+++ Syrien-Entwicklungen im Ticker +++ - Nach Machtwechsel: Syrien ernennt Übergangspräsidenten

Staatsagentur: Al-Scharaa Übergangspräsident Syriens

Mittwoch, 29. Januar, 19.53 Uhr: Nach dem Machtwechsel in Syrien ist De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa zum Übergangspräsidenten ernannt worden. Wie die syrische Staatsagentur nach einem hochrangigen Treffen in Damaskus berichtete, soll al-Scharaa in der Übergangsphase die Aufgaben des Staatschefs übernehmen.

Al-Scharaa, früher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani bekannt, führte die sunnitisch-islamistische Organisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die den Sturz von Langzeit-Herrscher Baschar al-Assad maßgeblich herbeigeführt hatte. HTS ging aus der Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. 

Der frühere Militärkommandeur, Anfang 40, gibt sich seit dem Machtwechsel betont moderat. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana wurde al-Scharaa beauftragt, einen legislativen Rat für die Übergangsphase zu gründen, bis eine neue Verfassung ausgearbeitet worden ist. Sana zitierte den Sprecher der Militärallianz, Hassan Abdul Ghani, die Assad im Dezember gestürzt hatte.

Die De-facto-Herrscher erklärten auf einer Konferenz in Damaskus, dass sie die Verfassung von 2012 außer Kraft setzen. Das Parlament der alten Regierung wird aufgelöst, ebenso sollen die Streitkräfte neu organisiert werden. Auch mit der alten Regierung verbundene Sicherheitsorgane werden offiziell aufgelöst. Die Baath-Partei des gestürzten Machthabers Assad, die ihre Arbeit in Syrien bereits eingestellt hat, sowie ihr angeschlossene Institutionen dürfen demnach nicht mehr tätig sein.

Vor mehr als acht Wochen hatte eine Rebellenallianz unter Führung der sunnitisch-islamistischen Organisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS) Assad in einer Blitzoffensive gestürzt. Das Land ist nach über einem Jahrzehnt Bürgerkrieg politisch zersplittert und konfessionell gespalten. Dennoch verbinden viele Syrerinnen und Syrer mit dem Machtwechsel die Hoffnung auf einen Neubeginn.

Syrien-Heimkehrer bekommen bis zu 1700 Euro

Freitag, 17. Januar, 17.30 Uhr: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstützt wieder Migranten finanziell, die in ihre Heimat Syrien zurückkehren wollen. Seit dem 13. Januar organisiere das BAMF wieder freiwillige Ausreisen in das Herkunftsland Syrien, teilte ein Sprecher mit und bestätigte einen „Spiegel“-Bericht.

Die entsprechenden Programme unterstützen nach BAMF-Angaben unter anderem bei Organisation und Kosten der Reise sowie bei der „Reintegration“ vor Ort. Syrien gehört damit zu den Ländern, die im Bund-Länder-Programm REAG/GARP 2.0 verzeichnet sind, das sich an Menschen richtet, die freiwillig wieder ausreisen wollen. Als einmalige Unterstützung können demnach pro Familie maximal 4000 EUR ausbezahlt werden, Einzelpersonen können mit bis zu 1700 Euro unterstützt werden.

Damit ist nach Jahren wieder eine direkte finanzielle Unterstützung für Menschen möglich, die freiwillig in ihr Heimatland Syrien zurückkehren wollen. Unter der Herrschaft von Machthaber Baschar al-Assad galt das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land als zu gefährlich.

Syriens Außenminister: Keine rasche Rückkehr aus Deutschland nötig

Mittwoch, 15. Januar, 10.04 Uhr: Der Außenminister der syrischen Übergangsregierung, Asaad al-Schaibani, sieht keine Notwendigkeit für eine rasche Rückkehr seiner Landsleute aus Deutschland in die alte Heimat. „Sie sind dort in Sicherheit“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur am Rande eines Treffens mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) in Damaskus. Den Flüchtlingen, die in Deutschland aufgenommen worden seien, gehe es zudem besser als vielen syrischen Flüchtlingen und Vertriebenen in anderen Regionen.

Am 8. Dezember war der langjährige Machthaber Baschar al-Assad von einer Rebellenallianz unter Führung der sunnitischen Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gestürzt worden, die das arabische Land nun mit einer von ihr ernannten Übergangsregierung führt. 

Mehrheit der rund 975.000 Syrer in Deutschland sind Flüchtlinge

In Deutschland leben aktuell rund 975.000 syrische Staatsangehörige. Die meisten von ihnen waren nach dem Beginn des Aufstandes gegen Assad und dem daraus folgenden Bürgerkrieg eingereist. Als das russische Militär auf der Seite des syrischen Machthabers im Herbst 2015 massiv in das Kriegsgeschehen eingriff, machten sich viele syrische Flüchtlinge, die zunächst in Nachbarländern wie der Türkei Zuflucht gesucht hatten, mit Hilfe von Schleppern auf den Weg nach Europa.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält es für sinnvoll, syrischen Flüchtlingen eine einmalige Reise in ihr Herkunftsland zu gestatten - ohne dass sie dadurch ihren Schutzstatus in Deutschland verlieren. Entsprechende Anwendungshinweise werden nach Angaben eines Sprechers aktuell erarbeitet. Das soll den Geflüchteten ermöglichen, vor einer Entscheidung über eine dauerhafte Rückkehr zu schauen, wie die Lebensverhältnisse in der alten Heimat sind - etwa ob die alte Wohnung noch existiert und Verwandte noch leben.

Nur zwei Stunden Strom vom Staat 

In der Hauptstadt Damaskus gibt es momentan nur zwei Stunden Strom für die Haushalte pro Tag. Die Menschen behelfen sich daher mit Photovoltaik-Anlagen und Diesel-Generatoren. Mangelhaft sind auch die Gesundheitsversorgung und das Schulwesen. 

Wenn Schutzberechtigte aus Deutschland in ihre Herkunftsländer reisen, gilt generell die Vermutung, dass die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr vorliegen. Ausnahmen gibt es nur, wenn die Reise „sittlich zwingend geboten ist“ - etwa bei schweren Krankheiten oder Todesfällen von Familienangehörigen. Ansonsten droht der Verlust des Schutzstatus. Außerdem muss die Reise der Ausländerbehörde vorab angezeigt werden

Baerbock und Barrot besichtigen syrisches Foltergefängnis

11.33 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock hat rund vier Wochen nach dem Umsturz in Syrien das berüchtigte Foltergefängnis Saidnaja besichtigt. Gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot ließ sich die Grünen-Politikerin von Vertretern der syrischen Zivilschutzorganisation Weißhelme über die Zustände in dem Gefängnis nahe der Hauptstadt Damaskus informieren. 

Saidnaja gilt als das wohl berüchtigtste Militärgefängnis aus der Zeit des Langzeitmachthabers Baschar al-Assad. Im Volksmund wurde es nur das „Schlachthaus“ genannt. Seit 2011 haben Menschenrechtler dort systematische Massenhinrichtungen, Folter und das Verschwinden von Tausenden Gefangenen dokumentiert. 

Amnesty International kam nach Interviews mit Ex-Häftlingen, Sicherheitsleuten, Richtern sowie Anwälten und Experten zu dem Schluss, dass in Saidnaja unter Anweisung der Assad-Regierung Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangenen wurden.