Es geht um künstliche Diamanten: Geretsrieder Gas-Firma wird verklagt
Wegen angeblich verunreinigten Wasserstoff wurde das Gasunternehmen Tyczka verklagt. Die Firma aus Geretsried sieht die Schuld nicht bei sich.
Geretsried/München - Hildegard Sung-Spitzl ist eine Art moderne Alchemistin. In ihrer Firma Iplas mit Sitz in Troisdorf nahe Köln stellt sie Diamanten her. Bei hohem Druck und Temperaturen entstehen dort Diamanten, die den Kristallen, die in Minen geschürft werden, in nichts nachstehen. Edelschmuck aus der Maschine, eine Zukunftstechnologie. Doch vor rund zwei Jahren hat die Herstellung der Kristalle einen schweren Rückschlag erlitten – und Schuld daran ist laut Sung-Spitzl ein Unternehmen aus Geretsried.
Für die Herstellung wird hochreiner Wasserstoff benötigt. Der kam vom Gaslieferanten Tyczka, der seinen Hauptsitz in Geretsried hat. Eine Lieferung, das behauptet Sung-Spitzl, war mit Stickstoff verunreinigt. Den Schaden, der ihr daraufhin entstand, beziffert sie auf rund 270 000 Euro – und klagte. Am Donnerstag trafen sich alle Beteiligten vor dem Landgericht München II zum Auftakt eines Verfahrens, das sich noch über Monate ziehen dürfte.
Richterin Ulrike Fürst muss dafür nicht nur die Rechtslage sondieren, sondern auch ermitteln, wie das Ganze ablief. Sicher ist: Anfang 2023 hatte Iplas Wasserstoff bei Tyczka bestellt. Der wurde in mehreren großen Flaschen geliefert. Ende März schlossen Mitarbeiter bei Iplas sie an die Leitungen an, aus denen die Produktionsanlagen versorgt werden. Am nächsten Morgen folgte der Schock: Die Kristalle in einer der Anlagen sahen ganz anders aus als erwartet. Dasselbe Bild zeigte sich kurz darauf in vier weiteren Anlagen. Die gezüchteten Diamanten, die innerhalb von rund vier Wochen zu voller Größe wachsen sollten, waren unbrauchbar. Fieberhaft suchten die Techniker bei Iplas nach der Ursache für den schweren Fehler – und kamen zum Schluss: Das Gas ist schuld. Lieferant Tyczka hätte die Flaschen prüfen müssen.
Wasserstoff zur Schmuckherstellung - Richter müssen Fall klären
Das sieht Tyczka anders. Eine Qualitätsprüfung sei weder üblich noch vereinbart gewesen, teilte ein Anwalt des Geretsrieder Unternehmens mit. Der Geschäftsführer der Industriegassparte von Tyczka, Heiko Zacher, nahm mit seinen Rechtsvertretern per Videoschalte am Prozessauftakt teil. Außerdem führte Tyczka ein weiteres Argument ins Feld, das den Rechtsstreit zusätzlich kompliziert macht: Das Gas stammt gar nicht aus eigener Produktion. Der Wasserstoff kommt von einem anderen Unternehmen. Tyczka hat ihn bloß nach Troisdorf weiterverkauft. Auch der eigentliche Hersteller ist am Prozess beteiligt.
Richterin Fürst muss nun zwischen drei Parteien vermitteln. Einen Vorschlag machte sie allen Beteiligten gleich zu Beginn: „Teilt es doch durch drei, um Himmels Willen!” Heißt: Jedes Unternehmen soll den Schaden zu gleichen Teilen tragen. Die Iplas-Anwälte signalisierten Bereitschaft. Tyczka hingegen lehnte die Drittelung ab. Wie das Verfahren ausgeht, ist alles andere als kristallklar.