Erinnerungen an Forsterns große Eicher-Zeit

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Vor geschichtsträchtiger Kulisse sprach Referent Klaus Köhler im Eichermuseum Forstern: Hinter ihm die Porträts der beiden Firmenchefs Josef Eicher (1906-1984, l.) und Albert Eicher (1907-1994), rechts oben ein Ölporträt des Firmengründers Josef Eicher sen. (1874-1958), links daneben die Urkunde der Max-Eyth-Gesellschaft, die ausdrücklich auch den niedrigen Kraftstoffverbrauch des luftgekühlten Schlepper-Dieselmotors würdigt. In der Ecke eine Büste Rudolf Diesels, davor Albert Eichers Original-Schreibtisch. Erfolgsmodelle für die ganze Republik © Clarissa Höschel

Zeitzeuge Klaus Köhler zeigt persönliche Fotos und Geschichten aus den Nachkriegsjahren.

Forstern – 1936, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, entstand der erste Eicher-Schlepper. 1941, mitten im Krieg, gründeten Josef und Albert Eicher die Gebrüder Eicher Traktorenbau oHG. Bereits ein Jahr später verließ der tausendste Schlepper das Werk, bevor die Firma als Rüstungsbetrieb verpflichtet wurde. Die eigentliche Eicher-Erfolgsgeschichte begann nach dem Krieg mit der Serienproduktion des ED16/I, eines Traktors mit 16 PS, luftgekühltem Dieselmotor und Direkteinspritzung. Weltweit der erste seiner Art. Eicher wurde, im Aufwind der Nachkriegszeit, zu einem stetig wachsenden Familienbetrieb.

Zu dieser Zeit beginnt auch die Geschichte des Zeitzeugen Klaus Köhler: Er kam mit Eltern, Großeltern und Schwester Liesl am Dreifaltigkeitssonntag 1946 als fünfjähriges Flüchtlingskind nach Forstern, wo Eicher-Schlepper längst zum Straßenbild gehörten – „des war des erste, was mir aufgfalln is’ in Forstern“, kommentierte er in seinem Bildervortrag im Eichermuseum ein historisches Foto mit mehreren Schleppern drauf.

Noch im selben Jahr wurde Köhler eingeschult. Sein Vater, gelernter Fassbinder, fand Arbeit in der Tankholzhalle, in der das Holz für die Holzgasfahrzeuge produziert wurde. Überhaupt war die Schlepper-Produktion eng mit dem Leben in dem noch sehr überschaubaren Forstern verknüpft. Jedes neue Produktionshoch wurde mit einer festlichen Dorfrundfahrt gefeiert, bei der der gesamte Ort auf den Beinen war, „wie a große Familie, alle haben zusammen geholfen“, brachte es Köhler auf den Punkt.

Und die Produktion entwickelte sich rasant: Bereits 1949 wurde der tausendfünfhundertst Schlepper ausgeliefert, 1951 konnte der Traktor Nummer 5000 das Werk verlassen. Mit dem Erwerb eines zweiten Werks in Dingolfing konnten bis 1953 weitere 15 000 Traktoren gefertigt werden; Josef und Albert Eicher wurden dafür mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

1953 begann Köhlers Schwester Liesl ihre kaufmännische Lehre bei Eicher, ein Jahr später folgte der 14-jährige Klaus, der Maschinenschlosser werden wollte. Nach seiner Lehre arbeitete er vor allem im Außendienst und machte die Forsterner Erfolgsmodelle in der gesamten Republik bekannt. Bis in die 1960er Jahre folgte mit neuen Baureihen und technischen Raffinessen ein Erfolg auf den anderen, doch dann erreichte der Markt seine Sättigung, die Nachfrage sank, und die erste Wirtschaftskrise nach dem Krieg warf ihre Schatten voraus. Um den drohenden Konkurs abzuwenden, stieg 1970 Massey Ferguson ein – der Anfang vom Ende des Familienbetriebs. Die Firma wurde in eine GmbH umgewandelt, in Landau an der Isar entstand ein neues Werk. 1972 stiegen die Brüder Eicher aus der Geschäftsleitung aus und wurden Aufsichtsratsmitglieder – ihr Tätigkeitsfeld war repräsentativ statt produktiv geworden.

Als Massey Ferguson die Firma 1980 auflösen wollte, stieg Eicher Indien ein, was den Konkurs um vier Jahre hinauszögerte. Keine zehn Jahre später, 1992, kam es zur zweiten Insolvenz. 2001, 65 Jahre nach der Gründung, folgte die endgültige Firmenauflösung.

Köhler erinnerte mit seinem Bildervortrag nochmals an die große Eicher-Zeit nach dem Krieg und war sichtlich gerührt von den mehr als 50 Zuhörern, die seinen Ausführungen lauschten. Besonders ältere Forsterner saßen im Publikum und freuten sich nicht nur an den Erinnerungen an die große Firmengeschichte, sondern auch an historischen Fotos, die neben den Meilensteinen der Eicher-Geschichte auch immer wieder Einblicke in die Entwicklung des Orts zeigten. Klassenfotos waren ebenso zu sehen wie das Unfallfahrzeug, mit dem Motorenentwickler und Werkmeister Christoph Winkler am Heiligen Abend 1953 in der sogenannten Augustenkurve in Richtung Hohenlinden tödlich verunglückte.

Bis heute engagiert sich der inzwischen 83-jährige Köhler im Eichermuseum. „Des is mir wichtig“, erklärte er, denn die große Zeit, die auch sein Leben maßgeblich geprägt hat, soll für die Nachwelt gut dokumentiert erhalten bleiben.

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