Debatte um Deindustrialisierung: Welche Branchen darunter leiden und vermehrt Stellen abbauen

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Die deutsche Industrie befindet sich in einem Umbruch, der weitreichende Folgen hat. Zehntausende von Arbeitsplätzen sind verschwunden. Es kommen aber auch welche hinzu.

Frankfurt – Die deutsche Industrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der nicht nur die Arbeitsplatzlandschaft verändert, sondern auch eine Diskussion über die Zukunft des Industriestandorts entfacht hat. Eine aktuelle Studie des Statistischen Bundesamts wirft Licht auf diese Entwicklung und spaltet die Expertenmeinungen.

Die Studie zeigt, dass seit 2019 zehntausende Stellen im verarbeitenden Gewerbe abgebaut wurden, insbesondere bedingt durch die Krise in der Autoindustrie und in energieintensiven Sektoren. Auch davor durchliefen Industriebereiche Veränderungen am Arbeitsplatz, blieben jedoch insgesamt stabil. Während einige Branchen unter dem Druck des Wandels leiden, verzeichnen andere ein Wachstum an Beschäftigten.

Debatte um Deindustrialisierung: Bedrohung oder Normalität?

Die Diskussion über die Zukunft des Industriestandorts ist kontrovers: Einige sehen die Deindustrialisierung als bedrohlich an, während andere sie als normalen Strukturwandel betrachten.

In diese Debatte mischt sich nun auch der Verband forschender Pharmaunternehmen (VfA) ein, dessen Ökonomen eine neue Studie vorlegen. Zusammen mit Daten des Statistischen Bundesamts haben sie ihre Ergebnisse öffentlich gemacht.

Verschiebungen im Sektor: Gewinner und Verlierer der letzten Jahrzehnte

Trotz des Arbeitsplatzabbaus in einigen Sektoren blieb die Gesamtzahl der Beschäftigten in der Industrie zwischen 1996 und 2019 nahezu unverändert. Allerdings haben sich die Beschäftigungsmuster innerhalb der Sektoren wohl verschoben: Während einige, wie die Holz- und Papierindustrie sowie die Textilindustrie, stark an Arbeitsplätzen verloren haben (knapp 400.000 Stellen), erlebten andere Branchen (wie der Maschinen- und Fahrzeugbau) ein Wachstum, berichtete die Wirtschaftswoche..

Besonders interessant ist der Blick auf die letzten Jahre. Nach 2019 ist die Situation deutlich angespannter, mit einem stärkeren Rückgang an Industriearbeitsplätzen. Die Corona-Pandemie war offenbar für einen kräftigen Einbruch verantwortlich.

Salzbachtalbrücke im Bau
Immer mehr Industrie-Jobs leiden unter dem Wandel in Deutschland. (Symbolbild) © Andreas Arnold/dpa/Archivbild

Energieintensive Branchen unter Druck: Höhere Energiepreise und strukturelle Veränderungen

Seit 2019 hat sich die Beschäftigungsstruktur deutlich verändert, wie Claus Michelsen, ehemaliger Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), der Wirtschaftswoche erklärt. Dieser Zeitraum markiert den Beginn eines neuen Zyklus technologischer Veränderungen, der verschiedene Branchen beeinflusst. Ein Beispiel ist die Automobilindustrie, die ihre Prozesse vermehrt auf Elektromobilität umstellt. Gleichzeitig stehen energieintensive Branchen vor der Herausforderung, sich an steigende Energiepreise anzupassen.

Milliardenverluste durch Jobabbau in der Autoindustrie: Über vier Milliarden Euro Einkommensverlust

Die Autobranche hat in den letzten Jahren einen deutlichen Stellenabbau erlebt. Dem Bericht zufolge waren im Juli 2018 noch 842.000 Menschen in dieser Branche beschäftigt. Bis Anfang 2022 gingen jedoch 70.000 Stellen verloren, und seitdem ist die Zahl nur leicht um 10.000 Beschäftigte gestiegen. Ähnlich hat auch die Chemieindustrie und die Glas- und Keramikherstellung Arbeitsplätze abgebaut. Demnach hat der Arbeitsplatzabbau in der Autoindustrie allein zu Einkommensverlusten von über vier Milliarden Euro geführt.

Auch in den kommenden Jahren sieht es nicht rosig aus. Continental plant, weltweit 7.150 Stellen in der Automotive-Sparte zu streichen. Der ZF-Gesamtbetriebsrat warnt vor einem möglichen Verlust von 12.000 Arbeitsplätzen in Deutschland bis 2030. Auch bei Bosch stehen erhebliche Einsparungen an, wobei mindestens 3.200 Stellen, hauptsächlich in Deutschland, betroffen sein sollen. Am härtesten trifft es die Bereiche Verbrenner-Antriebe, automatisiertes Fahren und Steuergeräte, berichtet die Automobilwoche.

Zukunftssicherung der Industrie: Investitionen in Innovation und Fachkräfte als notwendige Maßnahmen

Claus Michelsen, Geschäftsführer Wirtschaftspolitik beim VfA, betont, dass der Wandel gestaltbar ist. Es sei zwar eine Herausforderung, aber mit den richtigen Strategien könne die Industrie diesen Wandel bewältigen. Insbesondere hoch qualifizierte und gut bezahlte Branchen wie die Pharma- und Elektroindustrie würden weiterhin Mitarbeiter einstellen, teilt die Wirtschaftswoche mit.

Er sieht hier die Politik gefordert. Es sei wichtig, Bereiche zu stärken, in denen Innovation und Produktivität hoch sind, und gleichzeitig in die Weiterbildung zu investieren. Nur so könne Deutschland seine industrielle Stärke langfristig erhalten.

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