allerdings nur unter einer Bedingung: Den Abzug der türkischen Soldaten in Nordsyrien. Von Ankara kamen bisher allerdings keine Schritte in diese Richtung.
Mit der Stationierung von türkischen Soldaten in Nordsyrien beabsichtigt Ankara offiziell die Verhinderung einer territorialen Einheit der Gebiete, die von kurdischen Kräften kontrolliert werden. Erdogan signalisierte sogar vor einigen Wochen, dass Ankara vorhabe, in Syrien eine neue militärische Operation durchzuführen.
Auch die USA haben Soldaten in Syrien stationiert. Die Truppen befinden sich hauptsächlich im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Deir Ezzor, und unterstützen lokale Kräfte im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS).
"Die Präsenz amerikanischer Soldaten in Syrien ist kostspielig", erläutert Experte Gasimov. "Angesichts der militärischen Schwächung Irans und Russlands in Syrien könnte Trump die Truppen tatsächlich abziehen und auf andere Militärbasen in der Region verlegen."
Seiner Einschätzung nach werde Trump im Nahen Osten wirtschaftliche Interessen priorisieren, erklärt Zaur Gasimov. "Die Bedeutung der Türkei für die USA nimmt sowohl in geopolitischer als auch in geoökonomischer Hinsicht zu."
Für den syrischen Außenpolitiker Sukkari wäre ein Abzug von US-Truppen aus Syrien wahrscheinlich ein Teil eines größeren geopolitischen Abkommens. "Eine solche Entscheidung wird von dem Krieg in Gaza und Libanon sowie den Beziehungen von Washington zu Teheran und Moskau abhängen."
Während eine politische Annäherung an die Türkei für den isolierten Diktator Syriens ein großer Erfolg wäre, erhofft sich Erdogan dadurch innenpolitische Erleichterung. Denn die Unterstützung für die rund 3,4 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei ist von anfänglicher Sympathie und Hilfe in wachsende Ablehnung umgeschlagen.
"Syrien ist zum Schauplatz der militärischen Auseinandersetzungen in der aktuellen Nahostkrise geworden. Dies schwächt sowohl die syrische Wirtschaft als auch den politischen Handlungsspielraum der Assad-Regierung", erklärte Experte Gasimov.
Bei einer Fortsetzung der Nahostkrise müsse die Türkei mit einer wachsenden Fluchtmigration aus Syrien und dem Libanon rechnen. Mit einem befreundeten Assad wäre die Rückkehr dieser Menschen in die Heimat realistischer als heute, meint er.
Mitarbeit: Berrak Güngör
Autor: Burak Ünveren
Von Burak Ünveren