Das letzte Gesicht: Die Kunst der Totenmasken

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Bleibende Erinnerung: Alexandra Beate Pohlus fertigt Totenmasken. Der Charakter des Menschen, sagt sie, lasse sich auch im Tod immer noch spüren. © THOMAS PLETTENBERG

Ist es Handwerk? Oder doch eine Kunst? Auf jeden Fall ist es eine Fertigkeit, die nicht viele anwenden wollen und vor allem können. Eine, die es kann und tut, ist Alexandra Beate Pohlus. Die Kunstlehrerin vom Gymnasium Miesbach macht Totenmasken. Anlässlich des Totensonntags gibt sie Einblicke in ihre Arbeit.

Eine Totenmaske ist ein Abdruck vom Gesicht eines Toten. „Ich mache ein Negativ am Leichnam“, beschreibt Alexandra Beate Pohlus ihre Arbeit. Daraus werde dann ein Positiv gefertigt. Am Ende entsteht eine Maske mit den Gesichtszügen des geliebten Menschen. So, wie er zuletzt ausgesehen hat. Und das wirkt sehr realistisch.

Dieses Abformen hat Pohlus „ziemlich gut gelernt“, wie sie erzählt. In München, an der Akademie der Bildenden Künste, hat die heute 64-Jährige Bildhauerei studiert. „Ich modelliere und gieße in Bronze noch heute.“ Aktuell arbeitet sie zudem an Entwürfen für die Fenster einer Kirche in Kasachstan. Vielseitige Aufgaben neben den Totenmasken.

Im Studium war sie oft beim Abformen, verbrachte viel Zeit in den Werkstätten, wo Goldschmiede, Steinmetze und Keramiker ihre Handgriffe erlernen. Ihre erste Berührung mit Totenmasken hatte sie zu dieser Zeit. Beim Auftrag, den 1982 verstorbenen Carl Orff abzuformen, habe sie geholfen.

Kunst für den öffentlichen Raum

Trotz ihres Diploms als Bildhauerin hat die promovierte Kunsthistorikerin den Beruf der Lehrerin ergriffen. „Mit der Bildhauerei allein hätte ich nicht überleben können“, gibt sie offen zu. Obwohl sie Kunst für den öffentlichen Raum geschaffen hat, etwa eine 2,30 Meter hohe Bronze-Statue des langjährigen Starnberger Landrats Rudolf Widmann. Die Fertigkeit, Totenmasken zu fertigen, übt sie noch heute aus. Was auch mit ihrem Vater zu tun habe. „Er ist so früh verstorben. Das bewegt mich noch immer“, gesteht sie.

Mit Vorsicht und Respekt

Ein bis drei Aufträge seien pro Jahr im Schnitt zu erwarten. Anders als so manche Bestattungsunternehmer, die mit Silikon arbeiten, setzt Pohlus auf Gips. Silikon sei „pietätlos, denn das Material saugt sich sehr gut an. Aber ich will kein Geziehe.“ Die Toten, sagt sie, behandle sie wie schlafende Menschen. Vorsichtig. Rücksichtsvoll. Mit Respekt. Auch sei Gips viel genauer, gehe besser in Falten und zeichne so ein echteres Gesicht.

Anders als bei Lebendmasken, für die man das Negativ in einem Stück machen kann, nehme sie für Totenmasken das Negativ in drei Teilen ab. Dazu verlegt sie Schnüre im weichen Gips, die rechts und links vom Kinn über die Augen zum Kopf führen und so Sollbruchstellen für die drei Teile bilden. Ist das Negativ abgelöst, erstellt sie damit den Positivabdruck.

Handwerk oder Kunst?

Die Frage Handwerk oder Kunst beantwortet Alexandra Beate Pohlus ohne zu zögern: „Ich sehe mich als Handwerkerin. Es ist Kunsthandwerk. Ich bringe etwas ein. Und eine Totenmaske hat eine dienende Funktion.“ Und Muse, auf Eingebung zu warten, hat sie nicht. „Meist drängt die Zeit. Meine Arbeit am Verstorbenen muss vollendet sein, bevor die Trauerfeierlichkeiten beginnen.“

Auch heute gebe es Familien, in denen Totenmasken Tradition seien. Künstler seien ebenfalls dafür offen und Menschen, die besonders an einem Menschen hängen. Bis zu 1400 Euro kostet eine Maske, für die sie vier Stunden nur am Verstorbenen arbeitet. Durch die mehrteilige Form ist es der Künstlerin möglich, eine Drei-Viertel-Maske zu erstellen.

„Das letzte Gesicht offenbart...“

Den leblosen Körper sieht sie als eine Hülle, die mit dem Tode abgelegt wird. Dabei zeige die Totenmaske die wesentlichen Charakterzüge des Verstorbenen. „Das letzte Gesicht offenbart, wie der Mensch gelebt hat.“ Bei der Arbeit an diesem letzten Gesicht kommt sie dem Toten nah. Fühlt ihn. Bewegt ihn maßvoll. Sie glaubt, man könne das frühere Wesen immer noch spüren.

Eine Totenmaske, gerade aus weißem Alabastergips, hat eine starke Präsenz, sagt Pohlus. „Den finde ich am schönsten.“ Hinzu komme, dass im Tod die Nase ein wenig einfällt. „Das macht das Gesicht markanter.“ So entsteht ein lebendiges Erinnerungsstück.

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