Michael Otto im Interview - „Die Otto Group ist besser auf Trump vorbereitet als die Bundesregierung“

FOCUS: Herr Otto, die USA haben einen neuen Präsidenten. Was bedeutet Donald Trump für Otto, unser Land, die Welt?

Michael Otto: Herr Trump ist schon sehr disruptiv und bricht mit allen Konventionen. Besonders bedenklich finde ich, dass er auch mit Institutionen bricht, die über Jahrzehnte von der Völkergemeinschaft aufgebaut wurden – oft unter tatkräftiger Unterstützung der USA selbst.

Wie die Weltgesundheitsorganisation?

Otto: Genau. Vielleicht versteht er da die globalen Zusammenhänge gar nicht. Denn die Kollateralschäden durch den amerikanischen Austritt könnten für viele Länder groß sein. Das sehe ich problematisch, auch wenn manches ja vielleicht nach der vierjährigen Amtszeit von Donald Trump wieder zurückgenommen werden könnte. Auch den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen halte ich für fatal.

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Beeindruckte Sie die Schnelligkeit, mit der Trump schon am ersten Tag zig Dekrete unterzeichnete?

Otto: Anders als bei seiner ersten Wahl zum Präsidenten war er diesmal wirklich vorbereitet, auch wenn manche der vielen Dekrete vielleicht am Ende keinen gerichtlichen Bestand haben werden. Und es wird meist ja nicht alles so exakt umgesetzt, wie es mal versprochen wurde.

Er will zum Beispiel seine Nachbarländer Kanada und Mexiko mit Strafzöllen von 25 Prozent belegen.

Otto: Da die in einer Wirtschaftsgemeinschaft mit den USA stehen, ist das schon rechtlich, aber auch ökonomisch noch zweifelhaft. Die Zölle werden da jedenfalls auch als Erpressungsmittel eingesetzt.

Ist ein Konzern wie die Otto Group vorbereitet auf Trump?

Otto: Jedenfalls besser als die Bundesregierung, denke ich. Wir haben natürlich viele Szenarien durchgespielt – etwa für unser US-amerikanisches Unternehmen Crate & Barrel. Der Spezialist für Haushaltswaren und Möbel importiert ja viel aus China. Wenn nun, wie angedroht, hohe Importzölle fällig würden, wäre das für das Unternehmen natürlich schon eine Herausforderung. Oder wir könnten den amerikanischen Kunden bestimmt Produkte gar nicht mehr anbieten. Daran merken Sie schon: Zölle können auch immer die eigene Bevölkerung treffen.

Die Zölle könnten zudem die amerikanische Inflation neu befeuern …

Otto: … die Herr Trump eigentlich bekämpfen will, richtig. Außerdem kann die USA auch gar nicht alle Dinge selbst produzieren. Also ja: Wir sind vorbereitet und haben versucht, für alle Eventualitäten neue Lieferketten aufzubauen, auch in anderen asiatischen Ländern.

Wie erleben Sie Trumps Kehrtwenden weg von Themen wie Nachhaltigkeit oder Klimaschutz, die Ihnen ja besonders wichtig sind?

Otto: Auch das ist wirklich sehr bedauerlich. Auch wenn er zum Beispiel die schon erteilten Genehmigungen etwa für Offshore-Windkraftwerke rückgängig machen will. Solche Entscheidungen können ja ganze Branchen hart treffen …

… während er die Öl- und Gasförderung wieder ankurbeln möchte.

Otto: Und damit setzt er leider auf Technologien von gestern. Die USA war ja beim Thema erneuerbare Energien bislang durchaus gut unterwegs. Ein Bundesstaat wie Kalifornien dürfte eine deutlich bessere Klimabilanz vorweisen können als die Bundesrepublik. Solche Erfolge sind nun bedroht. Schon das Zeichen, dass ein US-Präsident den menschengemachten Klimawandel leugnet, halte ich für fatal.

Otto ist der zweitgrößte Onlinehändler Europas hinter Amazon. Neben Ihnen sind aber in den vergangenen Jahren auch chinesische E-Commerce-Riesen entstanden wie Shein oder Temu, die von Billigstware leben. Sind auch wir Kunden mitverantwortlich für die Exzesse?

Otto: Preis spielt weiterhin eine große Rolle, klar. Schnäppchen behalten ihren psychologischen Reiz, auch wenn viele enttäuscht sind, was sie dann bekommen. So einen Weg können und wollen wir nicht einschlagen.

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Ihre Werte und Überzeugungen in allen Ehren! Aber haben Sie nicht auch den Eindruck, dass die vielerorts wieder auf dem Rückzug sind? Taugt unser westliches Demokratie-Modell überhaupt noch als Verheißung für den Rest der Welt?

Otto: Die demokratisch verfassten Staaten geraten weltweit tatsächlich mittlerweile in die Minderheit. Zugleich erleben wir in manchen Demokratien inzwischen autoritäre Tendenzen – nehmen Sie nur die Türkei, Ungarn oder neuerdings eben die USA. Wir müssen also alles daran setzen, demokratische Spielregeln zu schützen und zu stärken. Zur Wahrheit gehört aber, dass die Demokratie auch dann unter Druck gerät, wenn Bürger den Eindruck bekommen: Meine Probleme werden nicht mehr gelöst, meine Bedenken nicht gehört.

Welche Koalition erwarten Sie sich nach der Bundestagswahl? Welche erhoffen Sie sich vielleicht?

Otto: Vor allem wünsche ich mir eine, die Probleme nicht nur beschreibt, sondern sich an die Lösung macht. Daran hat es zuletzt doch gemangelt.

Wenn eine gute Fee Ihnen drei Wünsche schenkte, was die nächste Regierung als erstes angehen müsste: welche wären das?

Otto: Nur drei? Aber im Ernst: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, dass die aktuell eher leidende Wirtschaft wieder in Gang kommt. Dazu gehört unbedingt auch der Abbau von Bürokratie, die nur Geld und Nerven kostet, die Welt aber in keinerlei Hinsicht besser macht. Drittens brauchen wir Investitionen in die Infrastruktur. Und Viertens möchte ich betonen: Bildung muss uns wieder wichtiger werden. Es darf nicht sein, dass in unserem hoch entwickelten Land zwischen 15 und 20 Prozent der Schulabgänger kaum noch lesen und schreiben können und damit für den Arbeitsmarkt allenfalls noch als Hilfskräfte zur Verfügung stehen. Bildung ist für uns als relativ kleines und rohstoffarmes Land das wichtigste Asset.

Der Umsatz der Otto Group lag im Geschäftsjahr 2023/24 bei rund 15 Milliarden Euro. Das klingt hoch, waren aber auch sechs Prozent weniger als im Jahr davor. Wie sieht die aktuelle Entwicklung aus?

Otto: Umsatzmäßig werden wir im laufenden Geschäftsjahr wohl eher eine Stagnation erleben, maximal ein leichtes Plus. Immerhin wird das Ergebnis aber deutlich besser ausfallen.

Ist die maue Aussicht der Weltlage geschuldet? Oder hat Otto auch eigene Fehler gemacht?

Otto: Die Weltlage spielt sicherlich eine starke Rolle, aber wir – und das schließt mich mit ein – machen selbstverständlich auch dauernd Fehler. Wer Angst hat, Fehler zu machen, sollte nicht Unternehmer werden. Aber die richtigen Entscheidungen müssen überwiegen, und Fehler müssen schnell korrigiert werden. Wichtig ist, dass man ein gutes Team hat. Und das ist bei uns absolut gewährleistet.

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