EU kritisiert verwässertes Energie-Paket - EU-Klimakommissar Hoekstra: "Enttäuschender Text, der die Probleme nicht angeht"
Auch die Delegierten der EU kritisieren derweil den neusten Entwurf des Energiepakets. Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera erklärt: "Der Entwurf verdeutlicht nicht, wie wir in dieser kritischen Dekade vorgehen müssen. Wir müssen schnell handeln!". Der EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagt vor der Presse in Dubai: "Der Text-Entwurf ist in der Form enttäuschend - ungenügender Text, der die Probleme nicht angeht."
WWF-Chefin: "COP könnte zu einem gigantischen Misserfolg führen"
Viviane Raddatz, Klima-Chefin des WWF Deutschland kommentiert vor Ort in Dubai: „In diesen letzten Stunden ist nicht zu erkennen, dass wir eigentlich jetzt auf die Zielgerade der Konferenz einbiegen sollten. COP-Präsident Ahmed Al Jabers Wunsch, die Konferenz pünktlich morgen Vormittag beenden zu wollen, erscheint wie eine Fata Morgana in der Wüstensonne. Der derzeitige Textentwurf enttäuscht sehr und lässt befürchten, dass diese COP zu einem gigantischen Misserfolg führen könnte. Denn bisher findet sich kein konkretes Datum für den globalen Ausstieg aus fossilen Energien wie Kohle, Öl und Gas. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise ist klar, dass es hier konkrete und ambitioniertere Ziele braucht. Auch beim Thema klimaschädliche Subventionen gibt es keine Fortschritte. Allein im vergangenen Jahr wurden weltweit sieben Billionen Dollar dafür von staatlichen Stellen gezahlt.
Eine andere Baustelle ist das Global Stocktake. Die gegenwärtigen Klimapläne der Länder (NDCs) reichen nicht aus, um das Ziel von Paris zu erreichen: Die globale Bestandsaufnahme soll eine Kurskorrektur einläuten für die nächste Runde der der Klimapläne. Im aktuellen Entwurf findet sich aber kein klarer Kurs für die neuen NDCs sondern einfach nur Optionen mit allen Schlupflöchern wie CCS, also der Speicherung von Kohlenstoff unter der Erde.
Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise reicht das Engagement der Verhandler und Verhandlerinnen nicht aus. Diese Nacht wird eine lange werden, denn nun muss sich zeigen, ob es COP-Präsident Ahmed Al Jaber gelingt, wirtschaftliche Interessen hinten an zustellen und dabei auch viele seiner ölfördernden Nachbarländer und Mitstreiter zu überzeugen. Klar ist: Ohne klare zeitliche Ziele für den globalen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, ein deutliches Bekenntnis zu einem Rückgang der fossilen Energien noch in diesem Jahrzehnt und ein substantielles Unterstützungspaket dafür für die ärmeren und verletzlichsten Staaten ginge die Konferenz mit einem Gesichtsverlust für den COP-Präsidenten und einer enttäuschenden Niederlage für den Planeten zu Ende.“
Chefin des Bundesverbands Erneuerbare Energien: "Wir brauchen verbindliche Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien"
Dr. Simone Peter, Präsidentin der Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE): „Es ist sehr wichtig, dass sich die teilnehmenden Staaten der Klimakonferenz auf die Verdreifachung der globalen Erneuerbaren-Kapazitäten verständigen wollen. Für diese Absichtserklärung hatte sich der BEE als ersten Schritt schon im Vorfeld der COP eingesetzt, plädiert aber auch für verbindliche Ziele und Planungssicherheit. Gleichzeitig braucht es allerdings auch ein Ausstiegsdatum aus der fossilen Energiegewinnung, sonst bleiben die Klimaziele unerreichbar.“
Oxfam-Beobachter: "So darf die COP28 nicht enden"
Jan Kowalzig, Experte der Organisation Oxfam, sprach von einer "sehr schwachen Formulierung" zur Abkehr von fossilen Energien. Und sogar die anderen angestrebten Ziele - eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz - fänden sich nicht als Ziel wieder, sondern nur als eine mögliche Maßnahme. "So darf die COP28 nicht enden", warnte er.
Das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel werde mit diesem Entwurf "trotz gegenteiliger Beteuerungen an anderer Stelle im Text wohl aus dem Fenster geworfen". Kowalzig forderte, die Europäische Union dürfe der Erklärung in keinem Fall zustimmen und müsse diesen Text mit ihren Verbündeten unter den Entwicklungsländern lautstark ablehnen und erhebliche Nachbesserungen einfordern.
Deutsche Umwelthilfe: "CCS ist keine Alternative zum Ausstieg aus den fossilen Energien"
Dr. Susanne Dröge, Leiterin der Abteilung Klimaschutz und Energie im Umweltbundesamt: "Die Reduktion der Entstehung und der Freisetzung von Treibhausgasen muss oberste Priorität bleiben. CCS ist keine Alternative zum Ausstieg aus den fossilen Energien. Aktuell werden durch CCS global nur 0,049 Gigatonnen CO2 pro Jahr eingespeichert und das meiste für Enhanced Oil Recovery, sprich die Förderung von Erdöl. Aber derzeit werden jährlich 37 Gigatonnen CO2 ausgestoßen. Sollten alle angekündigten CCS-Projekte umgesetzt werden, könnten bis 2030 nur bis zu 0,36 Gigatonnen CO2 eingespeichert werden. Diese geringe und vermutlich dennoch unerreichbare Zahl macht deutlich, dass der zügige Ausstieg aus fossilen Brennstoffen die oberste Priorität bleiben muss."
"Ein gemeinsames internationales Verständnis zu CCS fehlt bislang. Einerseits soll CCS für die Erreichung von Netto-Null-Klimazielen die langfristig unvermeidbaren Emissionen beseitigen helfen, andererseits erhoffen sich viele Staaten eine kurzfristige Lösung des Emissionsproblems. Für Staaten, die an fossilen Energien festhalten wollen, soll CCS vor allem dazu dienen, die emissionsintensive Energieerzeugung nachzurüsten, statt auszusteigen. Da die mit CCS ausgestatteten Anlagen mehr Energie verbrauchen und es nicht möglich ist, aus dem Abgasstrom das CO2 zu 100 Prozent herauszufiltern, kann fossiles CCS langfristig sogar zu mehr Emissionen beitragen. Daher ist in den nationalen Klimaschutzbeiträgen der Staaten (NDCs), die auf der COP verhandelt werden, eine saubere Trennung zwischen Minderungszielen, geplanten Negativemissionen mit CCS und fossilem CCS zwingend notwendig."
Germanwatch-Leiter: "Schwaches Energiepaket, was die fossile Lobby als Erfolg feiert"
Petter Lyden, Bereichsleiter für Internationale Klimapolitik: "Der COP-Präsident hat das Energiepaket so schwach gestaltet, dass die fossile Lobby es als Erfolg feiern würde. Das notwendige massive Runterfahren von Kohle, Öl und Gas bis 2030 fehlt. Die ambitionierten Ziele für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz steht nur als Optionen im Text. Scheinlösungen wie Nuklear und CCS wird Tür und Tor geöffnet. Das Paket wäre defacto eine Aufgabe des 1,5-Grad-Limits. Das untergräbt die Glaubwürdigkeit der „Ermutigung“, die nächsten NDCs ab 2025 darauf auszurichten, 1,5 Grad in Reichweite zu halten."