Klinikum steckt in finanziellen Nöten: Brandbrief an Gesundheitsminister Karl Lauterbach
Die finanzielle Notlage der Krankenhäuser veranlasst Gesundheitsregionen zu einem offenen Brandbrief. Sie verorten die Probleme in der aktuellen Bundesgesundheitspolitik.
Garmisch-Partenkirchen – Wenn Alarmstufe rot ausgerufen wird, neigt der in Notgeratene dabei gerne zur Übertreibung. Nicht im Falle der klammen Kliniken in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau und Landsberg am Lech. Da ist die Lage tatsächlich ernst. Allein im vergangenen Jahr hat das Klinikum im Kreisort angesichts Inflation, gestiegener Energie- und Materialkosten ein Defizit von zwölf Millionen Euro eingefahren. „Umgerechnet kostet diese Krise jedem einzelnen Bürger im Landkreis zwischen 160 und 180 Euro im Jahr“, macht Hansjörg Zahler das Dilemma deutlich. Dem Vorsitzenden der Gesundheitsregion im Landkreis ist überhaupt nicht mehr zum Lachen zumute. „Das was hier gerade passiert, ist ein Wahnsinn.“ Deshalb hat er gemeinsam mit seinen Gesundheitsregion Kollegen der Landkreise Weilheim-Schongau und Landsberg am Lech einen dreiseitigen, offenen Brief verfasst – der bereits gestern in den Briefkasten geworfen wurde. Der Adressat: Das Gesundheitsministerium unter Karl Lauterbach (SPD) sowie die Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition.
Ziel des kernigen Schreibens: „Wir müssen Druck auf das Gesundheitsministerium aufbauen“, sagt Landrat Anton Speer (Freie Wähler), der gemeinsam mit seiner Kollegin aus Weilheim/Schongau, Andrea Jochner-Weiß (CSU), den offenen Brief der Presse präsentierte. Mit dem geharnischten Schreiben wollen sie auf die „fatale Fehlentwicklung in der aktuellen Gesundheitspolitik“ hinweisen. Immer mehr Krankenhäuser verbuchen gewaltige Verluste bis hin zur Insolvenz. „Wir steuern auf finanzielle Engpässe zu, die sich für Kliniken zu einer existenzgefährdenden Situation weiterentwickeln könnten, sofern nicht umgehend eingelenkt wird“, sagt Zahler. Rund 352 000 Bürger seien betroffen. Er sieht die regionale und überregionale gesundheitliche Versorgung gefährdet.
Wir geben 30,4 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe in aller Welt aus. Nun sollte die Gesundheit der eigenen Bevölkerung oberste Priorität haben.

Das Hauptproblem: Die Kliniken wirtschaften an sich gut bis hervorragend. „An ihnen liegt’s nicht.“ Sondern vielmehr an der immer größer werdenden Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen. Das Defizit kommt deshalb zustande, weil die gestiegenen Betriebskosten sowie die Tariferhöhungen mächtig ins Kontor schlagen, die Krankenhäuser jedoch nach gesetzlich festgelegten Sätzen honoriert werden und nicht wie Wirtschaftsunternehmen einfach Preise erhöhen können. Das regelt der Landesbasisfallwert und damit das Bundesministerium. „2022 haben wir eine Betriebskostenerhöhung von sechs Prozent gehabt. Die Preiserhöhung lag allerdings nur bei zwei Prozent“, erklärt Klinikumsgeschäftsführer Frank Niederbühl. Vergangenes Jahr das gleiche Spiel: Kostenerhöhung von sieben Prozent, der Preis durfte allerdings nur um vier Prozent steigen. So kommt das gewaltige Defizit zustande.
Wirtschaftliche Abwärtsspirale der Kliniken würden ignoriert auf Bundesebene
„Es ist unverständlich, dass der Bundesgesundheitsminister die wirtschaftliche Abwärtsspirale der Kliniken weiter ignoriert und dem sich immer weiter beschleunigenden kalten Strukturwandel tatenlos zuschaut“, übt Zahler scharfe Kritik an Lauterbach. Dieser Unterfinanzierung könnten im schlimmsten Falle medizinische Fachabteilungen oder ganze Klinikstandorte zum Opfer fallen.
Den Brandbrief in ganzer Länge finden Sie hier.
Für alle Beteiligten hat das ministerielle Vorgehen ein Gschmäckle. „Es erzeugt den Eindruck, dass ein wie auch immer gearteter Strukturwandel der Klinik-Landschaft auf kaltem Wege erreicht werden soll.“ Also viele der bundesweit insgesamt noch 1900 Klinik-Standorte in Deutschland drohen zu schließen. Damit würde besonders der ländliche Raum in der Gesundheitsversorgung ausbluten. „Wir geben 30,4 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe in aller Welt aus. Nun sollte die Gesundheit der eigenen Bevölkerung oberste Priorität haben“, sagt Zahler.