Einmal musste Julian Nagelsmann streng sein wie ein Oberlehrer. Das Gemurmel im Pressesaal nervte den Bundestrainer vor dem EM-Auftaktspiel gegen Schottland so sehr, dass er energisch mehr Ruhe anmahnte. "Bisschen wie in der Schule hier drin. Vielleicht können wir alle einen Tick leiser sein. Das wäre super schön. Danke", sagte der Bundestrainer - und startete seinen mutigen und optimistischen Ausblick auf den Startschuss zur Heim-EM. Nervosität, ja. Die gestand er ein. Aber vor allem vermittelte er einen festen Glauben an die Titelchance für die Nationalmannschaft.
Bei seinen Spielern spürte Nagelsmann vor dem kniffligen Auftaktduell am Freitag keinen Bedarf mehr für besondere Belehrungen. Den "Glauben in den Augen", hatte der Bundestrainer am Donnerstagabend ausgemacht. "Die sind heiß, die haben Lust, die haben Hunger. Noch habe ich sie an der Leine, aber morgen werde ich sie loslassen", kündigte er vollmundig an.
Neuer - Kimmich, Rüdiger, Tah, Mittelstädt - Andrich, Kroos - Musiala, Gündogan, Wirtz - Havertz. So wird sich die DFB-Elf formieren, wenn bis zum Anpfiff von Schiedsrichter Clément Turpin (Frankreich) nichts mehr passiert. "Natürlich haben wir eine erste Elf im Kopf", sagte Nagelsmann. Es sei wichtig, den Stammspielern "eine gewisse psychische Sicherheit" zu geben.
Ein Remis oder gar eine Niederlage würden den Druck vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn enorm erhöhen. Das Schreckgespenst des Vorrunden-Aus wäre schnell wieder da. Bei diesen Gedanken springt Rudi Völler ein. Positiv denken, nicht überdrehen. Mit dieser Einstellung will der DFB-Sportdirektor in seine fünfte EM als Spieler (1984, 1988, 1992), DFB-Teamchef (2004) und nun als Funktionär gehen. "Wir brauchen nicht auszuflippen, aber ein gutes Maß an Optimismus sollte man schon haben", sagte Völler.