„Bonhoeffer“ in den deutschen Kinos: Von guten Mächten verlassen
„Bonhoeffer“ von Todd Komarnicki erzählt die Lebensgeschichte des Pastors und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer. Der Film ist historischer Blödsinn und zudem fad inszeniert.
Schreikrämpfe, heißt es, bringen Linderung. Nun wollen es aber Anstand und Konvention, dass das Publikum im Kino schweigt. Dafür gibt es sehr viele, sehr gute Gründe. Wer „Bonhoeffer“ sieht, könnte sie indes vergessen – und es wäre niemandem ein Vorwurf zu machen. Todd Komarnickis Film ist historischer Blödsinn und obendrein fad inszeniert. Letzteres muss man erst einmal hinkriegen, wenn man die Lebensgeschichte des Pastors und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer auf die Leinwand bringt, der am 9. April 1945 auf Befehl Hitlers im KZ Flossenbürg ermordet wurde. Doch zur Regie gleich mehr.
Dietrich Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet
„Bonhoeffer“, hinter dem auch die evangelikale Produktionsfirma Angel Studios steht, hat bei seinem US-Start im vergangenen November bereits für derart Furore gesorgt, dass sich die Nachkommen der Bonhoeffer-Geschwister zu einer sehr eindeutigen Distanzierung genötigt sahen. „Mit Entsetzen verfolgen wir, wie das Vermächtnis von Dietrich Bonhoeffer zunehmend von rechtsextremen Antidemokraten, Fremdenfeinden und religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht wird“, teilten sie damals mit. Wer den Film gesehen hat, begreift ihre Empörung. Auch die am Projekt beteiligten deutschen Schauspieler zeigten sich besorgt über den Missbrauch des Films durch christliche Nationalisten und Trump-Fans in den USA.
Der deutsche Verleih Kinostar versucht nun, darauf zu reagieren. Statt mit dem martialischen Originaltitel „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“ – also „Pastor. Spion. Attentäter.“ – kommt das Werk bei uns schlicht als „Bonhoeffer“ ins Programm. Auch die Waffe ist auf dem Filmposter aus der Hand des Theologen verschwunden.

Doch das ist Kosmetik und ändert nichts daran, dass das Bild, das hier gezeichnet wird, gaga ist. Keine Frage: Ein Drama ist kein Dokumentarfilm – und selbstverständlich lebt jedes Drehbuch davon, dass sich Autorinnen und Autoren Freiheiten nehmen. Wer jedoch von historischen Personen erzählt, sollte auch einen Bezug zu historischen Tatsachen herstellen. Das macht „Bonhoeffer“ viel zu häufig nicht. Nicht bei Kleinigkeiten – man staune nur über die reinen und gepflegten Hände des Theologen in seiner KZ-Zelle. Vor allem aber nicht bei Wesentlichem aus seiner Biografie: Bonhoeffer wurde in Flossenbürg stranguliert – und nicht vor einer verlassenen Dorfschule im Nirgendwo. Man hat ihm mit Sicherheit am Vorabend seiner Ermordung keinen Laib Brot gereicht, damit er das Abendmahl mit seinen Mitgefangenen zelebrieren kann. Er wiederum hat nicht die SS mit an den Tisch des Herrn gebeten. Und seine Henker haben ihm auch nicht die Zeit gelassen, am Galgen ein letztes Mal vor Tätern und Opfern zu predigen, bevor die Wolkendecke aufreißt und die Sonne den Delinquenten bescheint.
Letztgenannte Szene ist typisch für eine Regie zwischen Kitsch und Mottenkiste. Denn selbst wenn Komarnicki einen fiktionalen Charakter zeigen würde, bleibt seine Inszenierung anstrengend zäh. Die Dialoge, die er geschrieben hat, wechseln zwischen Laubsäge-Arbeit und Kalenderspruch. Zudem macht der Mann Kino wie anno dazumal, klemmt Sepia-Filter vor die Linse, wenn es um die unbeschwerte Kindheit geht, und wählt stets die am besten abgehangene Kamera-Perspektive.
Den Pastor führt er uns als Lichtgestalt vor. Sobald Hauptdarsteller Jonas Dassler den Raum betritt, fällt Licht auf ihn. Gern betont Komarnicki dies durch helle Kleidung seines Protagonisten und eine zusätzliche Leuchtquelle auf dessen blondem Hinterkopf. Nur gut, dass auch das Licht im Kino irgendwann wieder angeht.