Eine Zeitenwende gab es vor rund sieben Monaten in Wessobrunn: Seit Dezember wird die Uhr im historischen Römerturm elektronisch gesteuert. Die mehr als 500 Jahre zuvor wurde sie mechanisch betrieben, was zeitweise für Verwirrung sorgte.
Wessobrunn – Der Wessobrunner Römerturm hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Das Bauwerk aus Tuffsteinquadern, das wohl Mitte des 13. Jahnhunderts errichtet wurde, diente unter anderem als Wehrturm sowie als Rückzugsort bei Gefahren. Sein Erdgeschoss wurde zeitweise als Gefängnis genutzt.
Zeitweise ein Gefängnis
Wie lange den „Grauen Herzog“, wie der Turm auch genannt wird, schon eine Uhr ziert, ist nicht genau bekannt. Wie Erwin Köhler, der in Wessobrunn zweiter Bürgermeister, Mitglied der Vereinigung Wessofontanum und inzwischen Experte für die Uhr im Römerturm ist, in einem Bericht für das aktuelle Wessobrunner Gemeindeblatt geschrieben hat, wurde das Uhrwerk des Turms im Jahr 1520 zum ersten Mal erwähnt. Nähere Aufzeichnungen gibt es laut Köhler nicht dazu.
Etwa rund 200 Jahre nach der ersten Erwähnung eines Uhrwerks, um das Jahr 1720, wurde dann ein geschmiedetes Uhrwerk in den „Grauen Herzog“ eingebaut, das heute noch im zweiten Stockwerk des Turms steht. „Dieses Uhrwerk ist relativ gut erhalten, hat aber deutliche Verschleißerscheinungen“, schreibt Köhler in seinem Bericht. Auf dem Foto des rund 300 Jahre alten Uhrwerks sind rechts an der Wand zwei Holzkübel zu erkennen, die mit Sand gefüllt als Antriebsgewichte dienten.
Dieses Uhrwerk lief bis zum Jahr 1928, in dem die Gemeinde Wessobrunn eine Uhr der Münchner Familie Mannhard erwarb. Vor fast 100 Jahren hatten diese Uhren einen guten Ruf und galten als sehr genau. Das waren sie wohl auch lange Zeit, doch „nach 96 Jahren war davon aber leider nicht mehr viel zu spüren“, schreibt Köhler. Die Uhr, an der offensichtlich der Zahn der Zeit genagt hatte, stellte immer wieder komplett ihren Dienst ein und musste, wenn sie lief, regelmäßig nachgestellt werden.
Regelmäßig wurde nachgestellt
Immer wieder zeigte sich auch das Phänomen, dass der Römerturm verschiedene Zeiten hatte. Wie auf dem Foto aus dem Frühjahr 2022 zu erkennen ist, ist auf der einen Seite eine Minute nach 11 Uhr und auf der anderen erst 10.55 Uhr, während die Sonnenuhr darüber wieder auf kurz vor 11 Uhr steht. In den vergangenen zehn Jahren hat Hans Häckl das mechanische Uhrwerk betreut, es täglich korrigiert und das Schlagwerk für die Viertel- und die Stundenschläge regelmäßig von Hand nachgestellt.
Bis zum Jahr 2012 musste die Uhr von Hand aufgezogen werden, was laut Köhler täglich von Schwester Andrea übernommen wurde. Seit dem Jahr 2013 besorgte ein Elektromotor das Aufziehen der Uhr, dennoch erforderten die „mechanischen Eigenheiten der Uhr“ tägliche Korrekturen.
Antriebswellen stammen aus dem Jahr 1928
Seit Dezember ticken die Uhren am „Grauen Herzog“ nun aber anders – und zwar, wie es ausschaut im selben Takt. Dafür sorgt ein neues Uhrwerk, das gegenüber seinen Vorgängern eher unscheinbarer daherkommt: ein grauer Kasten mit zwei Antriebswellen für die Zeiger der beiden Zifferblätter. Die Antriebswellen haben im Gegensatz zum Uhrwerk schon ein paar Jahre auf dem Buckel: Sie stammen noch aus dem Jahr 1928.
Beim Tag der offenen Tür, zu dem Mitglieder von Wessofontanum Anfang Mai eingeladen hatten, gab es auch Führungen durch den Römerturm, bei denen Erwin Köhler den Besuchern die Geschichte der verschiedenen Uhrwerke und Zeiten erzählte.