Ansturm auf Jagdschein führt zu Konflikten: Probleme mit Revierverteilung
Die Sehnsucht nach der Natur wächst, die Zahl der Jagdscheinanwärter steigt. Doch dieser Trend stößt auf ein Problem. Wo sollen all die Jäger jagen?
Bad Tölz-Wolfratshausen – Durch die Natur zu streifen, über die Pflanzen, Tiere und Bäume rings um einen herum Bescheid zu wissen – und im Anschluss ein Stück selbsterlegtes Fleisch auf dem Teller: Jagen liegt im Trend. Bundesweit gab es noch nie so viele Jagdscheininhaber wie heute. Diese Entwicklung zeigt sich zum Teil auch im Landkreis Bad Tölz Wolfratshausen: Im Jahr 2023 erteilte das Landratsamt 511 Jagdscheine. Zum Vergleich: 2013 lag dieser Wert noch bei 453.
Prozess überall zu spüren – vor allem in Stadtnähe
Mit Abstand am stärksten zu spüren ist dieser Prozess rund um Großstädte wie München, sagt Josef Heßlinger, Sprecher des Jagdkreisverbands Bad Tölz. „Aber auch bei uns steigt die Zahl der Jagdscheinanwärter.“ Der Tölzer erklärt sich das mit wachsendem Druck und Stress, dem Menschen im Alltag ausgesetzt sind. Infolgedessen ziehen sich immer mehr zum Krafttanken in Feld und Wald zurück. Heßlinger: „Ob als Berggeher, Skitourengeher oder Jäger: Die Sehnsucht nach der Natur hat in den letzten Jahren generell zugenommen. Corona hat diese Entwicklung beschleunigt.“
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Anwärtern des sogenannten „Grünen Abiturs“ geht es längst nicht nur die Erlegung von Wild, sondern um das Naturerlebnis an sich, betont Heinz Repert, Chef der Jagdkreisgruppe Wolfratshausen: „Viele kommen mit dem Wunsch, ihre Allgemeinbildung über Wild, Bäume und Sträucher zu erweitern.“ In der Jagdkreisgruppe, bestehend aus derzeit etwa 350 Mitgliedern, ist die Zahl der neuen Jagdscheininhaber allerdings „ziemlich gleichbleibend“. Jedes Jahr bildet die Vereinigung etwa 14 bis 18 Personen aus. Deren Alterssparte reicht vom 16-jährigen Teenager bis zum 70-jährigen Rentner.
Alle Reviere im Isarwinkel und im nördlichen Landkreis sind besetzt
Die Flut an frisch gebackenen Jägern sorgt allerdings für Komplikationen: Alle Reviere im Isarwinkel sowie im nördlichen Landkreis sind besetzt. „Bei uns im Jagdgebiet als Jäger ein Revier zu finden, ist es äußerst schwierig“, sagt Heßlinger. In der Regel verpachten Jagdgenossenschaften die Bezirke für jeweils neun Jahre. Ist man zufrieden mit dem Pächter, folgt im Anschluss die Verlängerung des Vertrags. Die wenigsten Reviere werden alleine bewirtschaftet: Auf größeren Flächen darf der Jäger sogenannte Begehungsscheine vergeben. Diese erlauben anderen Kollegen, dort ebenfalls zu jagen. „Trotzdem können nicht unzählige Leute in den Revieren auf die Jagd gehen“, betont Heßlinger.
Die Vielfalt der Tiere, die ein Jäger in heimischen Wäldern vors Zielfernrohr bekommt ist groß – und reicht von Wildtieren wie Hirsch, Reh, Wildschwein, Dachs und Hase bis hin zu Raubtieren wie Fuchs und Marder: „Nur weil es mehr Jäger gibt, existiert aber nicht automatisch mehr Wild“, warnt der 74-Jährige. Aus diesem Grund sei es die Aufgabe eines Jägers, „gut aufzupassen, dass nicht zu viel gejagt wird“. Immer wieder kommt es laut dem Tölzer daher vor, dass Jäger-Neulinge kein Revier finden. Ihnen bleibt keine andere Möglichkeit, als auf gelegentliche Jagdeinladungen zu hoffen. „Das ist absolut nicht befriedigend“, stellt Heßlinger klar. „Das wäre dasselbe, wie wenn ein Fischer sich nur ab und an zum Angeln an den Weiher setzen dürfte.“
Sein Ratschlag an alle Interessierten des „Grünen Abiturs: „Man sollte bereits im Vorfeld schauen, ob es Jäger im Bekannten- oder Freundeskreis gibt, die einen vielleicht in ihr Revier aufnehmen könnten.“
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