Bis zu 1800 Euro: Bürgergeld-Beziehende bekommen bereits Prämien
Bereits jetzt können Beziehende von Bürgergeld zusätzliche Prämien erhalten. Jobcenter zahlen bis zu 1800 Euro für eine Ausbildung.
Berlin – Die Ampel-Koalition will Menschen möglichst schnell aus dem Bürgergeld bringen. Wer es aus der Arbeitslosigkeit schafft und ein Jahr einer Arbeit nachgeht, soll künftig eine Prämie von 1000 Euro erhalten. Die Maßnahme selbst ist umstritten – auch Kanzler Olaf Scholz zeigte sich skeptisch. Er teile die Theorie nicht, „dass man jemanden zur Arbeit locken muss“. Zudem: Es gibt bereits Prämien und zusätzliche Gelder, wenn frühere Arbeitslose eine Arbeit oder Ausbildung aufnehmen. Bis zu 1800 Euro jährlich können Jobcenter dadurch auszahlen.
Bürgergeld-Beziehende erhalten Einstiegsgeld – damit sich Arbeit wirklich lohnt
Bei den Bürgergeld-Prämien spielt nicht alleine die Motivation der Beziehenden eine Rolle, sondern primär deren Existenzsicherung. Seit der Bürgergeld-Reform haben etwa Jobcenter die Möglichkeit, einen Job mit einem Einstiegsgeld zu unterstützen. Konkret geht es dabei um Fälle, in welchen die Menschen einen Job in Aussicht haben, das Gehalt jedoch nicht oder nur knapp über dem Niveau des Bürgergelds liegt. Die Arbeit soll sich durch die Prämie lohnen. Voraussetzung ist, dass die Stelle gute Aussichten bietet, nicht mehr auf Bürgergeld angewiesen zu sein. Auch der Einstieg in die Selbstständigkeit kann damit gefördert werden.
Eine einheitliche Höhe des Einstiegsgelds gibt es dabei nicht. Sie hängt von den individuellen Lebensumständen der Bürgergeld-Beziehenden ab und kann sich über die Dauer der Förderung verändern. Faktoren dabei sind laut Bundesagentur für Arbeit die Dauer der Arbeitslosigkeit, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie die Lebenssituation, also ob die betroffene Person eine Familie hat oder alleine lebt.
Für Weiterbildungen im Bürgergeld zahlen Jobcenter bis eine Prämie von bis zu 1800 Euro
Mit der Bürgergeld-Reform hat die Ampel-Koalition zudem das sogenannte Weiterbildungsgeld eingeführt, das seit 1. Juli 2023 gezahlt werden kann. Wer eine Umschulung macht, um einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu erreichen, erhält monatlich 150 Euro zusätzlich. In einem Jahr summiert sich das auf 1800 Euro. Das Geld bleibt anrechnungsfrei, mindert damit also nicht aufstockende Leistungen.
Wenn frühere Erwerbslose eine Ausbildung machen und sie die Zwischen- und Abschlussprüfungen bestehen, erhalten sie die Weiterbildungsprämie. Für eine Zwischenprüfung gibt es dabei 1000 Euro, für eine Abschlussprüfung 1500 Euro – steuerfrei.
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Ziel dieser Prämien für Bürgergeld-Beziehende ist nicht alleine, einen Anreiz zum Beginn einer Arbeit zu schaffen. Es geht dabei vor allem darum, dass sich die Arbeit – auch in Jobs mit zu geringen Gehältern – lohnt, wenn dadurch bestimmte Sozialleistungen wegfallen.
Bürgergeld-Prämien „nicht der Schlüssel“: Nur wenige Empfängerinnen und Empfänger nutzen Förderung
An der Wirkung gibt es jedoch Zweifel. „Diese Zahlungen und Prämien sind nicht der Schlüssel, um den Übergang aus dem Bürgergeld in Beschäftigung dramatisch zu erhöhen“, sagte Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der Wirtschaftswoche.
Bisher werde etwa das Einstiegsgeld kaum ausgezahlt. Zwischen 36.000 und 54.000 Menschen fänden aus dem Bürgergeld heraus monatlich einen Job. Zwischen Juni 2023 und Juni 2024 hätten aber nur zwischen 4000 und 6600 Personen monatlich das Einstiegsgeld erhalten. „Das lässt nicht den Rückschluss zu, dass dieses Instrument intensiv genutzt werde“, erklärte Fitzenberger, der aber auch einräumte: „Für die, die es in Anspruch nehmen, kann es trotzdem wirken.“ Eine wissenschaftliche Analyse dazu gebe es jedoch bisher nicht. Fitzenbergers Kollege, Arbeitsmarktforscher Enzo Weber, hatte die Bürgergeld-Prämie von 1000 Euro jedoch verteidigt. Es müssten alle Register gezogen werden.
Arbeitsmarkt-Anforderungen sind ein Problem für Bürgergeld-Ausweg – Weiterbildungsprämie kann helfen
Ein Problem bei der Vermittlung von Menschen aus dem Bürgergeld heraus in Arbeit ist jedoch auch der Arbeitsmarkt selbst. Dort fehlt es überwiegend an Fachkräften, nur wenige ausgeschriebene Stellen sind sogenannte „Helfertätigkeiten“, für die keine hohe Qualifikation nötig ist. Dazu sind laut Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, jedoch lediglich sechs von zehn Arbeitslosen qualifiziert. Das ist eine Ursache, weshalb die Chancen auf eine Arbeit für Bürgergeld-Beziehende gesunken sind.
Eine Chance könnten Weiterbildungen sein, die durch das Weiterbildungsgeld und die Prämie gefördert werden. IAB-Direktor Fitzenberger verweis gegenüber der Wirtschaftswoche auf die Hindernisse, die Menschen davon abhalten. Etwa die benötigte Kinderbetreuung, die gerade arbeitslosen Frauen den Weg in Arbeit erschwert, der Zeitaufwand im Alltag oder prägende Erlebnisse des Scheiterns in der Schule oder Ausbildung.
Zweifel an Bürgergeld-Prämie: Motivation nicht das Problem, sondern Lebensumstände
Auf die möglichen Hindernisse bei der Aufnahme einer Arbeit verweis auch Helena Steinhaus. „Bei den meisten Menschen, die Bürgergeld beziehen, mangelt es mitnichten am Willen, Arbeit zu finden. Aber sie befinden sich schlicht in Situationen, die das nicht zulassen“, sagte Steinhaus IPPEN.MEDIA kurz nach Bekanntwerden der verschärften Bürgergeld-Regeln.
Die geplante 1000-Euro-Prämie sieht deshalb auch kritisch. Grundsätzlich sei mehr Geld für Menschen, „die wenig haben und wenig verdienen“, gut. Die Prämie berge jedoch Potenzial zu polarisieren „und einen weiteren Grund, den Menschen Faulheit zu unterstellen“.