So verändern Ozempic und Wegovy die Wirtschaft - Wegen Abnehmspritze: In den USA werden schon weniger XL- und XXL-Größen verkauft
Aktuelle Studien zeigen: Rund sechs Prozent aller erwachsenen Amerikaner nehmen derzeit Abnehmspritzen wie Ozempic und Wegovy zur Gewichtsreduzierung. Die ursprünglich zur Blutzuckerregulierung von Diabetikern entwickelten GLP-1-Medikamente gelten als extrem erfolgreiche Appetitzügler.
Nun zeigen sich bereits ihre ersten Auswirkungen auf die US-Wirtschaft: Bekleidungsunternehmen vermelden eine rasant gestiegene Nachfrage nach kleineren Kleidergrößen. Der Bedarf an XL- und XXL-Größen hingegen sinkt so rapide wie nie zuvor. Dies dürfte erst der Anfang von Ozempics ökonomischen Effekten sein. Der Lebensmittelriese Nestle etwa will neue Gerichte auf den Markt bringen: speziell für Kunden, die Abnehmmedikamente einnehmen.
„Jetzt ist alles ungefähr eine Größe runtergegangen“
„Wir haben immer viele Fleecejacken in XXL-Größen verkauft. Jetzt ist alles ungefähr eine Größe runtergegangen“, sagt Edmond Moss, Vertriebschef von AllStar Logo, im Wirtschaftsblatt „Wall Street Journal“ (WSJ). Die Firma stellt Polohemden, Sweatshirts und Jacken für große amerikanische Bekleidungsunternehmen her. Die Nachfrage nach den größten Größen sei im vergangenen Jahr um die Hälfte zurückgegangen, berichtet er.
Auch Jennifer Hyman, CEO von Rent-the-Runway, bestätigt: Seit der Gründung ihrer Online-Plattform für monatliche Abos zum Mieten von Kleidung vor 15 Jahren hatte sie noch nie so viele Kundinnen mit kleinen Größen wie heute. Und: Die neuerdings schlanken Frauen tragen figurbetontere Schnitte, erzählt sie. „Wer sich in seiner Haut wohl fühlt, probiert gern einen gewagteren Look“, so Hyman in der Wirtschaftszeitung.
Weitere Datenanalysen belegen: Bei Blusen für Frauen ging der Verkauf der drei größten Größen in den ersten drei Monaten dieses Jahres im Vergleich zum gleichen Zeitraum vor zwei Jahren um nahezu elf Prozent zurück, so Prashant Agrawal, CEO von Impact Analytics, im WSJ. Zur gleichen Zeit stiegen die Verkaufszahlen der drei kleinsten Kleidergrößen um rund zwölf Prozent. Man könne das zwar nicht mit hundertprozentiger Gewissheit auf den Gebrauch von Semaglutiden zurückführen, so Agrawal – aber: „So etwas haben wir noch nie erlebt.“ Die Umsatzzahlen bei den Größen von Pullis und Kleidern sehen ähnlich aus, sagt er. Seine Analysen bezogen sich auf Boutiquen in der Upper East Side von Manhattan, wo laut Studien die meisten New Yorker leben, die Abnehmmedikamente einnehmen.
400 Dollar für die Abnehmspritze - pro Monat
Dass dies in einer der reichsten Wohngegenden von New York City der Fall ist, überrascht kaum: Nur wenige US-Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Diabetikermittel zum Abnehmen. Meist liegen sie bei mehreren hundert und bis zu tausend Dollar im Monat.
Auch Lindsey Wilcox zahlt monatlich 400 Dollar für die Abnehmspritze, verriet sie FOCUS online. Der Preis sei es ihr Wert, sagt die 37-Jährige aus Ohio: „Nichts fühlt sich besser an, als endlich wieder schlank zu sein. Für die Arbeit habe ich schon neue Kleidung gekauft. Und eine Jeans in meiner alten Größe von früher. Das war ein tolles Gefühl.“
Einer Reddit-Userin, die mit Ozempic fünf Kleidergrößen abnahm, geht es ähnlich: „Ich bin gerade mit meinem Mann meinen Kleiderschrank durchgegangen und werde absolut nichts davon behalten. Ich freue mich total auf meine neuen Klamotten, weiß aber gar nicht, wo ich anfangen soll!“ Eine weitere Userin bestätigt: „Ich habe mir eine komplett neue Sommergarderobe gekauft. Das war nicht billig, aber ein tolles Gefühl.“
Bekleidungshersteller dürfte der Trend erfreuen – wenngleich er neue Herausforderungen mit sich bringt: Schließlich kamen viele Modemarken in den letzten Jahren kaum mehr nach, ihre Waren in immer größeren Extragrößen auf den Markt zu bringen.
2030 dürfte fast jeder zehnte Amerikaner die Medikamente nutzen
Neben der Bekleidungsbranche wirkt sich der steigende Gebrauch von GLP-1-Medikamenten auch auf die Lebensmittelindustrie aus. „Insgesamt sehen wir einen leichten Rückgang. Einfach weniger Produkte und weniger Kalorien“, sagte Walmarts CEO John Furner schon vor Monaten gegenüber „Yahoo Finance“. Auch Hersteller von Chips und Schokoriegeln äußerten sich besorgt, da mit der Einnahme von Semaglutiden der Heißhunger auf kalorienreiche Snacks oft reduziert wird.
Die Firma Nestle will sich wappnen und entwickelt gerade eine neue Produktlinie von Tiefkühlgerichten eigens für Kunden, die zum Abnehmen GLP-1-Medikamente einnehmen. „Vital Pursuit“ heißen die neuen Fertiggerichte. Sie sind eiweiß- und ballaststoffreich, heißt es, und mit Calcium, Eisen und Potassium angereichert – den Mineralstoffen, an denen es Semaglutide-Patienten aufgrund ihrer Appetitlosigkeit oft fehle.
Die Pastagerichte, Bowls und Pizzen sollen noch dieses Jahr die Tiefkühlregale amerikanischer Supermärkte füllen. Experten gehen davon aus, dass andere Lebensmittelhersteller nachziehen. Denn laut Prognosen werden bis 2030 neun Prozent der US-Bevölkerung GLP-1-Medikamente zum Abnehmen einnehmen.