Kürzungen bei Entwicklungshilfe - Frau Schulze muss sparen – aber für Radwege in Peru ist weiter Steuergeld da

Wenn es um das Ausgeben von deutschem Steuergeld geht, richten sich die wachsamen Augen der Öffentlichkeit besonders genau auf das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz BMZ. Das Haus unter aktueller Führung von Svenja Schulze (SPD) leistet Entwicklungshilfe für ärmere Staaten überall in der Welt.

In den vergangenen Jahren konnte das BMZ bei seinen Wohltaten mehr oder weniger aus dem Vollen schöpfen. Allein zwischen 2018 und 2023 stieg der Jahresetat des Ministeriums von 9,44 Milliarden Euro auf 12,16 Milliarden Euro – ein sattes Plus von 29 Prozent.

Vor wenigen Wochen musste Schulzes Haus erstmals einen herben Dämpfer hinnehmen. Vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage wurde der BMZ-Etat für 2024 deutlich eingedampft – auf 11,22 Milliarden Euro. Damit stehen dem Entwicklungsministerium fast eine Milliarde Euro weniger zur Verfügung als 2023.

Milliarden-Kürzung bei Entwicklungshilfe „schmerzhaft“

Gegenüber FOCUS online sprach das BMZ von einem „schmerzhaften“ Einschnitt. „Angesichts der Weltlage bräuchten wir eigentlich mehr und nicht weniger Mittel für die internationale Zusammenarbeit“, erklärte eine Sprecherin. Der Entwicklungsetat sei „eine Investition, die auch den Menschen in Deutschland nutzt – sei es beim Klimaschutz, bei Gesundheit, Migration oder Armutsbekämpfung.“

Die Etatsenkung werde „in vielen Bereichen zu spüren sein – von der Bekämpfung des Hungers über die Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Aufnahme von Flüchtlingen bis zum weltweiten Klimaschutz.“

Das ganze Ausmaß der Kürzungen werde erst „in den kommenden Jahren“ sichtbar sein, denn Entwicklungspolitik arbeite „langfristig“, so die Sprecherin.

Auf die Frage von FOCUS online, welche konkreten Projekte ab 2024 nicht mehr finanziert werden, erklärte das BMZ, die Kürzungen beträfen „grundsätzlich viele Bereiche und Regionen“.  

„Besonders schmerzhaft treffen die Kürzungen das BMZ-Engagement für die Ukraine. Da sind uns nun die Hände gebunden“, so die Sprecherin. Außerdem musste bei den Mitteln für das Welternährungsprogramm gekürzt werden. „Auch das war angesichts des weltweit steigenden Hungers eine sehr schmerzhafte Entscheidung.“.

Von den Streichungen betroffen seien „auch Zuwendungen für politische Stiftungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Kirchen, die weltweit wichtige entwicklungspolitische Projekte realisieren“.

Weiter „Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz in Peru“

FOCUS online wollte wissen, ob auch Maßnahmen eingestellt werden, die in der Öffentlichkeit ohnehin sehr kritisch diskutiert werden, etwa der Aufbau eines Fahrradwegnetzes in Peru.

Dazu das Ministerium: „Die meisten der in letzter Zeit in der Öffentlichkeit kritisch diskutierten Projekte stammen aus Zusagen der letzten oder vorletzten Legislaturperiode.“ Das BMZ werde jedoch trotz der deutlichen Einschnitte sein „Engagement in wichtigen Bereichen wie der Bekämpfung des Klimawandels fortsetzen“.

„Zu diesem Engagement gehören auch Investitionen in den Umwelt- und Klimaschutz in Peru, Kolumbien und Montenegro, wo wir die Programme unserer Partner immer mit einer Mischung aus Zuschüssen und Krediten unterstützen“, erklärte die Sprecherin.

Sie betonte, der Klimawandel lasse sich „nur durch weltweit gemeinsames Handeln“ eindämmen. Dabei komme es ganz besonders auf Deutschlands Partnerländer an. „Wenn es gelingt, dort direkt in erneuerbare Energien zu investieren, anstatt den Umweg über fossile Kraftstoffe zu wählen, profitiert die ganze Welt – auch die Menschen in Deutschland.“

„Wenn es also beispielsweise gelingt, in Peru verstärkt auf klimafreundliche Verkehrsmittel umzusteigen, in Montenegro den Energieverbrauch zu reduzieren oder in Kolumbien die Umwelt zu schützen, profitieren wir alle“, so die BMZ-Mitarbeiterin zu FOCUS online.

Es sei schließlich „egal, ob die Tonne CO2 in Peru, in Kolumbien, Montenegro oder in Deutschland eingespart wird. Jede Einsparung ist gleich wichtig für den weltweiten Klimaschutz.“

Ministerium: "Bestehende Verpflichtungen einhalten“

Das SPD-geführte Ministerium betont, dass Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt „eine besondere Verantwortung beim Kampf gegen die Armut und für eine gerechtere, nachhaltige Zukunft“ zukomme. Deshalb lege das BMZ großen Wert darauf, trotz des  Spardrucks „Deutschlands Ruf als verlässlichen Partner in der Welt nicht zu beschädigen und unsere bestehenden Verpflichtungen einzuhalten“.

Das Entwicklungsministerium war zuletzt wegen fragwürdiger Hilfsprojekte in die Kritik geraten. Da würden „Milliarden an deutschen Steuergeldern verpulvert“, echauffierten sich Heerscharen von Usern in den sozialen Netzwerken. Von „kaum nachvollziehbaren“ und „bizarren“ Transfers war die Rede. Deutsche Entwicklungshilfe verpuffe weitgehend nutzlos, oft sei sie sogar „kontraproduktiv“.

Auch im politischen Berlin kamen Forderungen auf, den aktuellen Kurs zu hinterfragen. Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, sagte zu FOCUS online: „Fragwürdige Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gehören schleunigst auf den Prüfstand.“

Selbst ein ranghohes Mitglied einer Regierungspartei, FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki, mahnt zum Umsteuern. Einige Ausgaben bei der Entwicklungshilfe seien „nicht mehr rational zu erklären“, so der Liberale.