„Regt euch doch auf“ – Kolumne von Julia Ruhs - Wollen nur dem Mann dienen: Willkommen in der irren Welt der jungen Hausfrauen

Sie entsagen freiwillig dem Arbeitsleben und der Karriere, um den Haushalt zu schmeißen. Backen, kochen, einkaufen gehen. Shoppen mit der Kreditkarte des Freundes. Der verdient nämlich genug für beide. So gut übrigens, dass bei manch einer das Hausfrauen-Leben eher einem Luxus-Leben gleicht.

„Ich träume davon, eine heiße Hausfrau zu sein“

Die US-Amerikanerin Kendel Kay ist die berühmteste Stay-at-Home-Freundin. Angeblich hat sie mit einem TikTok-Video den Trend ausgelöst. In einem ihrer Clips schreibt sie – während sie im Hintergrund des Videos in ihre blonden Haare ein rosa Schleifchen bindet: „Die Leute haben mich immer gefragt: ‚Was ist dein Traumjob?‘

Ich wusste nie eine Antwort darauf. Bis ich merkte: Ich träume gar nicht davon, einer Arbeit nachzugehen. Ich träume davon, ein angenehmes, feminines Leben zu leben und eine heiße Hausfrau zu sein.“ In ihren Videos geht es immer darum, was und wie viel sie isst und trinkt. Wie ihre Morgenroutine genau abläuft, was sie sich alles ins Gesicht schmiert. Das meint sie also mit dem „femininen Leben“ – ojee.

Lieber traditionelles Rollenbild statt Karriere

Lebensziel Hausfrau – sind das etwa die Mädels der Generation Z und der Spät-Millenials, denen selbst eine 4-Tages-Woche zu anstrengend ist? Die keine Lust haben, etwas aus sich zu machen? Die statt Karriere lieber ein entspannteres, dann eben ein traditionelles Leben wollen?

Carolina sagt in einem NDR-Interview, ihr schreiben 13-jährige Mädchen, ihr Ziel sei es jetzt auch, so wie sie „Stay-at-Home-Girlfriend“ zu werden. Oh Gott, ernsthaft? Immerhin findet das auch Carolina schwierig. Weil die doch erst mal ihren Schulabschluss machen sollten.

Ist das auch Feminismus oder einfach nur dämlich?

Carolina findet, so wie sie zu leben, sei kein Widerspruch zum Feminismus. Schließlich habe der Feminismus dafür gesorgt, dass Frauen heutzutage die Wahl haben. Frei entscheiden können, ob sie Karriere machen oder nicht. Womit sie recht hat, finde ich.

Außerdem gehört eine Portion Mut dazu, mit der gesellschaftlich erwünschten Frauenrolle von heute zu brechen, gerade nicht der „modernen Frau“ zu entsprechen. Nur, ist es jetzt besonders fortschrittlich oder sehr dämlich, Hausfrau zu sein und dabei nicht verheiratet, heißt: absolut nicht abgesichert zu sein?

In Wahrheit: Keine Arbeit zu haben, ist ihre Arbeit

Aber ganz so naiv und abhängig sind die „Stay-at-Home-Girlfriends“ auf den zweiten Blick längst nicht. Zumindest nicht die, die geschickt darin sind, ihr Lebensmodell auf Social Media zu vermarkten – so wie zum Beispiel Carolina. Als Influencerin produziert sie ständig Content, ist also Unternehmerin – und verdient damit sehr wohl Geld.

Außerdem hat sie zusammen mit ihrem Freund eine Marketingagentur. Das sagt sie bloß nie in ihren Videos. Auch US-Influencerin Kendel Kay verdient mit Social Media angeblich 2.000 Dollar im Monat.

Was dann also bedeutet…, dass beide nur so tun, als seien sie Hausfrauen? Als bringe der Mann das ganze Geld heim? Gar nicht mal so dumm. Dumm sind hingegen diejenigen (die 13-Jährigen), die auf die Videos reinfallen.

Die „Tradwifes“ – ein Trend, der noch irrer ist

Richtig sympathisch, ja geradezu fortschrittlich wirken die „Girlfriends“ übrigens im Vergleich zu einem anderen Social-Media-Trend, der schon vor ein paar Jahren TikTok eroberte: Der „Tradwife“-Trend. Abgeleitet von „Traditional wifes“.

Vor allem in den USA ist das ein Ding. „Willkommen in der Ecke des Internets, in der Frauen jede Möglichkeit ablehnen, Karriere zu machen, und ihre Rolle als Hausfrau annehmen, um ihrer Familie in Vollzeit zu dienen“, schreibt Estee Williams, eine der berühmteren Hausfrau-Influencerinnen, die das College abbrach, um eine traditionelle Ehefrau zu werden.

Kochen, backen, bügeln, sich hübsch machen, das ist jetzt ihr Lebensinhalt. Selbstverständlich alles mit ganz viel Hingabe für ihren Ehemann.

Und es geht noch schlimmer

Wer das schon schlimm findet – es geht noch schlimmer. Das beweist ausgerechnet ein deutscher Instagram-Account, der sich „Tradwifefactory“ nennt. Dort verkündet die Influencerin, deren Gesicht seltsamerweise nie zu sehen ist: Früher, als sie feministischer eingestellt war, ging es ihr schlecht.

Aber seit sie ihre weibliche Rolle angenommen hat, fühle sie sich frei. Sie habe es sich abgewöhnt, zu nörgeln und zu meckern. Stattdessen habe der Mann immer das letzte Wort. Wenn er nein sagt, heiße das auch nein. Während sie das sagt, sieht man sie – besser gesagt ihre Hände – beim Karotten schnippeln.

Oder beim Kartoffeln schälen. Beim Kuchen verzieren. Teig kneten. An Tulpen rumzupfen. Wie kann man nur so wenig Anspruch an sein Leben haben, so unterwürfig sein? Ich hoffe, all die 13-Jährigen verirren sich nicht auf diesen Account und schreiben dann doch lieber Carolina.