Feueralarm bei Chilly Gonzales in München: Da brennt der Saal
Zwei Abende gastierte Chilly Gonzales in München. Zweimal war die Isarphilharmonie ausverkauft, eh klar. Ein Feueralarm unterbrach das zweite Konzert – denn bei diesem Pianisten brennt der Saal.
Es ist kurz nach 20 Uhr am Montag (25. März 2024), als Chilly Gonzales auf der Bühne der Münchner Isarphilharmonie jenen Witz raushaut, der noch in jeder Stadt gut angekommen ist. Der Pianist erklärt da seinem Publikum, was er musikalisch im Fortgang plant, und kündigt auch neue Lieder an. Die seien quasi – herrlich zelebrierte Kunstpause, scheinbar angestrengtes Suchen nach dem korrekten Adjektiv – „ofenfrisch“. Gelächter im ausverkauften Saal. Etwas mehr als 90 Minuten später wird der Kanadier seine Fans an diesen Konzertbeginn erinnern. „Als ich ofenfrisch gesagt habe, wusste ich nicht, wie heiß der Ofen ist.“
Zweimal war die Isarphilharmonie bei Chilly Gonzales ausverkauft
Bereits am Sonntag hat Gonzales mit seiner vierköpfigen Band hier gespielt – den Auftritt am Montag jedoch wird niemand, der dabei war, rasch vergessen: Gegen 21.30 Uhr, das Programm biegt gerade mit ordentlich Wumms auf die Zielgerade ein, schrillt der Feueralarm los, und eine Stimme vom Band fordert die Menschen auf, das Gebäude unverzüglich zu verlassen. „Die Ausgabe der Garderobe erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.“ Nach einem Moment der Irritation gehen auch Gonzales, seine drei Kollegen sowie Cellistin Stella Le Page von der Bühne. Relativ rasch war den meisten Menschen klar, dass es sich um einen Fehlalarm handeln musste. Sie verließen daher auch den Gasteig HP8 gar nicht, sondern nutzten die Zwangspause für einen Besuch der Bar im Foyer: München halt. Der Saal blieb für 20 Minuten gesperrt.

Am Dienstag (26. März 2024) berichtete Gasteig-Sprecher Michael Amtmann auf Anfrage, dass es kurz nach der Eröffnung des Interims im Oktober 2021 häufiger zu falschen Feueralarmen gekommen sei. Diese werden in der Regel von der Nebelmaschine ausgelöst, die benötigt wird, damit die Lichtstimmungen von den 1956 Sitzplätzen aus auch zu sehen sind. Mehrere hundert Rauchmelder sind im Gebäude verbaut, bei Konzerten mit Nebelmaschine und Lightshow werden all jene abgeschaltet, die sich an neuralgischen Punkten befinden. Stattdessen gibt es ㈠„Rauch-Wachen“, die während eines Auftritts eben jene Bereiche des Hauses bestreifen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Bei Chilly Gonzales hat nun aber einer der Rauchmelder im Dach sprichwörtlich die Schnauze voll gehabt – und automatisch die Evakuierung des Saals veranlasst sowie die Feuerwehr alarmiert.
„Music is back, Motherfuckers!“, ruft Chilly Gonzales
Bei einem Künstler wie dem kanadischen Pianisten, der sich gewitzt und virtuos zwischen Jazz, Pop, Klassik, Rap und etwas bewegt, was Gonzales selbst „the Unexpected“ nennt, kann eine solche Zwangspause indes die gute Stimmung zwar unterbrechen, aber keinesfalls stören. „Anything can truly happen“, erklärt der 52-Jährige, als um 21.50 Uhr sein Publikum zurück im Saal ist. „There can be a ,ungemütliche Stille‘ twenty Minutes after the beginning of a concert. And then, right when we are all about having a collective orgasm: ,Fire-Alarm‘. Deus ex Fuck-ina. I wanna thank you all for coming back. You‘re fucking beautiful, München!“ Eine Übersetzung der Gonzales`schen Zusammenfassung der Geschehnisse muss an dieser Stelle nicht gesondert ausgeführt werden.
Was aber unbedingt gesagt werden sollte: Der Künstler, natürlich auch an diesem Abend in seinem klassischen Konzert-Outfit gewandet (Morgenmantel, Feinripp-Shirt, Adiletten) und seine Combo kennen im zweiten Teil fortan überhaupt kein Halten mehr, inklusive „Kraut“-Surfing über die Hände/Köpfe/Körper der Fans hinweg. „Music is back, Motherfuckers!“, ruft Chilly Gonzales noch. Dann zündet die nächste Eskalationsstufe.
Chilly Gonzales und Richard Wagner
Mit 16 war Chilly Gonzales zum ersten Mal in Bayreuth. Der „Ring“ habe ihn tief beeindruckt, erzählt er am Montag in München. Bei seinen Recherchen zu Leben und Werk Richard Wagners sei er jedoch entsetzt gewesen, was für ein „Monster“ der Komponist war: Auf dem Höhepunkt seines Einflusses habe Wagner 1869 das antisemitische Pamphlet „Das Judenthum in der Musik“ veröffentlicht und damit den Judenhass befeuert. Gonzales, der seit zwölf Jahren in Köln lebt, plädiert für eine klare Trennung von Künstler und Kunst. Deshalb hat der 52-Jährige bei www.change.org eine Petition gestartet, um die Richard-Wagner-Straße in seiner Wahlheimat umzubenennen. Das wäre „keine Cancel Culture. Wir fordern nicht, die Aufführung von Wagners Opern zu stoppen. Aber wenn eine Straße in der Kölner Innenstadt den Namen eines Antisemiten trägt, ehren wir damit meines Erachtens einen unwürdigen Mann.“ Gonzales fordert stattdessen eine Tina-Turner-Straße. „Wer wäre dafür besser geeignet als eine afroamerikanische Komponistin und Sängerin, die Köln neun Jahre lang zu ihrer Heimat gemacht hat?“