Leistungsstärker als China-Konkurrenz - Jetzt plant ausgerechnet Siemens das mächtigste Windrad der Welt
Kosten-Explosionen und Qualitätsprobleme: Die Windkraft-Sparte des Siemens-Konzerns steht unter Druck. Jetzt jedoch plant Siemens eine technische Sensation - die auch die Energiewende beflügeln könnte.
Im Kampf um die Spitze im Energiesektor plant die Siemens Energy AG die größte Windturbine, die es bislang jemals gab. Das Unternehmen habe bei potenziellen Kunden mit einem neuen Modell geworben, das etwa 21 Megawatt Strom erzeugen können soll, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Unternehmenskreise. Damit wäre die Turbine rund 40 Prozent leistungsstärkster als das derzeit größte Modell von Siemens Energy, deren Rotorblätter insgesamt 115 Meter lang sind. Siemens würde damit auch die chinesische Konkurrenz übertreffen.
Bei dem Projekt soll es sich um eine sogenannte „Offshore“-Windanlage handeln, also ein Windrad, das auf hoher See im Einsatz ist und nicht an Land ("Onshore). Bereits Ende des Jahrzehnts könnte das Modell in die Produktion gehen, berichtet Bloomberg. Im letzten Jahr hatte Siemens Gamesa, die Windkraft-Tochter des Unternehmens, von der Europäischen Union 30 Millionen Euro erhalten, um nach eigenen Angaben „den weltweit leistungsstärksten Windturbinen-Prototyp“ in einer Anlage im dänischen Osterild zu testen. „Wir werden erst nach umfangreichen Tests entscheiden, ob wir am Ende ein neues Produkt in einem kommerziellen Projekt anwenden“, zitiert Bloomberg einen Sprecher von Siemens Energy.

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Comeback des Windrad-Wettrüstens?
Die Kampfansage aus Deutschland gilt in Branchenkreisen als Überraschung. Denn zum einen hat die Windkraft-Tochter Siemens Gamesa noch immer mit Problemen zu kämpfen, von Lieferengpässen über steigende Kosten bis hin zu Qualitätsproblemen. Außerhalb Chinas ist das Unternehmen zwar immer noch weltweit führend beim Geschäft mit Offshore-Turbinen, aber bei Anlagen an Land büßte es Marktanteile ein. Vorübergehend hatte Siemens Energy sogar bei der Bundesregierung um Staatshilfen gebeten.
Zum anderen stemmt sich Siemens mit dem geplanten XXL-Windrad gegen den Branchentrend: Besonders europäische Themen wollten das vorhandene Windrad-Geschäft erst einmal konsolidieren, bevor sie neue, leistungsfähigere Exemplare entwickeln. „Das unhaltbare Wettrüsten“ müsse ein Ende haben, forderten etwa die Spitzen des dänischen Konkurrenten Vestad und des niederländischen Anbieters Sif im August in einem Gastbeitrag für das Branchenmedium offshorewind.biz.
Plötzlicher Angriff
Der Grund: Neue technologische Entwicklungen sind im Windkraft-Bereich derzeit eher ein Kostentreiber und bringen keine Ersparnis, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Leistungsfähigere Turbinen gehen in der Regel auch mit größeren Rotorblättern einher, und die werden mittlerweile zum logistischen Problem. Produktionshallen müssen aufwändig vergrößert werden, wichtigen Umschlaghäfen wie Bremerhaven geht bereits jetzt der Lagerplatz aus. Und auch die Materialkosten in der Fertigung sind in den letzten Jahren stark gestiegen.
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Die gegenwärtige Generation von Windkraftanlagen sei groß genug, argumentierte Vestad-Chef Henrik Andersen bereits im Januar letzten Jahres beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Zumal auch der Markt zuletzt schwierig war: Inflation und gestiegene Rohstoffpreise treiben die Baukosten massiv in die Höhe. Weil für die produzierten Strommengen oft bereits im Vorfeld ein fester Preis vereinbart wird, schmelzen die Gewinnmargen bei Projekten, wenn sie nicht sogar zu Verlustgeschäften werden. Offenbar sieht Siemens jetzt aber veränderte Marktbedingungen - und will zum Angriff blasen.