Erdogan geht in Schweden gegen Pressefreiheit vor: „Haben Korruption und Mafiafälle dokumentiert“
Erdogan hat regierungskritische Webseite in Schweden im Visier – und fordert Schließung
Schweden kann wegen des Vetos der Türkei nicht Nato-Mitglied werden. Die türkische Regierung verlangt von Schweden die Schließung der Nachrichtenseite Nordic Monitor.
Stockholm – Schweden kann weiterhin wegen des türkischen Vetos nicht Mitglied der Nato werden. Die Türkei stellt immer wieder Forderung an das skandinavische Land, um ihre Zustimmung zu geben. In ihrer neuesten Forderung verlangt die türkische Regierung die Schließung der Nachrichtenwebseite Nordic Monitor.
Dies wurde nach einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des türkischen Parlaments bekannt. Dort hatte der stellvertretende türkische Außenminister Burak Akcapar die regierungskritische Website in einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Parlaments in Ankara erwähnt. Die Forderung nach einer Schließung der Nachrichtenseite sei Teil der „Verhandlungen“ mit Schweden, sagte Akcapar laut dem veröffentlichten Sitzungsprotokoll.
Betreiber von Nordic Monitor: „Haben Korruption und Mafiafälle dokumentiert“
Warum die türkische Regierung die Nachrichtenseite verboten haben will, hat seine Gründe. Die Betreiber von Nordic Monitor, Abdullah Bozkurt und Levent Kenez, sind im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA nicht verwundert, dass Ankara ihre Berichterstattung verhindern will. „Der Grund dafür ist, dass Nordic Monitor die Intrigen der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan, illegale Geheimdienstaktivitäten, geheime Auslandsoperationen, Korruption und Mafiafälle dokumentiert und veröffentlicht hat. Sie fordern, dass Schweden Nordic Monitor verbietet und Druck auf investigative Journalisten ausübt“, sagte Bozkurt.
Kenez, dessen Auslieferung Ankara fordert, glaubt nicht, dass sich Schweden auf solch einen Kuhhandel einlassen wird. Dahinter stecke politisches Kalkül. „Die Nato ist eine Wertegemeinschaft, in der die Presse- und Meinungsfreiheit hochgehalten wird. Erdogan versucht hier vor allem von den USA Forderungen herauszupressen. Dazu zählen etwa F-16 Kampfflugzeuge, die Washington bislang nicht liefern möchte“.
Pressefreiheit in der Türkei: Hunderte Medienschaffende seit Putschversuch verhaftet
In der Türkei wird seit Jahren das freie Wort unterdrückt. Hunderte Journalistinnen und Journalisten mussten seit dem Putschversuch 2016 bereits ins Gefängnis. Erst am Dienstag (5. Dezember) wurde die Journalistin Nazli Ilicak festgenommen. Die 79-jährige Journalistin wurde kürzlich zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie 2016 einen Artikel auf dem Nachrichtenportal Özgür Düsünce veröffentlicht hatte, in dem sie angeblich einen Staatsanwalt verleumdet hatte, teilte Reporter ohne Grenzen (RoG) mit. Die Organisation forderte ihre sofortige Freilassung.
Die Betreiber von Nordic Monitor sind zwei von rund 300 Journalistinnen und Journalisten aus der Türkei, die ins Exil flüchten mussten. Dutzende weitere Medienschaffende sind derweil weiterhin wegen Terrordelikte inhaftiert. Unter 180 Staaten landet die Türkei im Pressefreiheitsindex auf Platz 165.

Wird die Türkei dem Nato-Beitritt von Schweden am Ende zustimmen?
Seit Jahren versucht die Türkei ihre Luftwaffe zu modernisieren. Doch die Drohgebärden gegen den Nato-Partner Griechenland und die zwielichtigen Deals mit Russland haben den Westen verärgert. Die USA haben bislang der Türkei keine modernen F-16 Kampfflugzeuge geliefert. Aus dem F-35 Programm ist Ankara zuvor hochkant rausgeflogen, nachdem sie sich trotz Warnungen aus der Nato das russische Luftabwehrsystem S-300 angeschafft hat.
Beide Journalisten glauben gehen nicht davon aus, dass sich Schweden durch die Türkei erpressen lässt und auch ihr Nato-Beitritt noch lange von der Erdogan-Regierung verhindert wird. „Ich glaube nicht, dass die Türkei sehr lange den Nato-Beitritt Schwedens verhindern kann. Der türkische Außenminister Hakan Fidan hat bereits signalisiert, dass die Türkei in den kommenden Wochen bereits ihre Zustimmung geben könnte“, sagt Kenez. Ähnlich äußert sich auch Bozkurt. Der Journalist glaubt nicht, dass Schweden sich auf diese Art von schmutzigen Geschäften einlässt.
„Der schwedische Journalistenverband, dem wir angeschlossen sind, hatte die Regierung bereits vor jeglichen Kompromissen gewarnt. Als die türkische Forderung bekannt wurde, rief sie zur Unterstützung von Nordic Monitor auf“. Unterstützung bekommen die türkischen Exiljournalisten auch vom europäischen Journalistenföderation (EFJ). „Die Europäische Journalistenföderation (EJF) schließt sich heute dem schwedischen Journalistenverband Svenska Journalistförbundet an und fordert die türkische Regierung auf, ihre Forderung nach Schließung des Online-Nachrichtendienstes Nordic Monitor zurückzunehmen“, heißt es in einer Mitteilung der EFJ. (erpe)