Kriegsverbrecher-Tribunal: Putins Festnahme geplant – „ein neues Nürnberg“

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Der Kreml droht jedem Staat, der gegen Russlands Präsident Putin wegen Kriegsverbrechen vorgeht. Ein Rechtswissenschaftler sieht eine „eskalierende Situation“.

Den Haag/Moskau – Anfang Mai beschlossen in der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) Außenminister der Europäischen Union und weiterer Staaten sowie EU-Diplomaten die Schaffung eines Sondertribunals. Auf der Anklagebank: der russische Präsident Wladimir Putin sowie seine engsten Vertrauten wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine. „Es wird keine Straffreiheit geben. Jeder, der für die begangenen Verbrechen verantwortlich ist, wird zur Rechenschaft gezogen“, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas.

Kreml-Chef Putin soll wegen des Kriegs gegen die Ukraine vor ein Sondertribunal.
Kreml-Chef Putin soll wegen des Kriegs gegen die Ukraine vor ein Sondertribunal. © picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin | Alexei Danichev

Das Ziel ist es, zentrale russische Akteure aus Politik und Militär juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Die Entscheidung soll als Signal an Moskau verstanden werden, wo Putin erneut bei den Feierlichkeiten zum Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland den Angriff auf die Ukraine gerechtfertigt hatte.   

Kriegsverbrechertribunal gegen Putin: Kreml-Chef reagiert mit Kriegsdrohung

Hintergrund

Die Zuständigkeit für das Verbrechen der Aggression liegt eigentlich beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Da jedoch weder die Ukraine noch Russland Vertragspartei sind, kann der Strafgerichtshof nicht tätig werden. Nur der UN-Sicherheitsrat könnte den Fall an den IStGH überweisen, was angesichts von Russlands Veto-Macht im Sicherheitsrat aber als ausgeschlossen gilt. Diese Lücke soll hiermit geschlossen werden.

Die Strafen des Tribunals sollen sich am Rom-Statut orientieren: bis zu 30 Jahre Haft oder lebenslange Freiheitsstrafen bei besonders schweren Verbrechen. Darüber hinaus sind Geldstrafen sowie die Einziehung von Vermögenswerten vorgesehen. Sie könnten in einen Entschädigungsfonds für Opfer fließen. Der Sitz des Tribunals wird voraussichtlich in Den Haag sein.

Der Kreml reagierte mit Kriegsdrohungen gegen jeden Staat, der auf Grundlage eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Putin wegen Kriegsverbrechen vorgeht. Bislang haben Kreml-Kommissare sowohl Deutschland als auch Südafrika mit Krieg gedroht, um eine Verhaftung zu verhindern – und sogar gewarnt, dass der Sitz des IStGH in Den Haag von Moskauer Raketen zerstört werden könnte. Justizminister Volker Wissing hatte betont, den Haftbefehl zu vollstrecken, sollte Putin deutschen Boden betreten.

Wie Andrew Forde, Professor für europäisches Menschenrechtsrecht an der Dublin City Universität, nun dem Forbes-Magazin im Interview erklärt, stehen diese Drohungen „im Widerspruch zum Völkerrecht, insbesondere zum Verbot der Androhung oder Anwendung von Gewalt gemäß Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen“. Diese „eskalierende Aggression“ könnte die gesamte Weltordnung gefährden, sagte der renommierte irische Rechtswissenschaftler.

Putins „eskalierende Aggression“ gefährdet Weltfrieden

In Artikel 2 heißt es: „Alle [UN-]Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates.“ Die UN wurde von den Alliierten in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und zu Beginn der Nachkriegszeit gegründet, „um künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren, der zweimal in unserem Leben unermessliches Leid über die Menschheit gebracht hat“, wie die Mitbegründer der Organisation in der Präambel der Charta festhalten.

Forde erläuterte im Forbes weiter, dass Russlands Drohungen gegen den Internationalen Strafgerichtshof und seine Mitgliedstaaten „Autokraten überall ermutigen und die Welt für uns alle zu einem viel gefährlicheren Ort machen“ könnten. Tatsächlich werde dies „ein neues Nürnberg“ sein, also der Nachfolger des Internationalen Militärgerichtshofs, den die Alliierten eingerichtet hatten, um Nazi-Größen zu verurteilen.

Medwedew droht Deutschland mit Raketen „auf den Bundestag“

Dmitri Medwedew, stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, postete auf Telegram, dass die Festnahme Putins durch Berlin „eine Kriegserklärung an die Russische Föderation“ darstellen würde. „In diesem Fall“, warnte Medwedew, „würden alle unsere Waffen – alle unsere Raketen – auf den Bundestag und das Kanzleramt fliegen“. US-Präsident Donald Trump hatte als Reaktion auf die russischen Provokationen die Verlegung von zwei amerikanischen Atom-U-Booten angeordnet. Zuvor hatte Medwedew gesagt, dass Trump durch seine Kritik an Moskau den Dritten Weltkrieg riskieren würde.

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