Gutachten zu Israel-Iran-Krieg: Angriff nicht gerechtfertigt?
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte die israelischen Angriffe auf den Iran begrüßt. Doch ein Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Angriffe völkerrechtswidrig waren.
Berlin – Zwölf Tage lang hat der Krieg zwischen Israel und Iran gedauert. Dabei hat Israel nicht nur Mitglieder der iranischen Militärführung getötet, sondern auch Atomanlagen und Atomwissenschaftler gezielt ins Visier genommen. Jetzt haben wissenschaftliche Dienste des Bundestags in einem Gutachten „erhebliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit der israelischen und US-amerikanischen Angriffe auf den Iran geltend gemacht.
Die „ganz überwiegende Zahl der Völkerrechtler“ sehe demnach die Kriterien für eine „Selbstverteidigungslage“ Israels nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen nicht als erfüllt an, heißt es in der 54-seitigen Expertise, die vom Linken-Abgeordneten Ulrich Thoden in Auftrag gegeben wurde und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Keine Beweise zum unmittelbaren Bau von Atomwaffen durch Iran
So hätte Israel den Beweis erbringen müssen, dass der Iran unmittelbar vor dem Bau einer Atomwaffe stand. „Die Herstellung von ausreichend spaltbarem Material im Rahmen des iranischen Atomprogramms ist dabei nur ein notwendiger Zwischenschritt“, heißt es in dem Gutachten. Auch hätte dargelegt werden müssen, dass der Iran die feste Absicht hatte, eine solche Waffe gegen Israel einzusetzen und dass die Militäroperation „Rising Lion“ wirklich die letzte Gelegenheit war, den Bau der Atombombe zu verhindern.
„Nach dem nahezu einhelligen Urteil der Völkerrechtslehre“ sei dies nicht hinreichend geschehen. Allerdings könnte die Faktenlage noch geändert werden, weil Geheimdienste noch über Informationen verfügten, die noch nicht öffentlich kommuniziert worden seien.
Linken-Abgeordnete kritisiert Aussage von Merz zu „Drecksarbeit“
Das Papier scheint bei den Parteikollegen von Thoden gut anzukommen. „Es war keine ‚Drecksarbeit‘ – sondern ein Verstoß gegen geltende Gesetze“, schreibt die Linken-Abgeordnete Nicole Gohlke auf X. Kanzler Friedrich Merz sagte während des Kriegs, Israel mache im Kampf gegen den Iran „die Drecksarbeit für uns alle“ und damit Kritik auf sich gezogen.
Auch der britische Abgeordnete Mike Martin sieht es ähnlich. „Netanjahu hat einen Angriff auf den Iran gestartet, den die meisten (und sicherlich auch ich) als völkerrechtswidrig erachten: Er behauptet, es handele sich um eine unmittelbare Bedrohung für Israel, für die es keine Beweise gibt (und die US-Geheimdienste sagen, es gebe keine Beweise dafür)“, schreibt der Brite auf X.
Die Fraktion der Linken im Europäischen Parlament forderte sogar eine Verurteilung durch ihre Kollegen. „Ich habe gerade im Namen der Linken im Europäischen Parlament gefordert, dass das Europäische Parlament den illegalen israelischen Angriff auf den Iran verurteilt. Doch die etablierten politischen Parteien lehnten dies ab. Wenn Russland die Ukraine illegal angreift, verurteilen sie dies. Wenn Israel den Iran illegal angreift, weigern sie sich, dasselbe zu tun“, sagte Mark Botenga, belgischer Abgeordnete im Europäischen Parlament.

Auch US-Angriffe auf Iran offenbar nicht von Völkerrecht gedeckt
Die Experten kritisieren in der Causa auch die US-Angriffe auf das Land. So sei das Eingreifen der USA in den Krieg der Wissenschaftler nur vom Völkerrecht gedeckt, wenn die israelischen Angriffe völkerrechtskonform wären, woran es „erhebliche Zweifel“ gebe. In dem aktuellen Gutachten vom 3. Juli datiert, warnen die Autoren davor, das Selbstverteidigungsrecht zur Durchsetzung sicherheitspolitischer Interessen zu missbrauchen. „Gute Gründe sprechen dafür, die bestehenden völkerrechtlichen Normen (wie z. B. das Selbstverteidigungsrecht), die einen Verstoß gegen das Gewaltverbot rechtfertigen, nicht über Gebühr zu strapazieren und zu überdehnen und das Gewaltverbot dadurch auszuhöhlen“, heißt es in dem Papier.
Israel hatte die Militäroperation „Rising Lion“ am 13. Juni gegen das iranische Atomprogramm und hochrangige Militärs gestartet. Am 22. Juni griffen die USA mit Luftangriffen auf iranische Atomanlagen in den Krieg ein, in dem sie drei wichtige Atomanlagen des Iran angriffen. Nur drei Tage später herrschte wieder Waffenruhe. (erpe/dpa/AFP)