Solarstrom kostet deutsche Steuerzahler Milliarden – wegen einer Förderung mit „desaströsen“ Folgen
Deutschland produziert mittlerweile einen Überschuss an Solarstrom. Das sorgt für Probleme bei den Netzbetreibern, aber auch bei den Finanzen. Denn der Ausbau wird noch immer gefördert.
Berlin – Die Förderung der Photovoltaik in Deutschland kommt langsam zum Ende. Und das ist auch gut so. Netzbetreiber, Energieökonomen, Stromanbieter und Solaranlagen-Vertreiber sind sich einig: Die sogenannte Einspeisevergütung hat ausgedient. Auf der einen Seite ist das eine gute Nachricht, denn das bedeutet auch, dass Solaranlagen sich mittlerweile von alleine rentieren und eine gewisse Marktreife erreicht haben.
Doch die Politik hat zu spät reagiert und die Folgen der massiven Förderung nicht rechtzeitig erkannt. Die Einspeisevergütung belastet Steuerzahler mittlerweile in ungeahnter Höhe, Tendenz steigend. Eine Abschaffung der Solarförderung würde das auch erstmal nicht ändern. Denn wer jetzt eine Solaranlage auf dem Dach installiert hat, dem wurde die Einspeisevergütung auf die kommenden 20 Jahre zugesichert.
EEG-Vergütung ist ein „Desaster“: Infrastruktur kommt nicht mit Solar hinterher
„Die aktuelle Methodik der EEG-Vergütung hat desaströse Auswirkungen“, sagt deshalb auch Professor Dr. Christof Bauer im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Er lehrt an der TU Darmstadt zu energiewirtschaftlichen Themen und seit 30 Jahren in der Branche aktiv. Aus seiner Sicht ist die zeitlich undifferenzierte Einspeisevergütung für Solarstrom nur ein Beispiel für eine fehlgesteuerte Energiepolitik aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnte. „Die Situation, die wir jetzt haben, kann man sich am Beispiel der Bahn so vorstellen: Wir stellen immer mehr Züge auf unsere Gleise, ohne im selben Umfang den Ausbau der Gleise voranzutreiben.“
Noch dazu, sagt Bauer, fördere der deutsche Staat ständig den Bau neuer Züge, sorge aber nicht im gleichen Maße für den Bau neuer Gleise, wenn man die Metapher weiterspinnen will.
Anhand der Einspeisevergütung lässt sich das gut erkennen. Aktuell erhalten Eigentümer einer Solaranlage bis 10 Kilowatt Peak (KWp) pro eingespeistem KW Solarstrom 8,2 Cent, wenn sie den erzeugten Strom in Teilen auch noch selbst verbrauchen. Je größer die Anlage, desto kleiner fällt die Einspeisevergütung aus. Das ist übrigens deutlich weniger als noch vor zehn Jahren, als die Einspeisevergütung bei 12 Cent pro KW lag. Und vor 20 Jahren lag die Vergütung noch bei 50 Cent.
Einspeisevergütung auch zu Zeiten, in denen zu viel Strom produziert wird
Auf den ersten Blick klingt das nach einem fairen Deal: Wer Strom produziert, aber selbst nicht verbraucht und es anderen zur Verfügung stellt, sollte dafür Geld bekommen. Damit sollte die Attraktivität einer Solaranlage auf dem Dach gesteigert werden. Das hat auch gut funktioniert, der Zubau geht massiv voran.
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Zu bedenken ist jedoch der unausweichliche Fakt, dass so gut wie jede PV-Anlage zur gleichen Zeit Strom produziert (tagsüber, wenn die Sonne scheint) und in der Regel der Verbrauch dieses Stroms in den meisten Haushalten eben nicht zu dieser Tageszeit stattfindet.
Was passiert? An sonnigen Tagen speisen sehr viele Anlagenbetreiber gleichzeitig ihren Strom ins Netz. Und zwar so viel, dass der Strom seinen Wert verliert – ganz einfach nach dem Ur-Prinzip der Marktwirtschaft. Viel Angebot bei weniger Nachfrage bedeutet sinkender Preis. Es entstehen negative Strompreise.
Nach den Regeln der EEG-Einspeisevergütung bekommen jedoch alle Anlagenbetreiber trotzdem ihre 8,2 Cent pro Kilowatt Strom. Völlig unabhängig davon, ob ebendieser Strom auch zu diesem Preis wieder verkauft werden kann. Das führt unweigerlich dazu, dass die Netzbetreiber, die diese EEG-Vergütung zahlen müssen, ein Minusgeschäft machen. Oder machen würden. Ausgeglichen wird das ganze nämlich durch Zuschüsse aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). Sprich: Der Steuerzahler kommt für das Minus durch die Überschussproduktion von Strom auf.
Überschuss an Solarstrom belastet Steuerzahler: 23 Milliarden Euro allein in diesem Jahr
Was uns das aktuell kostet, legen die Netzbetreiber jeden Monat offen. Bis Ende Juli 2024 wurden 12,75 Milliarden Euro an Einspeisevergütung nach dem EEG-Gesetz ausgezahlt. Bisher sind für dieses Jahr aus dem KTF dafür fast 11,5 Milliarden Euro geleistet worden.
Zum Vergleich: 2023 hat der Bund keine Zuschüsse an die Netzbetreiber leisten müssen, da die Kassen der Betreiber noch prall gefüllt waren. Im Gesamtjahr wurden 16,8 Milliarden Euro für die EEG-Vergütung gezahlt. Auch 2022 war das so, damals kostete die Einspeisung von Strom die Netzbetreiber auch „nur“ 12 Milliarden Euro.
Der Energieökonom Bauer hat berechnet, dass diese Kosten in den kommenden Jahren nochmal deutlich steigen werden. 23 Milliarden Euro für 2024 (das haben die Netzbetreiber mittlerweile selbst berechnet), laut dem Experten dann wenigstens 25 Milliarden im Jahr 2025 und 30 Milliarden für 2026. „Das sind konservative Zahlen. Wenn es mehr wird, würde mich das nicht überraschen“.
Massiver Anstieg durch negative Strompreise: Zubau an Solaranlagen kostet viel Geld
Warum aber plötzlich dieser massive Anstieg? Warum kosten uns die Erneuerbaren Energien auf einmal so viel Geld? Auf Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium erklärt ein Sprecher, dass 2022 und davor noch die Solarförderung durch die EEG-Umlage gedeckt war. Damals zahlten alle Stromverbraucher mit ihrer Stromrechnung diese Umlage, die den Ausbau der Photovoltaik im Land fördern sollte. Diese wurde im Sommer 2022 dann abgeschafft, um die Strompreise zu senken.
2023 haben die Netzbetreiber dann durch die hohen Energiepreise insgesamt gute Einnahmen erzielt, so der Sprecher weiter. Daher habe der Bund nicht bezuschussen müssen. Das hat sich nun geändert, weshalb nun aus dem KTF viel Geld fließen muss, ab 2025 wechselt die Zuständigkeit dann zum Bundeshaushalt.
Das erklärt aber nicht alles. „Die Anzahl der Stunden, in denen negative Strompreise zu beobachten sind, geht massiv in die Höhe“, erklärt Christof Bauer. Sprich: Es tritt durch den massiven Zubau an erneuerbaren Energien immer häufiger der Fall ein, dass in bestimmen Zeiträumen deutlich mehr Strom produziert, als verbraucht wird. Da der Strom im Netz nicht gespeichert werden kann, müssen die Netzbetreiber immer häufiger eine Einspeisevergütung für Strom zahlen, der nicht nur ökonomisch wertlos ist, sondern im schlimmsten Fall den Charakter eines Reststoffs hat, der im Ausland kostenpflichtig entsorgt werden muss.
Lindner will Solarförderung abschaffen: Ab 2029 werden Förderungen für alte Solaranlagen fallen
Das Problem ist auch bei der Politik angekommen, weshalb Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sich jetzt auch für ein vorzeitiges Ende der Solarförderung ausgesprochen hat. Eigentlich sollte die Förderung nur schrittweise abschmelzen – doch aufgrund der steigenden Belastung für den Bundeshaushalt dürften beim Minister gerade die Alarmglocken schrillen. Selbst eine Abschaffung der Förderung ab sofort würde das Problem erst auf längere Sicht beheben. Denn die Förderung ist ja auf 20 Jahre für Besitzer gesichert.
„Wir erwarten erst ab 2029 eine spürbare Entlastung bei den unmittelbaren Förderkosten“, sagt Professor Bauer. Erst dann fällt ein großer Batzen der alten Solarförderung von über 45 Cent pro Kilowattstunde weg. „Inwieweit diese Entlastung aber von der bis dahin weiter ansteigenden Zahl von Zeiten mit negativen Strompreisen überkompensiert wird, ist nicht seriös zu prognostizieren, weil dies von den politisch gesetzten Regulierungs- und Fördermechanismen nicht nur bei uns, sondern auch im benachbarten Ausland abhängt.“