Kita-Plätze, Bonuszahlungen, englische Inserate - Mit diesen Kniffen sorgt Dänemark für ein Job-Wunder bei Ukraine-Flüchtlingen
Dänemark schafft Entlastung für alleinerziehende Mütter
Wie kommt es, dass die Beschäftigungsquote in Dänemark mehr als dreimal so hoch ist wie hierzulande? „Ein umfassender Ansatz ist sehr wichtig“, erklärte Integrationsminister Kaare Dybvad Bek der „Bild“. „Seit Anfang 2022 arbeitet die gesamte dänische Gesellschaft daran, Vertriebenen aus der Ukraine dabei zu helfen, ihr tägliches Leben effizient fortzusetzen und ein aktiver Teil der dänischen Gesellschaft, insbesondere des Arbeitsmarktes, zu sein.“
Die Dänen haben sich beispielsweise darauf eingestellt, dass viele Geflüchtete alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern sind. Deshalb hat der Staat ein umfangreiches Betreuungsangebot eingerichtet. Die Mütter können ihre Kinder in der Kita abgeben und arbeiten gehen. In Deutschland hingegen ist das nicht immer so einfach. Viele Mütter bleiben zu Hause, weil sie keinen passenden Platz im Kindergarten finden. Im Übrigen lässt sich in Dänemark der Antrag für eine Kita digital per QR-Code auf dem Smartphone bearbeiten – in Deutschland oft undenkbar.
Ukrainer lernen im Job und nach Feierabend Dänisch
Ein anderer Erfolgsfaktor ist der Umgang mit den Sprachkenntnissen der Ukrainer. In Deutschland sollen die Geflüchteten erst einmal die hiesige Sprache lernen. Die Integrationskurse umfassen mehrere hundert Stunden Unterricht – erst wenn er nach vielen Monaten abgeschlossen ist, kommen die Menschen auf den Arbeitsmarkt. Zuvor beziehen sie Bürgergeld.
In Dänemark geht man nicht Schritt nach Schritt vor: Für Jobs, in denen Englisch ausreicht, gab es englische Inserate. Ukrainische Flüchtlinge können sofort in Arbeit kommen, die Sprachkurse absolvieren sie dann nach Feierabend. Obwohl Dänisch schwerer zu lernen ist als Deutsch, sind die Lernfortschritte oft größer. Denn die Ukrainer kommen im Job mit vielen Dänen in Kontakt und üben die Sprache so ganz automatisch.
Die Regierung in Kopenhagen setzt aber nicht nur Anreize für die Geflüchteten, sondern auch für die aufnehmenden Kommunen: Schaffen es Gemeinden, dort lebende Ukrainer in Arbeit zu vermitteln, bekommen sie vom Staat eine Bonuszahlung. Die Denkweise wird dadurch beeinflusst: Es lohnt sich, Geflüchtete bestmöglich zu integrieren. Zum Beispiel in Tschechien, wo die Beschäftigungsquote ebenfalls hoch ist, hat der Staat mehr Abgaben und Steuern von ukrainischen Geflüchteten eingenommen, als er für humanitäre Hilfe ausgegeben hat.
Welche Rolle spielen die Sozialleistungen?
In der deutschen Debatte werden oft die Sozialleistungen als entscheidender Faktor aufgeführt. Die Union und auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordern deshalb, den Ukrainern künftig kein Bürgergeld mehr zu bezahlen . Ob das die Beschäftigungsquote deutlich erhöhen würde, ist aber umstritten. Die meisten Ukrainer kamen vor Juni 2022 nach Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt gab es für sie noch kein Bürgergeld – zumindest für ihre Fluchtentscheidung hat es keine Rolle gespielt.
Zudem scheint es keinen Zusammenhang zwischen Höhe der Sozialleistungen und Beschäftigungsquote zu geben. In Dänemark bekommen Flüchtlinge monatlich rund 800 Euro, in denen das Wohngeld bereits enthalten ist. In Deutschland sind es bei Alleinstehenden 563 Euro plus Wohngeld. Die geringen Unterschiede erklären den Unterschied von fast 60 Prozent in der Quote nicht. Zu diesem Schluss kommt auch die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Bürgergeld lässt sich wegen EU-Richtlinie nicht einfach streichen
Offen ist ohnehin, ob es so schnell und einfach möglich wäre, den Ukrainern nur noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz statt Bürgergeld zu zahlen. Denn Ukrainer müssen wegen der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie der EU kein Asylverfahren durchlaufen und haben ein Anrecht auf Sozialleistungen. Durch ihren besonderen Schutzstatus haben sie direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und damit auf Bürgergeld.
So zumindest argumentierten es Bund und Länder 2022, als sie die EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzten. Die Richtlinie ist zwar befristet gültig, eigentlich wäre sie im März 2025 ausgelaufen. Doch erst in der vergangenen Woche haben die EU-Innenminister um Nancy Faeser (SPD) eine Verlängerung bis März 2026 beschlossen.
Um das Bürgergeld zu streichen, müssten die deutschen Gesetze so angepasst werden, dass sie immer noch mit der Richtlinie konform sind. Außerdem müssten ohne EU-Regelung mehr als eine Million Ukrainer in Deutschland einen Asylantrag stellen – und würden die ohnehin schon belasteten Behörden völlig überfordern. Auf diesen Umstand wies der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm noch im Februar hin.
Dänemark punktet mit flexiblerem Arbeitsmarkt
Gewichtiger als relativ hohe Sozialleistungen sieht die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung die mangelnde Flexibilität in Deutschland an. Wollen sich Ukrainer hierzulande selbstständig machen, klagen sie über lange und komplexe Verfahren mit vielen beteiligten Institutionen. Auch bei geschützten Jobs wie Ärzte, Anwälte oder Steuerberater gestalten sich die Anerkennungsprozesse langwierig.
Dänemark hat auch für den Arbeitsmarkt flexiblere Regelungen als Deutschland. „Die Dänen hatten schon immer ein sehr leistungsfähiges System von einer Kombination von großzügigen Sozialleistungen und einem vergleichsweise weitgehenden Verzicht auf Kündigungsschutz. Man kann also relativ schnell seinen Job verlieren, aber wer arbeitslos wird, bekommt auch sehr großzügige Leistungen und schnell eine neue Beschäftigung“, erklärte Studienautor Dietrich Thränhardt im Gespräch mit RTL. Das System habe sich offensichtlich auch bei den Ukrainern bewährt.
Dazu, wie viele Ukrainer künftig in Deutschland arbeiten werden, gibt es unterschiedliche Ansichten. Einige Experten rechnen zeitnah mit einem deutlichen Anstieg der Beschäftigungsquote, weil dann viele Geflüchtete ihre Sprachkurse beenden werden.
Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeichnet allerdings ein pessimistischeres Bild: In dem Szenario der Autoren liegt die Erwerbstätigenquote bei ukrainischen Geflüchteten nach einer Aufenthaltsdauer von fünf Jahren bei 45 Prozent. Danach steigt sie nur noch langsam an. Nach zehn Jahren liegt sie bei lediglich 55 Prozent – und damit immer noch deutlich unter der Quote, die Dänemark schon heute erreicht.