Russlands Wirtschaft am Boden: Großkonzern zieht drastische Konsequenzen
Ein russisches Großunternehmen muss Mitarbeiter beurlauben. Die Verkäufe brachen zuletzt massiv ein. Das liegt auch an Sanktionen.
Rostov-am-Don – Der Kreml steht nach wie vor unter Druck. Auf der einen Seite erwartet US-Präsident Donald Trump mehr Bemühungen für Friedensgespräche, auf der anderen drohen neue Sanktionen der EU. Gleichzeitig schwächeln wichtige Sektoren von Russlands Wirtschaft – im Bankensektor etwa gibt es Warnsignale wegen „toxischer“ Kredite. Allerdings steckt auch die Landwirtschaft in Bedrängnis.
„Die Bauern haben kein Geld“ – Rückschlag für Russlands Wirtschaft
Russlands größter Hersteller von landwirtschaftlichen Maschinen, Rostselmash, gab am Freitag (16. Mai) bekannt, dass er wegen einbrechender Exporte und eines anhaltenden Marktrückgangs alle 15.000 seiner Mitarbeiter für den Monat Juni beurlauben werde. Das Unternehmen, dessen Hauptquartier in Rostov-am-Don nahe der ukrainischen Grenze liegt, gab als Grund dafür einen drastischen Rückgang der Nachfrage über die letzten drei Jahre an. Dieser habe Rostselmash dazu gezwungen, sowohl die Produktion zu kürzen als auch die Belegschaft zu reduzieren.

Laut der Moscow Times sind die Verkäufe von Mähdreschern um 76 Prozent eingebrochen. Bei Feldhäckslern stand ein Minus von 49 Prozent auf dem Papier und bei Knicklenkertraktoren ein Minus von 48 Prozent. Dabei verglich das Unternehmen die Ergebnisse vom ersten Quartal (Januar bis April) des Jahres 2021 mit demselben Quartal im Jahr 2025. Im Jahr 2024 hatte Rostselmash ein Einnahmenminus von fast 20 Milliarden Rubel (965 Millionen Euro) berichtet.
Im März hatte Rostselmash noch versucht, sich mit einer Viertagewoche zu retten, im April dann kam es bereits zu Kürzungen bei der Belegschaft um 2.000 Mitarbeiter. „Die Bauern haben kein Geld, um sich das Equipment zu kaufen, das sie brauchen, und der Markt ist daraufhin drastisch gesunken“, zitierte die Moscow Times das Unternehmen. Im laufenden Jahr habe sich der Ausblick zusehends verdüstert. Die Juni-Beurlaubung sei eine Planänderung für das Jahr – für gewöhnlich finde ein Jahresurlaub im August oder September statt. Über weitere Details hält der Konzern sich bedeckt.
Sanktionen schwächen Russlands Wirtschaft – „das schlechteste Jahr“ des Jahrzehnts
Das ukrainische Center for Countering Disinformation (CPD) berichtete Anfang April ebenfalls von einem „Rekordverlust“ bei den Verkäufen von Rostselmash. Um Massenentlassungen zu vermeiden, habe das Unternehmen eine Viertagewoche eingeführt. 2024 sei „das schlechteste Jahr“ des Jahrzehnts gewesen. Nach dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine habe Rostselmash die Schlüssel-Exportmärkte verloren: die Europäische Union (EU) und die Vereinigten Staaten.
Stattdessen wendet sich das Unternehmen in Richtung Mittlerer Osten und Asien. Im Oktober 2024 berichtete Rostselmash etwa von einem „vielversprechenden neuen Markt“ in China. Weitere Pressemeldungen zeigen Engagement im Iran, in der Mongolei und in Kasachstan.
Russland baut auf Landwirtschaft – und will SWIFT-Wiederaufnahme erzwingen
Seit Beginn des neuen Jahrtausends gilt die Landwirtschaft als einer der wichtigsten Sektoren für Russlands Wirtschaft. Wie das Eurasian Research Institute in einer Analyse offenlegte, wuchs der Sektor im Jahrzehnt vor dem Krieg stetig. Unter anderem sei die landwirtschaftliche Wertschöpfung des Landes von 45,9 Milliarden Dollar (2000) auf 66,2 Milliarden Dollar (2019) gewachsen. Allerdings sei der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt Russlands geschrumpft. Die Beschäftigung im Sektor Landwirtschaft habe abgenommen, dafür aber stieg die Produktion pro Arbeitskraft um mehr als das Dreifache.
Das landwirtschaftliche Entwicklungsmodell Russlands sei überwiegend staatlich ausgerichtet, basiere jedoch auf staatlich-privater Partnerschaft. Der Kreml unterstütze den Sektor Landwirtschaft mit Finanzspritzen – und hier wird es spannend, denn dabei spielt die staatseigene Rosselkhozbank, entstanden im Jahr 2000 unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, eine Schlüsselrolle. Sie leitet die staatliche Kredit- und Finanzpolitik im Agrarsektor an.
Sie steht seit 2022 auf der Sanktionsliste der westlichen Ukraine-Verbündeten und ist vom wichtigen SWIFT-Bankensystem ausgeschlossen. Das verlangsamt und erschwert finanzielle Transaktionen zwischen internationalen Geschäftspartnern erheblich. Es verwundert daher nicht, dass Russland versucht, genau diese Bank wieder an SWIFT anschließen zu lassen – im März hatte der Kreml diesen Wiederanschluss als Bedingung dafür genannt, die wichtige Schwarzmeer-Initiative wiederaufzunehmen.
Die Inflation in Russland befindet sich nach wie vor auf einem hohen Wert von 10,20 Prozent. Um gegenzusteuern, hat die Zentralbank die Leitzinsen ebenfalls angezogen. Ökonomen sahen sich bei der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung Russlands schon an die letzten Jahre der Sowjetunion erinnert.