EU mobilisiert 50 Milliarden für Kiew: Kanzler Olaf Scholz – Europas Anführer wider Willen

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim EU-Sondergipfel in Brüssel. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © Nicolas Maeterlinck/Belga/dpa/Klaus Haag

Die weltgeschichtliche Not zwingt Kanzler Olaf Scholz, in Brüsssel zum Antreiber zu werden. 50 EU-Milliarden zur Verteidigung der Ukraine sind ein wichtiges Zeichen an Moskau. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

In der Haushaltsdebatte im Berliner Bundestag haben die Bundesbürger am Mittwoch zu ihrer großen Überraschung einen neuen, einen angriffslustigen Kanzler erlebt. Genauso energisch war sein Auftritt tags darauf auf der europäischen Bühne: In Brüssel ist Olaf Scholz nicht mehr der alte Zauderer, sondern der Antreiber, der – nachdem Joe Biden im US-Kongress zur „lame duck“ geworden ist und Trump aus dem gemeinsamen europäischen Haus ausziehen will – 50 EU-Milliarden zur Verteidigung der Ukraine organisiert. In die ungeliebte Führungsrolle hat ihn nicht sein Temperament gedrängt, sondern die weltgeschichtliche Not: Innenpolitisch hat der Ampel-Kanzler nichts mehr zu verlieren, doch außenpolitisch droht ohne den großen Bruder USA der Zusammenbruch der europäischen Friedensordnung, falls es Russland gelingt, die Ukraine als Staat von der Landkarte zu tilgen.

Putins Reden sind ernst zu nehmen

Dass er das will, gibt Putin inzwischen ganz offen zu. Und seine Reden sind ernst zu nehmen: Mit seinen Drohungen gegen die baltischen Staaten und der Ausweitung der Faschismus-Vorwürfe auch auf die Nato-Länder stimmt der Kremlherrscher seine Russen gerade auf weitere Eroberungen ein. So fing auch der Krieg gegen die Ukraine an. Sollte Kiews Front fallen und das Baltikum angegriffen werden, träte für Deutschland der Nato-Verteidigungsfall ein. In keinem Hintergrundgespräch mit deutschen Spitzenpolitikern, aktiven wie ehemaligen, fehlt derzeit die Warnung vor einem weiteren Ausgreifen Großrusslands in drei oder vier Jahren. Dagegen hülfe auch kein Kapitulationsfrieden, dem sich Kiew nach Meinung Sahra Wagenknechts und der AfD unterwerfen soll. Im Gegenteil, Putin gewönne damit nur Zeit zur Umgruppierung von Offensivkräften, um danach andere Länder zu überfallen.

Die 50 Milliarden, mit denen die EU nach dem gestrigen Gipfelbeschluss Kiew bis 2027 stützen will, sind ein wichtiges Zeichen an Moskau: Europa lässt die Ukraine nicht fallen. Das stärkt die Position Kiews – und erhöht im Kreml hoffentlich die Neigung, eines Tages doch noch in echte Verhandlungen einzuwilligen.

Georg Anastasiadis

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