Neufahrn ist noch älter als gedacht: Neueste Ergebnisse deuten auf Siedlungen im frühen Mittelalter hin
Die Neufahrner Ortsgeschichte fängt wohl noch früher an als bisher gedacht. Jüngste Ausgrabungen und wissenschaftliche Untersuchungen lassen vermuten, dass die Gemeinde schon im späten 5. beziehungsweise 6. Jahrhundert besiedelt war.
Neufahrn – Die Kreisarchäologin des Landkreises Freising, Delia Hurka, hielt kürzlich in Neufahrn einen Vortrag über die neuesten Erkenntnisse zur frühmittelalterlichen Besiedlung des Ortes. Gemeinsam mit Amira Adaileh, Gebietsreferentin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, präsentierte sie die Ergebnisse der jüngsten Ausgrabungen und wissenschaftlichen Untersuchungen, die tiefe Einblicke in die früheste Ortsgeschichte Neufahrns ermöglichen. Besonders die anthropologischen Untersuchungen und die Altersbestimmungen mittels Radiokarbon-Methode lieferten Unerwartetes.
Obwohl in Neufahrn zahlreiche Bodendenkmäler bis in die Bronzezeit zurückreichen, waren bisher nur wenige mittelalterliche Siedlungsspuren im Ortskern bekannt. Dies änderte sich in den vergangenen Jahren dank bauvorgreifender archäologischer Untersuchungen, die neue Hinweise auf die frühmittelalterliche Besiedlung des Gebietes brachten.
Besonders aufschlussreich waren die Funde westlich der heutigen Kirche im Bereich des Pfarrwegs, wo die Überreste einer gehöftartigen Siedlung entdeckt wurden. Diese bestand aus mehreren Wohngebäuden und Wirtschaftseinheiten, in denen vermutlich Textilhandwerk und Metallverarbeitung betrieben wurden. Innerhalb dieser Siedlung wurden sieben Bestattungen entdeckt, die sich durch ihre ungewöhnliche Lage in einem ehemaligen Grubenhaus beziehungsweise in aufgelassenen Brunnen auszeichnen. Die Beigaben, darunter eiserne Gürtelschnallen und kleine Messer, weisen auf eine Datierung in das 7. bis 8. Jahrhundert hin.

Auch die Untersuchungen am Mesnerhaus lieferten überraschende Ergebnisse: Die frühesten Bestattungen in diesem Bereich datieren ebenfalls in das späte 7. bis 8. Jahrhundert. Dies wirft die Frage auf, ob diese Gräber Teil eines frühen Friedhofs im Zusammenhang mit einer möglichen Vorgängerkirche sind oder ob sie ebenfalls zur Hofbesiedlung gehören. Zukünftige Forschungen sollen klären, ob schon damals ein Kirchenbau bestand.
Einen weiteren Höhepunkt des Vortrags bildeten die Ergebnisse der Untersuchungen des Reihengräberfeldes am Lindenweg, das bei Bauarbeiten in den 1970er-Jahren größtenteils zerstört wurde. Die wissenschaftlichen Analysen der noch geborgenen Skelettreste ergaben ein erstaunlich frühes Datum: Bereits im späten 5. beziehungsweise im 6. Jahrhundert könnte dieses Gräberfeld belegt worden sein. Dies lässt darauf schließen, dass die Siedlungsgeschichte Neufahrns möglicherweise bis in diese frühe Zeit zurückreicht.
Die vorgestellten Funde und Forschungsergebnisse zeigen, dass Neufahrn lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 804 besiedelt war. Die frühmittelalterliche Siedlung im Ortskern, verbunden mit den Bestattungen sowohl innerhalb der Hofstellen als auch im Bereich des späteren Kirchenfriedhofs, bestätigt eine kontinuierliche Besiedlung über mehrere Jahrhunderte.
Die neuen Erkenntnisse zur frühesten Ortsgeschichte werfen auch neue Fragen auf. So bleibt offen, wo sich die Siedlung zum Reihengräberfeld am Lindenweg befand und ob ein Vorgängerbau der heutigen Kirche schon im frühen Mittelalter existierte. Die Kreisarchäologie Freising wird in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege weiter daran arbeiten, diese Fragen zu beantworten und das historische Bild Neufahrns zu vervollständigen.