Die „dominante Figur“ Trump schweißt nach Attentat zusammen – Demokraten wie Republikaner
Haben die USA nach dem Trump-Attentat eine Chance auf Versöhnung? Schwierig, sagen Fachleute. Doch immerhin rüsten Beteiligte beider Lager verbal ab.
Berlin – Von John F. Kennedy bis Ronald Reagan – politische Attentate haben die Menschen in den Vereinigten Staaten häufig zusammengeführt. Nach den Schüssen auf Donald Trump sei die Lage schwieriger, sagt Hardy Ostry von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington, D.C. im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Die Polarisierung im Land ist so groß, dass es jetzt schwer wird, das richtige Maß zu halten.“ Trotzdem bleibt Ostry hoffnungsvoll – aus guten Gründen.
Verglichen mit Deutschland ist die politische Kultur in den USA besonders gewalttätig. Das habe zum einen den ganz praktischen Grund, „dass man hierzulande nicht so einfach an Schusswaffen kommt wie in den Vereinigten Staaten“, erklärte der Amerikanist Michael Butter jüngst in einem Interview mit der Zeit. Grundsätzlich sei Gewalt im US-Alltag stärker verankert. „Deshalb können Konflikte schneller eskalieren.“
Senator J.D. Vance reagierte mit harten Vorwürfen auf das Trump-Attentat
Butter kann sich nur schwer vorstellen, dass dieses tief gespaltene Land irgendwie geeint auf das Trump-Attentat reagieren könnte. Führt man sich die ersten Reaktionen von Republikanern vor Augen, liegt diese Vermutung nahe. „Das zentrale Argument der Biden-Kampagne ist, dass Präsident Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, der um jeden Preis gestoppt werden muss“, kommentierte Senator J.D. Vance, inzwischen Vizekandidat für die Präsidentenwahl. Diese Rhetorik habe direkt zum Attentatsversuch gegen Trump geführt.
Im republikanischen Lager folgte nach den Schüssen von Butler eine Verschwörungserzählung auf die nächste. „Nicht nur die Rhetorik drohte aus dem Ruder zu laufen“, erklärt Hardy Ostry von der Adenauer-Stiftung. Gegengewalt schien nach dem Attentat auf Trump nicht mehr ausgeschlossen. „Die Republikaner sahen sich offenbar gezwungen, den Stecker zu ziehen.“ So hätten Trumps Kampagnenführer Susie Wiles und Chris LaCivita in einer internen Mitteilung geschrieben, dass sie „gefährliche Rhetorik in den sozialen Medien“ nicht dulden würden.
Vor ihrem Parteikonvent sind die Republikaner um Ruhe bemüht
Ostry hofft nun zumindest auf ein Minimum an gesellschaftlicher Versöhnung. Vor ihrem Parteikonvent in Milwaukee seien die Republikaner „bemüht, Ruhe in die schwierige Lage zu bringen“. Trump selbst habe gemahnt, „den Weg der Spaltung nicht weiterzugehen“, so Ostry. Es gehe jetzt darum, die Einheit des Landes zu wahren und den Ton zu mäßigen. „Die Parteitagsregie schließt sich dem an und wird versuchen, das Thema Attentat wohl dosiert an Mann und Frau zu bringen.“ Aus dem Wahlkampfteam habe Ostry gehört, man wolle vermeiden, „dass das jetzt Thema jeder Rede wird“.
Der Parteikongress der Republikaner wird es sich gleichwohl nicht nehmen lassen, Trump nun über Tage jeweils zur TV-Primetime als amerikanischen Helden zu feiern. Wäre dies der richtige Moment für die Demokraten, US-Präsident Joe Bidens Verzicht bekannt zu geben und ein jüngeres Gesicht zu präsentieren? „Trump ist nun definitiv die dominante politische Figur“, betont Ostry. Dies gelte uneingeschränkt für die eigene Partei, „aber ebenso mit Blick auf die Demokraten, die er – gewollt oder ungewollt – durch seine Dominanz zusammenschweißt“.
Die Rufe aus dem demokratischen Lager, den gesundheitlich offenbar angeschlagenen Biden auszutauschen, scheinen vorerst vergessen. „Ob das hält, werden die nächsten Tage zeigen“, sagt Ostry. „Kein Demokrat kann in dieser Phase das Interesse haben, den Präsidenten zu schwächen.“