Kolumne von Susanne Schröter - Lesen Sie mal, mit welchen Islam-Verbänden Rheinland-Pfalz jetzt Verträge abschließt

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Susanne Schröter; Boris Roessler/dpa FOCUS-online-Kolumnistin Susanne Schröter
Donnerstag, 26.12.2024, 11:25

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat Verträge mit umstrittenen islamischen Gemeinden unterzeichnet. Die Kooperation gefährdet das friedliche Zusammenleben und ignoriert Warnungen vor türkischer Einflussnahme und radikalen Strömungen.

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Die Landesregierung Rheinland-Pfalz unterzeichnete am 20. Dezember 2024 Verträge mit vier islamischen Gemeinschaften. Mit ihnen sollen ein bekenntnisorientierter Religionsunterricht an staatlichen Schulen, die Ausbildung islamischer Theologen sowie verschiedene muslimische Belange, darunter die muslimische Seelsorge und der Umgang mit muslimischen Feiertagen gestaltet werden.

Das Vorhaben geht auf das Jahr 2013 zurück, stockte dann jedoch mehrere Jahre lang, weil Bedenken gegenüber dem beteiligten Dachverband DITIB bestanden, der in vielfältiger Weise vom türkischen Religionsministerium Diyanet abhängig ist. Der türkische Präsident Recip Tayyib Erdoğan wiederum nutzt den kurzen Draht über die Diyanet zur DITIB, um in Deutschland Einfluss auszuüben.

Erdoğan nutzte DITIB-Moscheen für politische Zwecke

Wiederholt wurden DITIB-Moscheen für politische Zwecke instrumentalisiert. In Freitagspredigten wurde Propaganda für den völkerrechtswidrigen Angriff der türkischen Armee auf kurdische Gebiete in Syrien verkündet, man wetterte gegen die Integration türkischer Muslime in Deutschland und verherrlichte das Märtyrertum.

2016 wurde von DITIB-Moscheen um die Weihnachtszeit herum antichristliche Hetze verbreitet, und 2018 wurden Kinder für militaristische Aufführungen in DITIB-Moscheen missbraucht, bei denen auch Attrappen von Waffen eingesetzt wurden. Gegen DITIB-Imame wurde wegen Spionageverdacht ermittelt, und immer wieder fanden Wahlveranstaltungen der türkischen AKP in DITIB-Einrichtungen statt.

Über Susanne Schröter

Susanne Schröter ist Professorin am Institut für Ethnologie an der Frankfurter Goethe-Universität, Vorstandsmitglied des „Deutschen Orient-Instituts“ und Mitglied sowie Mitinitatorin der Denkfabrik R21 für neue bürgerliche Politik. Sie ist im wissenschaftlichen Beirat der „Bundeszentrale für politische Bildung“ sowie im Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam).

Des Weiteren ist Schröter Mitglied der „Hessischen Integrationskonferenz“, des „Dialog Forum Islam Hessen“ sowie des „Hessischen Präventionsnetzwerk gegen Salafismus“. Im November 2014 gründete sie das „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“ (FFGI) und ist seitdem Direktorin der Einrichtung.

 

In Rheinland-Pfalz kam es erst 2021 zu einem handfesten Skandal, weil der Landesvorsitzende Yilmaz Yildiz einen türkischen Historiker, der durch frauenfeindliche, homophobe und antiwestliche Äußerungen aufgefallen war, zu einem Vortrag eingeladen hatte. Das passte schlecht zur Selbstdarstellung des Landesverbandes, der sich angeblich zur Förderung des Miteinanders von Muslimen und Nichtmuslimen verpflichtet fühlt.

Bei jungen Muslimen wurden anti-integrative Einstellungen gefördert

Auch die drei anderen muslimischen Vereinigungen, mit denen Rheinland-Pfalz sich zu enger Zusammenarbeit verpflichtet, lohnen eine nähere Betrachtung. Einer von ihnen ist der Landesverband Islamischer Kulturzentren Rheinland-Pfalz, eine Unterabteilung des Verbands Islamischer Kulturzentren (VIKZ), der 1973 in Köln gegründet wurde und nach eigenen Angaben 300 Moscheen in Deutschland unterhält.

Gegenüber der DITIB, die auf fast 1000 Moscheen kommt, ist der VIKZ weniger bedeutsam und bislang auch nicht im gleichen Maß als politischer Akteur in Erscheinung getreten. 2023 trat er sogar aus dem bundesweit aufgestellten Koordinierungsrat der Muslime aus, um seine politische Neutralität unter Beweis zu stellen.

Der Ursprung der VIKZ liegt in der Islamischen Gemeinschaft der Süleymancilar, einer in den 1940er-Jahren entstandenen Gruppierung, die dem laizistischen Bildungswesen in der Türkei eine konservativ-islamische Bildung entgegensetzen wollte. Das klingt unverdächtig, doch die streng an islamischen Quellen orientierte Ausrichtung führt in letzter Konsequenz zu Abschottungstendenzen.

Die Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann hatte 2004 im Auftrag des hessischen Sozialministeriums eine Studie erstellt, in der deutlich wurde, dass vor allem bei jungen Muslimen anti-integrative Einstellungen gefördert wurden. Dazu trügen nicht zuletzt Schülerwohnheime bei, so Spuler-Stegemann, die Schüler im Sinne eines stockkonservativen Scharia-Islam prägten.

Dritte Gruppe ist eine ultrakonservative Vereinigung

Die dritte muslimische Gruppe, mit der Rheinland-Pfalz einen Vertrag schließt, ist die Ahmadiyya Muslim Jamaat. Sie gilt gemeinhin als Reformgemeinschaft, was fälschlicherweise mit einer besonderen Liberalität assoziiert wird. Das Gegenteil ist der Fall.

Es handelt sich um eine ultrakonservative Vereinigung, die Ende des 19. Jahrhunderts von Mirza Ghulam Ahmad im damaligen Britisch-Indien gegründet wurde und in vielen muslimischen Ländern als häretische Organisation verfolgt wird. Die unangefochtene Autorität aller Mitglieder ist ein Kalif, der im Londoner Exil lebt und seine deutschen Anhänger beauftragt hat, 100 Moscheen zu bauen.

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Die Ahmadiyya vertritt eine strikte Geschlechtertrennung, auch im schulischen Schwimmunterricht, unterwirft Frauen einer Ganzkörperverschleierung und lehnt westliche Werte sowie einen westlichen Lebensstil ab. Ehen werden arrangiert, und es gab auch in Deutschland bereits Ehrenmorde, als junge Frauen sich nicht an die rigiden Gebote islamischer Sittsamkeit hielten.

Gründer der Bewegung ist der Antisemit Necmettin Erbakan

Eine vierte Gruppierung in Rheinland-Pfalz nennt sich Schura und ist ein Sammelbecken unterschiedlicher muslimischer Vereinigungen. Eine von ihnen ist die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), die ebenfalls eine rigide islamische Geschlechterordnung predigt und beispielsweise mit einem jährlichen Hijab-Tag für das islamische Kopftuch (hijab) wirbt.

Sie wird regelmäßig unter der Rubrik „Islamismus“ in Verfassungsschutzberichten aufgeführt, weil sie historisch auf die islamistische Milli Görüs-Bewegung zurückgeht, die sich eine Re-Islamisierung der vormals laizistischen Türkei zum Ziel gesetzt und mehrfach politische Parteien hervorgebracht hatte, die als staatsfeindlich galten.

Gründer der Bewegung ist der Antisemit Necmettin Erbakan, der den türkischen Präsidenten Erdoğan ideologisch prägte. Die IGMG betont heute gern ihre Unabhängigkeit von der Milli Görüs-Bewegung, feierte aber noch 2021 Gedenkveranstaltungen anlässlich des 10. Todestages ihres Gründers.

Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung der Verträge kam nicht zustande

Die CDU wollte in Rheinland-Pfalz ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung der Verträge mit den Verbänden machen. Dies kam nicht zustande, was wenig verwunderlich ist.

Schon nach dem Massaker der Hamas am 7.Oktober 2023 ließen Politiker auf Bundes- und Länderebene nichts unversucht, um die muslimischen Verbandsvertreter zu entsprechenden Statements zu veranlassen. Gelungen ist dies entweder gar nicht oder nur halbherzig, was auch dem tief verwurzelten Israelhass geschuldet ist, der in den Heimatländern kultiviert wird.

Beispielsweise in der Türkei. Der Vorsitzende des türkischen Religionsministeriums hatte Israel als rostigen Dolche im Körper der muslimischen Geografie bezeichnet, und der türkische Präsident lässt keine Gelegenheit aus, um die Hamas als ehrenhafte Widerstandsorganisation zu glorifizieren. Das hat zweifellos Auswirkungen auf die muslimischen Vereine in Deutschland, die sich an der Türkei orientieren.

Die Ahmadiyya kommt sogar aus eigenem Antrieb zu einer dezidiert israelfeindlichen Haltung. Auf ihrer Homepage wendet sie sich gegen den deutschen „Bekenntniszwang“ und postet einen Aufsatz, der einen weiten historischen Bogen schlägt. Schon zu Zeiten Mohammeds hätten Juden gegen die muslimische Vorherrschaft rebelliert, weshalb ihre Vertreibung und sogar die Hinrichtung aller Männer eines Stammes rechtmäßig gewesen seien.

Wer Rebellen gegenüber Milde zeige, tue den Friedliebenden nämlich Unrecht. Zivilisierte Nationen hätten daher schon immer die Todesstrafe für Rebellion verhängt. Es muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass die Ahmadiyya Werbegeschenke mit dem Aufdruck „Liebe für alle, Hass für keinen“ verteilt.

Wer sich Sorgen über den zunehmenden Antisemitismus in der Gesellschaft macht, sollte angesichts solcher Befunde ein gewisses Problembewusstsein bezüglich der muslimischen Gemeinschaften entwickeln.

Erhoffte positive Wirkung auf den Islam hierzulande lässt sich empirisch nicht belegen

Staatliche Kooperationen mit islamischen Organisationen werden gewöhnlich mit einer erhofften positiven Wirkung auf den sich hierzulande beheimatenden Islam gerechtfertigt. Dabei denkt man an einen liberalen oder zumindest grundgesetzkonformen Islam. Diese optimistische Sichtweise lässt sich empirisch jedoch nicht belegen.

Vielmehr scheinen die Verbände neue Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um gezielt gegen liberale Gelehrte vorzugehen. Der bereits erwähnte muslimische Koordinierungsrat, dem alle großen Verbände angehören, machte beispielsweise im Jahr 2013 gegen den muslimischen Theologen Mouhanad Khorchide mobil und forderte dessen Entlassung aus der Universität Münster. Der Professor, der eine Theologie der Barmherzigkeit lehrt, war ihnen schlicht zu moderat.

Anderen Theologen wurde in Baden-Württemberg von einem sunnitischen Schulrat, den das Land als Kooperationspartner eingesetzt hatte, die Lehrerlaubnis verweigert. Diese Lehrerlaubnis existierte bis zur Einsetzung des Schulrates gar nicht, sodass die Verweigerung vor allem Dozenten betraf, die bereits jahrelang unterrichtet hatten. Auch die sich unpolitisch gebende VIKZ gehört diesem Schulrat an und beteiligte sich am Canceln der Glaubensbrüder.

Wer darauf hofft, dass sich durch die Einbeziehung muslimischer Vereinigungen ein Islam entwickeln lasse, der im besten Sinne des Wortes europäisch ist, wie es der aus Syrien stammende Gelehrte Bassam Tibi vorgeschlagen hatte, wurde ohnehin spätestens 2019 enttäuscht.

Damals veranstalteten die DITIB und das türkische Religionsministerium in Köln eine Konferenz, auf der solchen Vorstellungen eine klare Absage erteilt wurde. Stattdessen redete man einem universellen Islam unter türkischer Vorherrschaft das Wort.

Um diesen Anspruch zu untermauern, waren auch Vertreter der islamistischen Muslimbruderschaft eingeladen worden. Deutschland war für diese Akteure nicht Partner, wie Politiker hierzulande stets betonen, sondern nur die Kulisse für eigene Expansionsfantasien.