„Geschmäckle“ bei Baugenehmigung? Kleines Einfamilienhaus in Peißenberg wird abgerissen, dreigeschossiger Neubau folgt

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Noch steht ein altes Einfamilienhaus auf dem Grundstück. Es soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. © Jepsen

Legt das Landratsamt in Bauangelegenheiten je nach Gusto willkürliche Maßstäbe an? Dieser Vorwurf wurde nun im Peißenberger Bauausschuss laut. Auslöser war ein beabsichtigtes Bauprojekt an der Kreuzung „Thalacker/Thalackerstraße“. Selbiges wurde vom Landratsamt erst abgelehnt, nun aber doch für genehmigungsfähig erachtet.

Peißenberg – Es ist inzwischen der Regelfall: Bauherren und Investoren versuchen bei ihren Planungen, vorhandene Baufenster bis aufs Letzte auszureizen oder zu überschreiten. Das ist bei einem Bauprojekt an der Ecke „Thalacker/Thalackerstraße“ im Bereich der Auffahrt zum „Schweiber“ nichts anderes. Dort soll ein altes Einfamilienhaus abgerissen und durch ein neues samt Einliegerwohnung und Doppelgarage ersetzt werden. Das Problem: Durch die beabsichtigte Dreigeschossigkeit und Geländeabgrabungen an der ohnehin schon abschüssigen Topographie würde das Gebäude im Vergleich zur direkt umliegenden Bebauung ziemlich mächtig und hoch wirken. Der Bauausschuss hat folgerichtig im September vergangenen Jahres sein gemeindliches Einvernehmen wegen der Höhenentwicklung (Firsthöhe mit 10,23 Metern und Wandhöhe um rund 2,5 Meter überschritten) verweigert. Das Gremium befand sich damit voll auf Linie des bei Baugenehmigungen maßgeblichen Landratsamts. Weil es sich um einen unbeplanten Innenbereich handelt, war Maßstab für die Ablehnung der § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches. Danach muss sich das Bauvorhaben in die umliegende Bebauung einfügen. Das Landratsamt kam im vorliegenden Fall zu dem Schluss, dass die bauliche Einbettung in das Quartier nicht gegeben ist.

Doch nun die überraschende Kehrtwende: Nach Gesprächen mit dem Antragssteller und einer lediglich geringfügigen Planänderung des Höhenniveaus (nun sind als Firsthöhe 9,88 Meter vorgesehen) signalisierte die Kreisbehörde ihre Zustimmungsbereitschaft.

Überraschende Kehrtwende

Wie es zu dem Sinneswandel kam? Entgegen der bisherigen Praxis und ohne gesetzliche Änderung hat sich das Landratsamt – quasi eigenmächtig – dazu entschlossen, den Begriff der „umliegenden Bebauung“ neu zu definieren und zu erweitern. Als Kriterium soll nun auch die Bebauung der gegenüberliegenden Straßenseite zur Beurteilung der Einfügung herangezogen werden – sofern es sich nicht um eine große, stark frequentierte Straße handelt. Im konkreten Fall am Thalacker gibt es auf der östlichen Straßenseite ähnlich hohe Gebäude, auch wenn sie im abschüssigen Gelände tiefer liegen und dementsprechend nicht so wuchtig wirken. Bezüglich der vorgesehenen Abgrabung drückt das Landratsamt nun ebenfalls ein Auge zu – und zwar im Rahmen einer „Einzelfallentscheidung“, wie es heißt. Das Plateau auf dem Grundstück, so die Begründung, sei künstlich aufgeschüttet worden und nicht natürlichen Ursprungs.

Im Bauausschuss hagelte es ordentlich Kritik bezüglich der Kehrtwende des Landratsamts. Bauamtsleiterin Birgit Thaller sprach von einem „Präzedenzfall“, der geschaffen werde. Viele Grundstücke im Straßenverlauf würden ähnliche topographische Gegebenheiten aufweisen. Und bei weiteren Bauanträgen müsse dann „identisch“ entschieden werden. Das würde dazu führen, dass mit Abgrabungen quasi die zweite Wohneinheit im Untergeschoss ermöglicht werde, was zu weiteren Bauprojekten mit massiver Gebäudewirkung führen könnte. Scharfe Kritik kam auch von Bernd Schewe (SPD): „Für mich fügt sich das in keinster Weise ein.“ Das Landratsamt habe bei seiner Entscheidung über das Bauprojekt nacheinander zwei unterschiedliche Maßstäbe angelegt. „Das ist willkürlich und hat ein Geschmäckle“, so Schewe: „Das Einfügegebot wurde jahrelang anders gehandhabt.“ Deutliche Worte fand auch Jürgen Forstner (Freie Wähler): „Das hat ein bisschen was von Pippi Langstrumpf: ‘Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt‘. Tut mir leid, das kann ich nicht nachvollziehen.“

Bauausschuss verweigert Einvernehmen

Der Bauausschuss verweigerte mit knapper Mehrheit sein gemeindliches Einvernehmen für das Bauprojekt. Forstner votierte für die Erteilung. Inhaltlich beurteilte Forstner die Kehrtwende des Landratsamts als „Supergau“ und als „erbärmlich“: „Damit haben sie schnell mal die ganze Bauordnung ausgehebelt.“ Aber selten ein Schaden, ohne Nutzen: Forstner sieht mit der veränderten Haltung des Landratsamts eine „Riesenchance für Peißenberg“. Denn jetzt müsse die Behörde bei jedem Bauprojekt einen weit ausgelegten Einfügegrundsatz als Maßstab anlegen. „Das knall´ ich ihnen jetzt bei jeder Planung hin. Das macht es nun richtig einfach für uns. Das ist super, so kann man Wohnraum schaffen“, erklärte Forstner mit ironischem Unterton.

Dass der Ausschuss das gemeindliche Einvernehmen verweigerte, dürfte nicht mehr als eine Meinungskundgabe sein. Das Landratsamt kann die Zustimmung ersetzen – und von dieser Möglichkeit wird die Behörde wohl im Fall „Thalacker 101“ auch Gebrauch machen.

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