Habe ich ein höheres Krebsrisiko, wenn ich Schilddrüsenhormone einnehme?

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Habe ich ein höheres Krebsrisiko, wenn ich Schilddrüsenhormone einnehme? 

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Begünstigen Schilddrüsenhormone Krebs? Ein Professor fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen und erklärt, was Schilddrüsen-Patienten beachten sollten.

Schon seit Längerem beschäftigt sich die Wissenschaft mit der Frage, ob sich Schilddrüsenhormone auf die Entstehung und den Verlauf einer Krebserkrankung auswirken können. Wer Schilddrüsenmedikamente einnimmt, ist dadurch möglicherweise verunsichert. Dabei ist die Therapie in vielen Fällen wichtig, denn je nachdem, wie ausgeprägt die Funktionsstörung der Schilddrüse ist, können die Symptome mild bis lebensbedrohlich sein. Prof. Dr. med. Feldkamp, Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Bielefeld, hat bestehende Studien zu dem Thema ausgewertet und für die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) zusammengefasst. 

Erhöhtes Krebsrisiko durch Schilddrüsenhormone?  

Schilddrüsenhormone spielen in unserem Körper eine entscheidende Rolle: sie sind wichtig für die Organfunktion, beeinflussen das Körperwachstum und kontrollieren unseren Stoffwechsel. Vereinfacht ausgedrückt, lassen sie sich laut Experten des Deutschen Schilddrüsenzentrums mit einem Gaspedal vergleichen: haben wir zu viele Schilddrüsenhormone im Körper (Schilddrüsenüberfunktion), fährt unser Stoffwechsel auf Hochtouren. Bei einem Hormonmangel (Schilddrüsenunterfunktion) fahren Körper und Seele „untertourig“. Entsprechend vielfältig zeigen sich die Symptome. Sie reichen von vermehrtem Schwitzen, Durchfall und Nervosität bei einer Schilddrüsenüberfunktion und Haarausfall, ständiger Müdigkeit und niedrigem Blutdruck bei Schilddrüsenunterfunktion bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen wie Bewusstseineinschränkungen und Koma.

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Gerade bei einer Schilddrüsenunterfunktion ist eine Behandlung mit Schilddrüsenersatzhormonen also wichtig. Die Therapie ist nach Angaben des Deutschen Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) einfach: das fehlende Schilddrüsenhormon wird durch die tägliche Einnahme von Thyroxin-Tabletten ersetzt.

In den letzten Jahren sorgten immer wieder Studien für Aufregung, die einen möglichen Zusammenhang zwischen Schilddrüsenhormonen und der Entstehung von Krebs untersuchten. In der Öffentlichkeit sorgte das für Verunsicherung, denn das Schilddrüsenhormon LThyroxin muss in der Regel ein Leben lang eingenommen werden.

Die Hand eine Mannes, der eine Pille aus einer Blisterpackung drückt (Symbolbild).
Wer an einer Funktionsstörung der Schilddrüse leidet, muss häufig täglich Medikamente einnehmen (Symbolbild). © Bartek Szewczyk/Imago

Studie aus Schweden analysiert Daten von 2 Millionen Menschen

Prof. Dr. med. Feldkamp fasst die Studien der letzten Jahre in einem Fachartikel zusammen. Die prominenteste stammt aus dem Jahr 2020. Unter der Leitung von Per Wändell analysierten schwedische Wissenschaftler die Daten von über 2 Millionen Erwachsenen, die 2005 und 2006 Schilddrüsenhormone eingenommen hatten und verglichen sie mit Zahlen des schwedischen Krebsregisters von 2009 bis 2015. Das Ergebnis: es gab 399.751 neue Krebsdiagnosen, wobei Patienten, die das Schilddrüsenersatzhormon Levothyroxin eingenommen hatten, ein leicht erhöhtes Risiko zeigten. Männer hatten demnach ein leicht erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs und andere Drüsenkrebse.

Bei Frauen stieg das Risiko für:

  • Brustkrebs
  • Gebärmutterkrebs
  • Auch das Risiko für Tumore in Magen, Leber, Grimmdarm, Bauchspeicheldrüse und Harnblase war erhöht
  • Ebenso für Leukämie

„Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Schilddrüsenhormoneinnahme und Krebsentstehung lässt sich aus diesen Daten jedoch nicht konstruieren“, resümiert Feldkamp. So könnten der Umstand, dass Menschen, die regelmäßig Schilddrüsenhormon einnehmen, regelmäßig zum Arzt gehen und dadurch Krebs früher und häufiger diagnostiziert wird, die Daten verfälschen. Auch die Höhe der Schilddrüsenhormonwerte, die Dauer der Hormonbehandlung und Krebsdiagnosen vor 2005 wurden nicht berücksichtigt.

Andere Studienergebnisse gehen teilweise auseinander

Einen genaueren Vergleich lasse eine Studie aus Norwegen zu, so Feldkamp. Denn dort bekommt jeder Patient einen Zahlencode zugeteilt, mit dem sich individuelle Krankheitsverläufe nachvollziehen lassen. Diese Studie liefere Hinweise, dass ein niedriger TSH-Wert (Anzeichen für eine beginnende Schilddrüsenunterfunktion) mit einem erhöhten Risiko für Lungenkrebs und Prostatakrebs verbunden ist.

Weitere Studien aus Skandinavien, Europa und den Vereinigten Staaten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. So zeigen ausgewertete Daten von 17.035 untersuchten Frauen (Malmö Diet and Cancer Study) ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko bei hohem TSH-Wert, wobei übergewichtige Frauen besonders betroffen waren. Frauen, die an einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse litten, hatten dagegen ein niedriges Krebsrisiko. Frauen mit Schilddrüsenerkrankungen in einer britischen Studie zeigten dagegen kein signifikant höheres Krebsrisiko, Teilnehmerinnen einer italienischen Studie hingegen schon.

Was bedeuten die Ergebnisse für Patienten?

Eine „pauschale Krebsangst“ müssten Patienten nicht haben, gibt Feldkamp Entwarnung. Die Studienlage könne einen Zusammenhang nicht mit Sicherheit nachweisen, liefere aber „einige Signale“. Was bedeutet das für Betroffene in der Praxis? Eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen sollte nur bei eindeutiger medizinischer Notwendigkeit erfolgen, so Feldkamp. Auch die richtige Dosierung ist wichtig und sollte regelmäßig von einem Arzt kontrolliert und – falls nötig – angepasst werden.

Patienten sollten außerdem beachten, dass es bei der Therapie mit Schilddrüsenhormonen zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen kann. Auch Lebensmittel wie Nüsse und Kohl können die Wirkung von L-Thyroxin beeinflussen. Gleiches gilt für Kaffee, der die Aufnahme des Hormons verzögert.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion nicht beantwortet werden.

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