AfD-Mann fliegt aus Bundesvorstand - „Krah ist wie ein Vogel, der Weidel und Chrupalla laufend auf den Kopf macht“

Dieser historische und in Deutschland einmalige Vorgang bringt der Partei doch aber insgesamt nur Nachteile. Was ist die Strategie der Parteiführung dahinter?

Schroeder: Ich glaube nicht, dass sie eine konkrete Strategie haben. Davon ist man bei der AfD weit entfernt. Weidel und Chrupalla fungieren hier eher als Abwehrzentrum und versuchen, situative Antworten auf die selbst verschuldete Notlage zu finden. Auffallend ist, dass ihr sonst so wirksames Opfermotiv nicht funktioniert. Das hängt damit zusammen, dass die normative Sanktionsgewalt nicht der feindliche Staat ist, sondern eine befreundete rechtsradikale Partei, nämlich der Rassemblement. Sie agieren nur reaktiv. Und wirken sehr blank. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass sich die AfD jetzt schon seit Längerem in einer defensiven Position befindet, ohne dass sie es bisher geschafft hat, neue Schwerpunkte zu setzen oder neue Perspektiven zu eröffnen.

Was bedeutet das für den Einfluss der AfD in der EU?

Schroeder: Es ist reine situative Reaktionspolitik, die die beiden Parteivorsitzenden betreiben. Und diese fällt gerade mitten in die Neugruppierung der Machtzentren der Rechtspopulisten, Rechtsextremisten und Nationalkonservativen auf der europäischen Ebene. Durch das Verhalten von Krah kann es sein, dass die AfD vorerst überhaupt keinen Einfluss mehr darauf hat, in welche Richtung sich jetzt die großen starken Kräfte aus Italien, Frankreich, Ungarn und Polen bewegen. Damit ist eine Krise gegeben, die die AFD noch nicht wirklich verstanden hat; sie überblicken den Schaden, der da angerichtet wurde noch nicht wirklich.

„Krah ist wie ein Vogel, der Weidel und Chrupalla laufend auf den Kopf macht“

Es ist also eher Schadensbegrenzung, was die AfD-Parteispitze jetzt in der Causa Krah unternimmt?

Schroeder: Ja, und es ist auch eine Form von Selbstbehauptung. Krah ist wie ein Vogel, der Weidel und Chrupalla laufend auf den Kopf macht. Er will sich nicht in die Partei einfügen. Sein Verhalten wäre für jede Parteispitze eine Zumutung. Und diese Eigenmächtigkeit und egozentrische Inszenierung kann keine Partei akzeptieren. Das heißt, allein um der puren Selbstbehauptung willen müssen sie sich darum bemühen, diese Person an den Rand zu schieben oder sogar auszuschließen.

Wie geht es jetzt weiter? Was bedeutet das für die Europawahl der AfD?

Schroeder: Für den EU-Wahlkampf bedeutet das, dass die AfD einen weiteren starken Makel hat. Zugleich ist es ja so, dass auf der strukturellen Seite weiterhin viele an ihr hängen und sie unterstützen und sie für wichtig erachten, um ihren Zorn und ihre Ablehnung gegen das politische System zu formulieren. Aber wenn man in einer solchen Defensive durch eigene Unmündigkeit gerät, hat man eben keinen Rückenwind im Wahlkampf, weil die eigenen Truppen dann an der eigenen Partei zweifeln.

In einer solchen Defensivposition ist man natürlich nicht besonders stark im Trommeln, also in der Kampagne. Und das nicht durch die kritische Öffentlichkeit oder den feindlichen Staat, sondern durch die eigenen Leute und eine befreundete rechtsradikale Partei aus dem Ausland. Das ist eine nicht unerhebliche Belastung, die die AfD gerade erlebt, die weitere Beben nach sich ziehen kann.

„Die AfD ist nur noch ein Werkzeug“

Nun hat Marine Le Pen, Partei-Chefin des französischen Front National, wegen Krahs SS-Äußerungen endgültig mit der AfD gebrochen. In der bislang gemeinsamen Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) der rechtspopulistischen, nationalistischen und rechtsextremen europäischen Parteien werde die AfD nicht mehr geduldet, heißt es. Wie wichtig waren der Front National und Le Pen für die AfD?

Schroeder: Normalerweise instrumentalisiert die AfD andere, konkret die aus ihrer Sicht etablierte Politik, um ihre Ablehnung des politischen Systems zu untermauern. In diesem Fall jedoch wird die AfD vom Front National instrumentalisiert, um ihre eigene Position im politischen Spektrum zu legitimieren. Die AfD ist in diesem Sinne nur noch ein Werkzeug der Front National, um nachzuweisen, dass sie in Richtung Mitte geht. Dies ist eine neue Situation für die AfD, die sich in den vergangenen Jahren bemüht hat, eine prägende Stimme in der europäischen Rechten zu sein. Nun ist sie stark geschwächt und hat an Einfluss verloren, und es ist unwahrscheinlich, dass sie in absehbarer Zukunft eine starke Rolle in der europäischen Rechtsfront übernehmen wird.

Wie sieht nun die politische Zukunft von Maximilian Krah aus?

Schroeder: Ich glaube, er wird in der AFD keine wichtige politische Rolle mehr spielen. Nicht so sehr wegen seiner radikalen Positionen - das ist bei der AfD durchaus willkommen - sondern wegen seiner fehlenden Bereitschaft, sich in eine bestimmte Politik oder Taktik einbinden zu lassen. Seine mangelnde Loyalität macht ihn zu einer unkontrollierbaren Variable, unabhängig davon, ob die AfD einen radikalen oder moderaten Kurs verfolgt.