Nach wochenlangen Blockaden: Bundesregierung beschließt vier umstrittene Wirtschaftsgesetze
Die Bundesregierung einigt sich auf vier Wirtschaftsgesetze. Die Stromsteuer wird nur für Industrie gesenkt, das Lieferkettengesetz ist faktisch abgeschafft.
Berlin – Nach wochenlangen Streitigkeiten zwischen den zuständigen Bundesministerien hat sich die Bundesregierung auf vier zentrale Gesetze für die deutsche Wirtschaft geeinigt. Das geht aus einem internen Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.
Die Einigung erfolgte bereits am 28. August 2025, wie die Zeitung für kommunale Wirtschaft berichtet. Am kommenden Mittwoch, den 3. September, sollen die Gesetze zur Senkung der Stromsteuer, zur Reduzierung der Netzentgelte, zur Einführung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und zur De-facto-Abschaffung des Lieferkettengesetzes beschlossen werden.
Stromsteuer-Senkung bleibt auf Industrie beschränkt
Die geplante Stromsteuer-Reduzierung wird entgegen ursprünglicher Pläne nur für die Industrie sowie für Land- und Forstwirtschaft gewährt, wie aus dem Dokument hervorgeht. Davon würden 600.000 Unternehmen profitieren. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Senkung auch für andere Wirtschaftsbereiche und private Verbraucher soll laut dem Dokument „folgen, sobald hierfür finanzielle Spielräume bestehen“.
Insbesondere Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) drängte auf eine sofortige Umsetzung, doch im Haushalt sind offenbar weiterhin keine Mittel dafür vorhanden. Handelsverbände kritisierten den Rückzieher bei der Stromsteuersenkung heftig, wie Onlinehändler News berichtet. Die geringere Steuer hätte für den Einzelhandel zu etwa 700 Millionen Euro weniger Kostenbelastung geführt.
Netzentgelt-Entlastung mit Milliarden-Finanzierung und Lieferkettengesetz wird faktisch abgeschafft
Ab 2026 werden die Netzentgelte für Stromverbraucher gestrichen. Der Bund zahlt die Kosten aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) und stellt dafür 6,5 Milliarden Euro bereit. Der Zuschuss soll die Netzentgelte ab 2026 um etwa zwei Cent reduzieren. Laut dem Wirtschaftsministerium sind über die nächsten vier Jahre 26 Milliarden Euro aus dem KTF für die Entlastungen bei den Netzentgelten vorgesehen. Zusätzlich heißt es im Papier, dass ab 2027 eine „signifikante Bezuschussung der Offshore-Netzumlage“ angestrebt wird.
Überblick: Klima- und Transformationsfonds
Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) ist das zentrale Finanzierungsinstrument für Klimaschutz und Energiewende in Deutschland. Er soll die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten verringern, Investitionen in Zukunftstechnologien fördern und zugleich Bürger wie Unternehmen bei den Energiekosten entlasten. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören die Abschaffung der EEG-Umlage, Strompreiskompensationen für energieintensive Industrien sowie Förderprogramme für Energie- und Ressourceneffizienz. Private Haushalte profitieren insbesondere durch Zuschüsse für energetische Gebäudesanierungen und den Heizungstausch. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau klimaverträglicher Wärmenetze, der Förderung klimaneutraler Industrien und dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Auch die Mobilität wird mit Mitteln aus dem KTF klimafreundlich umgebaut – etwa durch Investitionen in das Schienennetz, Ladeinfrastruktur und Batteriezellfertigung. Insgesamt soll der Fonds die Transformation der deutschen Wirtschaft vorantreiben und dabei Konjunktur, Klimaschutz und soziale Entlastung miteinander verbinden.
Quelle: Bundesministerium für Umwelt und Klimaschutz
Neue Nachhaltigkeitsberichterstattung trotz Widerstand
Die Regierung hat sich darauf geeinigt, das nationale Lieferkettengesetz deutlich abzuschwächen, berichtet das Handelsblatt. Dies war bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen, jedoch herrschte lange Uneinigkeit über die Details. Im Papier ist von „zähen“ und „hartnäckigen“ Verhandlungen die Rede. Die Berichtspflichten werden nun gestrichen und die Sanktionen bei Verstößen aufgehoben, es sei denn, es handelt sich um massive Menschenrechtsverletzungen. Da dies die zentralen Elemente des Gesetzes sind, kann man de facto von einer Abschaffung sprechen.
Die EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) wird in nationales Recht umgesetzt, obwohl die CDU/CSU zusätzliche bürokratische Vorgaben für die Wirtschaft vermeiden wollte. Die Richtlinie sorgt dafür, dass Betriebe ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen einheitlich und detailliert dokumentieren müssen. Seit 2024 läuft ein Vertragsverletzungsverfahren bei der EU, weil Deutschland die nationale Umsetzung der CSRD seit mehr als einem Jahr aufschiebt. Die Berichtspflicht soll zunächst für Unternehmen mit mindestens 1000 Mitarbeitern gelten, anstatt wie ursprünglich geplant für solche mit 500. (ls)