Wie ein galoppierender Treibhauseffekt aus einem gemäßigten Planeten eine Hölle macht

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Astronomen der Uni Genf simulierten erstmals den Prozess eines sich selbstverstärkenden Treibhauseffektes. Dessen Auswirkungen auf die Erde wären verheerend.

Genf – Der Blick ins All ist für die Menschheit seit Jahrtausenden faszinierend. Spätestens seit der systematischen Beobachtung und Erforschung des Weltraums stellen sich Menschen jedoch die Frage: Welchen konkreten Nutzen hat Weltraumforschung für uns auf der Erde? Ein ganz konkretes Beispiel für den Nutzen ist beispielsweise eine von Astronomen ausgearbeitete, komplexe Computersimulation. Mittels dieser gelang es jüngst, den Effekt eines sich selbst verstärkenden Treibhauseffektes auf Planeten zu erforschen – mit bedrohlichen Erkenntnissen für die Erde.

Von lebenswert zu lebensfeindlich: Studie zu galoppierendem Treibhauseffekt simuliert erstmals Prozess

Erde und Venus könnten bis auf ihre Größe und Masse kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite, ein blauer Planet, Lebensraum für zahlreiche Arten, auf der anderen Seite ein gelblicher und unwirtlicher Planet. Doch das war nicht immer so: auch auf Venus sollen zwei Milliarden Jahre lang gemäßigte Temperaturen geherrscht haben und sogar Ozeane vorhanden gewesen sein. Erst das Eintreten eines sogenannten galoppierenden Treibhauseffektes verwandelte Venus in ein höllisches Treibhaus mit Durchschnittstemperaturen von weit über 400 Grad Celsius.

Galoppierender Treibhauseffekt

Unter galoppierendem Treibhauseffekt versteht man einen sich selbst verstärkenden Effekt der Erwärmung einer Atmosphäre. Das Phänomen ist nicht neu und wurde bereits 1970 von Forschern beschrieben. Durch den Anstieg der Oberflächentemperatur eines Planeten verdunsten nach und nach dessen flüssige Wasserreservoirs. Das gasförmige Wasser in der Atmosphäre wirkt dann wiederum als Treibhausgas. Der Wasserdampf verhindert, dass die von der Erde absorbierte Sonnenstrahlung als Wärmestrahlung in den Weltraum zurückgestrahlt wird. Das wiederum führt zu einer weiteren Zunahme der Temperatur und zum Verdunsten weiteren Wassers. Während ein gewisses Maß an Treibhauseffekt für gemäßigte Temperaturen wie auf der Erde sorgt, treibt der galoppierende die Erderwärmung immer weiter an.

Quellen: Rasool/De Bergh (1970), Chaverot et al. (2023)

Nun simulierte ein Forscherteam der Universität Genf mit Unterstützung des Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Paris und Bordeaux erstmals den vollständigen Prozess eines solchen galoppierenden Treibhauseffektes. Die Ergebnisse der im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics publizierten Studie zeigen, wie das lebenswerte Klima eines Planeten auf dramatische Art in ein lebensfeindliches umschlagen kann.

Sich selbst verstärkender Treibhauseffekt sorgt für unumkehrbare Zustände

In der erstmaligen Simulation mittels 3D General Circulation Model (GCM) können etwa die verstärkte Sonneneinstrahlung und damit einhergehende Temperaturanstiege dazu führen, dass Wasser an der Oberfläche eines Planeten in großen Teilen verdunstet. Der entstandene Wasserdampf fungiert wiederum als Treibhausgas und erhitzt die Oberflächentemperaturen in einem simulierten Endstadium auf mehr als 1000 Grad Celsius, wenn ein kritischer Schwellenwert an verdunstetem Wasser in der Atmosphäre überschritten werde, erklärt Guillaume Chaverot, einer der Autoren der Studie.

Studie von Astronomen der Uni Genf simuliert den Prozess eines sich selbst verstärkenden Treibhauseffektes auf Planeten Erde Venus
Der galoppierende Treibhauseffekt kann einen gemäßigten Planeten in einen unwirtlichen verwandeln. © Thibaut Roger

Die Wissenschaftler zeigten zudem, dass sich die Struktur der Atmosphäre und die Wolkenbedeckung bereits in den ersten Stadien des Prozesses so erheblich verändern, dass sie den Planeten fast unaufhaltsam in einen irreversiblen Zustand bringen. „Von Beginn an können wir beobachten, wie sich sehr dichte Wolken in der oberen Atmosphäre entwickeln. Letztere weist nicht mehr die für die Erdatmosphäre typische Temperaturinversion auf, die ihre beiden Hauptschichten, die Troposphäre und die Stratosphäre, voneinander trennt“, erläutert Chaverot. Die Struktur der Atmosphäre werde dadurch „tiefgreifend verändert.“

Galoppierender Treibhauseffekt auf der Erde: Oberflächentemperatur von über 500 Grad die Folge

Die Forscher errechneten, dass ein relativ geringer Temperaturanstieg um wenige Dutzend Grad, ausgelöst etwa durch einen Anstieg der Sonneneinstrahlung, ausreichen könnte, um diese irreversiblen Prozesse auch auf der Erde auszulösen. Prognosen des IPCC gehen zwar im schlimmsten Fall von einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur von fünf bis sechs Grad aus. Das Forschungsteam um Chaverot will jedoch klären, ob auch freigesetzte Treibhausgase wie Methan oder CO₂ einen galoppierenden Treibhauseffekt auslösen könnten.

In nur wenigen hundert Jahren hätten wir eine Bodentemperatur von über 500 Grad erreicht.

Wäre dies der Fall, so könnte die Erde in absehbarer Zeit wohl Gefahr laufen, nicht mehr bewohnbar zu sein: „Angenommen, dieser unkontrollierbare Prozess würde auf der Erde in Gang gesetzt, so würde eine Verdunstung von nur zehn Metern der Ozeanoberfläche zu einem Anstieg des Atmosphärendrucks in Bodennähe um ein bar führen. In nur wenigen hundert Jahren hätten wir eine Bodentemperatur von über 500 Grad erreicht“, prognostiziert Chaverot.

Mithilfe der neuen Erkenntnisse erhoffen sich die Astronomen aber auch, Fortschritte bei der Untersuchung von Exoplaneten zu machen. „Indem wir das Klima auf anderen Planeten untersuchen, wollen wir feststellen, ob sie Leben beherbergen könnten“, so Mitautorin Émeline Bolmont zur Arbeit der Forschungsgruppe. Für andere wiederum ist außerirdisches Leben längst auf der Erde angekommen.

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