Erdogan nimmt Konkurrenten ins Visier: Ermittlungen gegen Istanbuler Bürgermeister Imamoglu
In der Türkei lässt Erdogan immer wieder kurdische Bürgermeister verhaften. Jetzt gerät auch der Istanbuler CHP-Bürgermeister Imamoglu ins Visier der Justiz.
Istanbul – Waren es bislang Bürgermeister der pro-kurdischen Dem Parti, die ins Visier der türkischen Justiz gerieten, geraten jetzt auch Bürgermeister der Oppositionspartei CHP zunehmend unter Druck der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Gegen den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er soll den Generalstaatsanwalt von Istanbul, Akin Gürlek, sowie dessen Familie in einer Rede bedroht haben. Das bestätigte auch Imamoglu, der die Vorwürfe von sich zurückweist. „Der Generalstaatsanwalt von Istanbul leitet ein Ermittlungsverfahren gegen mich ein, mit der Begründung, ich hätte ihn und seine Familie bedroht. In meiner Rede findet sich kein einziges Wort der Drohung“, teilt Imamoglu auf X mit.
Imamoglu kritisiert Generalstaatsanwalt
In seiner Rede um 11 Uhr bei der Konferenz „Modernes Recht und die Politisierung der Justiz“ hatte er die Verhaftung des Vorsitzenden der CHP-Jugend, Cem Aydin, kritisiert und sich an den Istanbuler Generalstaatsanwalt gerichtet. „Du bestellst Cem Aydın zu einer Aussage ein. Du lässt eine Razzia in seinem Haus durchführen. Dein Ziel ist es, die Nation einzuschüchtern. Herr Generalstaatsanwalt, wir werden den Geist, der dich beherrscht, aus den Köpfen dieser Nation entfernen, um sogar deine Kinder vor solchen Vorgehensweisen zu retten. Wir werden ihn entfernen, damit auch niemand an die Tür deiner Kinder klopft“, waren die Worte von Imamoglu, derentwegen jetzt Ermittlungen gegen ihn laufen.
Chefberater von Erdogan erfreut über Ermittlungen gegen Imamoglu
In den Reihen der Regierung findet die Maßnahme gegen Imamoglu Beifall. „Die Aussage dieser rücksichtslosen Person, die sich gegen die Person und die Familie unseres Istanbuler Generalstaatsanwalts Akın Gürlek richtet, ist niemals akzeptabel“, schreibt Oktay Saral, der Chefberater von Erdogan, auf X. Der CHP-Politiker habe mit seinen Worten nicht nur den Generalstaatsanwalt bedroht, sondern auch dessen Kinder in diese Angelegenheit einbezogen. Das sei unethisch und unmoralisch.
In der Türkei bleiben die Fronten zwischen der AKP-Regierung von Präsident Erdogan und der Opposition verhärtet. Obwohl die Parlamentswahlen erst im 2023 waren, läuft praktisch ein Wahlkampf zwischen Regierungspartei und Opposition. Der CHP-Führer Özgür Özel nahm am Montag an derselben Konferenz wie Imamoglu teil und fordert Neuwahlen: „Die CHP ist mit allem bereit für die Wahl. Unsere Kandidaten sind bereit, unser Kandidat ist bereit. Soll er diesen mir gegenüber stellen und seine Antwort bekommen“, sagte er bei der Konferenz.

Meine news
Verhaftung von CHP-Bürgermeistern in der Türkei bereits begonnen
Die ersten Verhaftungen von CHP-Bürgermeister wurden in der Türkei bereits durchgeführt. Am 13. Januar 2025 wurde der Bezirksbürgermeister von Besiktas, Riza Akpolat, in der Metropole Istanbul festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Akpolat unter anderem Manipulation von Ausschreibungen, Bereicherung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vor. Der Politiker weist die Vorwürfe von sich. Zuvor wurde im Oktober sein Parteikollege und Bürgermeister des Istanbuler Stadtteils Esenyurft, Ahmet Özer, im Rahmen des gleichen Ermittlungsverfahrens festgenommen.
Die CHP konnte bei der Kommunalwahl im März 2023 die wichtigsten Metropolen halten und viele neue Städte dazugewinnen. Imamoglu und der Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas (CHP), sind in der Türkei besonders beliebt. Imamoglu wird als aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat gehandelt und könnte bei den kommenden Wahlen angesichts seiner hohen Beliebtheit gefährlich für Erdogan werden. Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Mai 2023 war aber der ehemalige CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu gegen Erdogan angetreten und hatte verloren. (erpe)