Fed-Chef Powell in Jackson Hole: Vor dieser Rede zittert die Börse

Die Rede von Fed-Chef Jerome Powell beim jährlichen Notenbank-Treffen in Jackson Hole am 26. August 2022 wurde von manchen Medien als die "teuerste Rede aller Zeiten" bezeichnet. Die gut achtminütige Rede löste an den Börsen einen Kurssturz aus, in dessen Zuge rund zwei Billionen Dollar an Marktkapitalisierung vernichtet wurden - das entsprach etwa vier Milliarden Dollar pro Sekunde. Damals machte Powell klar, dass die US-Notenbank nicht daran denke, in nächster Zeit die Zinsen zu senken. Der Kampf gegen die Inflation, die nach Ende der Covid-Pandemie in die Höhe geschossen war, sei noch lange nicht vorbei.

Am Freitag wird Powell wieder in Jackson Hole sprechen. Gespannt warten die Märkte darauf, was der US-Notenbankchef dieses Mal zu sagen hat. Sie erhoffen sich Hinweise darauf, wie es mit der Geldpolitik der Fed weitergeht. Die Lage ist ähnlich heikel wie vor drei Jahren. Findet der Fed-Chef nicht die richtigen Worte, drohen an den Märkten heftige Reaktionen. Und wahrscheinlich dürfte es auch für Powell persönlich sehr ungemütlich zu werden. 

Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Rede, die meiner Meinung nach das Börsenklima für den Rest des Jahres prägen wird.

Über den Autoren

Clemens Schömann-Finck ist Finanz-Experte und steht hinter dem Youtube-Kanal "René will Rendite". Bei FOCUS online beleuchtet er aktuelle Themen rund um Börse und Geldanlage. Abonnieren Sie hier seinen Newsletter für mehr Finanz-Infos.

Wie ist die Ausgangslage?

Ander als die EZB hat die Fed bisher die Zinsen auf hohem Niveau gehalten. Der Leitzins liegt bei 4,25 bis 4,5 Prozent. US-Präsident Donald Trump findet das viel zu hoch. Er macht seit Monaten Druck und fordert Zinssenkungen. Mehr oder weniger offen drohte er Powell mit der Entlassung, wenn dieser nicht bald handele. Auch in der Fed mehren sich die Stimmen für eine lockere Geldpolitik. 

Leitzins
Die EZB (orange) hat die Zinsen deutlich stärker gesenkt als die Fed eigene Recherche

Warum hält die Fed bisher die Zinsen hoch?

Für die Zurückhaltung gab es gute Gründe: Die US-Wirtschaft wuchs bislang trotz des Zollstreits weiterhin stabil und die Inflation liegt immer noch über dem Ziel der Fed von zwei Prozent. Besonders die Kernrate, die volatile Komponenten wie Energie und Lebensmittel ausklammert, ist nach wie vor recht hoch. Im Juli betrug sie 3,1 Prozent. Auch die Löhne steigen weiter und könnten für Inflationsdruck sorgen, wenn die Firmen die Kosten an ihre Kunden weitergeben. Ein weiterer Grund für Vorsicht der Fed: Noch ist unklar, wie sich die Zollerhöhungen auf die Preise in den USA auswirken werden. 

Was spricht für Zinssenkungen?

Die Inflation ist von ihren Höchstständen deutlich gesunken. Zwar ist sie noch nicht dort, die Fed sie sehen will, aber doch niedrig genug, um eine weniger restriktive Geldpolitik zu rechtfertigen. Vor allem jedoch waren die letzten Zahlen vom Arbeitsmarkt erschreckend schwach. Es wurden deutlich weniger Stellen geschaffen als erwartet. 

Warum steht Powells Rede in Jackson Hole unter solcher Beachtung?

Es ist Powells letzte Rede in Jackson Hole als Fed-Chef. Seine Amtszeit endet im nächsten Jahr. Diese Rede ist damit eine Art Vermächtnis – und schon deshalb etwas besonders. Viel wichtiger ist allerdings, dass die Märkte wissen wollen, wie es mit der Geldpolitik in den nächsten Monaten weitergeht: Senkt die Notenbank die Zinsen? Wenn ja: Wie weit könnte es nach unten gehen? Oder bleibt die Fed stur? 

Schon in den vergangenen Wochen konnte man gut verfolgen, wie die Märkte im Zuge der wechselnden Zinserwartungen mit jeder neuen Veröffentlichung von Wirtschaftsdaten zuckten.

  • 12. August: Die Inflationszahlen für Juli zeigen erneut kaum Anzeichen dafür, dass die Zölle zu einem starken Preisanstieg in den USA führen. Die Märkte rechnen daher fest mit einer Zinssenkung der Fed bei der nächsten Sitzung im September. Der S&P 500-Index steigt.
  • 14. August: Die Produzentenpreise kommen heraus. Sie gelten als Vorbote für die weitere Inflationsentwicklung. Im Juli stiegen sie überraschend stark. Die Märkte stellen daraufhin eine Zinssenkung wieder in Frage. Der S&P 500 fällt.

Was wollen die Märkte hören?

Das Dilemma der Fed ist offensichtlich. Die Inflation (und auch die weiter steigenden Löhne, siehe Grafik) spricht für Vorsicht, der schwache Arbeitsmarkt für Handeln. Die Märkte haben jedoch eine klare Präferenz. Sie wünschen sich ein deutliches Signal für eine oder mehrere Zinssenkungen in den nächsten Monaten. Das Minimum wäre ein Zinsschritt im September. Die Wahrscheinlichkeit wird mit 85 Prozent eingepreist (siehe Grafik). Je deutlicher Powell einen lockeren Kurs signalisiert, umso besser für die Börsenkurse. Besonders profitierten dürften dann Gold und Wachstumswerte, der Dollar würde dagegen verlieren. Sollte Powell hingegen weiterhin bremsen, sind Kursrücksetzer praktisch sicher; und auch die Stimmung für den Rest des Jahres dürfte dann schlecht sein. Ihn selbst könnte das den Job kosten. Ich würde nicht darauf wetten, dass Trump besonnen bleibt.

Zinserwartungen
Seit Februar (blaue Linie) haben sich die Zinserwartungen der Märkte deutlich geändert. Sie rechnen nur mit einem Zinssatz von knapp drei Prozent im Januar 2027. Bloomberg

Meine Prognose

Jerome Powell wird versuchen, den Markt auf eine sogenannte „falkenhafte“ Zinssenkung vorzubereiten. Im Börsensprech sind Falken die Notenbanker, die im Gegensatz zu den Tauben eine restriktive Geldpolitik vertreten. Falkenhaft heißt, dass Powell klar machen wird, dass selbst ein Zinsschritt nach unten nicht den Einstieg in einen Zinssenkungszyklus bedeutet. Kurzfristig dürfte das für Unruhe an den Märken sorgen und die Kurse fallen lassen. Langfristig wären die Folgen aber deutlich heftiger, wenn die Fed zu stark senken würde – und die Inflation wieder aufflammt. Denn dann wären deutlich härte Gegenmaßnahmen nötig. 

Mehr Informationen rund um Börse und Wirtschaft erhalten Sie im Newsletter von "René will Rendite". Er erscheint einmal wöchentlich und ist kostenlos. Hier für den kostenlosen Newsletter anmelden!