Wächter der Hölle: Jürgen Sturm sorgt im gefährlichsten Abschnitt der Kandahar für die Sicherheit

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Ein eingespieltes Team: (v.l.) Holger Vogelsang, Jürgen Sturm, stellvertretender Teamleiter Hans-Jürgen Burghart und David Grimwood sind für die Kandahar zuständig. f: andreas püschel © Andreas Pueschel

Als Teamleiter steht Jürgen Sturm während des Kandaharrennens am oberen Drittel der Hölle und hat diese immer unter Kontrolle.

Garmisch-Partenkirchen – 6 Uhr, Arbeitsbeginn. Jürgen Sturm schaltet die Stirnlampe ein, stapft ins Lager des Skiclubs Garmisch. Fangzäune braucht er, zudem seinen Rucksack mit Steigeisen. Seine Mannschaft wartet auch schon. Zusätzliche A- und B-Netze müssen er und sein Team für die Sportler aufbauen, zudem die Piste nachwässern und salzen. Die Skifahrer, die einen Tag später die Kandahar mit über 100 Kilometer pro Stunde hinunterrasen, sollen beste Bedingungen vorfinden. An oberster Stelle steht die Sicherheit. Dafür nimmt sich Sturm Jahr für Jahr extra Urlaub, schuftet drei Wochen lang. Normalerweise. Seit dieser Woche hat er wirklich Urlaub. So richtig mit Faulenzen. Ungewollt. Denn die Weltcuprennen der Frauen fallen aus. Dabei hatte sich der Grainauer so auf seine langen Kandahar-Tage gefreut.

Seinen Einsatz sieht Sturm stets als willkommene Abwechslung. „Drei Wochen an der frischen Luft, körperlich richtig ausarbeiten – das ist weit weg von meinem eigentlichen Beruf.“ Seit 36 Jahren ist Sturm Küchenchef im Hotel am Badersee in Grainau. Seit 24 Jahren arbeitet er in seinem Winterurlaub an der Kandahar. „Klar ist es physisch anstrengend, aber psychisch ist das der reinste Urlaub für mich.“

Jede Sekunde zählt

Als Teamleiter steht Sturm während des Rennens am oberen Drittel der Hölle und hat diese im Blick. Nicht ungefährlich, denn der ganze Bereich ist Sturzraum. „Während des Rennens sollen so wenig Menschen wie möglich hier sein.“ Sobald die Fernsehübertragung für die Werbepausen nach Läufer 15, 22 und 30 unterbrochen wird, zählt für ihn und sein fünfköpfiges Team jede Sekunde: Binnen vier Minuten müssen sie Tore oder Flaggen richten, manchmal auch Tore nachbohren. „Du hast immer die Uhr im Hinterkopf, das muss zack, zack gehen.“ Seine Mannschaft kennt sich seit Jahren. Für den Weltcup fahren sie aus Bremen, Dachau oder aus dem Schwarzwald nach Garmisch-Partenkirchen. „Bei uns geht das alles Hand in Hand.“

Sturm über die Skifahrer: „Man ist immer froh, wenn sie aufstehen, winken und weiterfahren“

Doch auch schwere Unfälle stehen an der Tagesordnung für ihn. Die Letzte, die vor seinen Augen gestürzt ist, war Victoria Regensburg 2020. Unterhalb seiner Position raste sie in die B-Netze. „Das geht dann so schnell, du siehst grad noch, wie der Läufer wegrutscht, in die Netze einschlägt, dann hörst du den Aufprall und den Schrei.“ Schwer hat sich Regensburg damals am Knie verletzt. Sie musste ihre Karriere beenden. „Man ist immer froh, wenn sie aufstehen, winken und weiterfahren.“

Bis zu zwölfmal am Tag rutschen Sturm und seine Kollegen auf Skiern die Piste mit teils schwerem Material hinunter. Höchsten Respekt hat er vor den Athleten. „Jeder, wie er mag“, sagt er und lacht. „Ich fahr’ gern Ski, aber das wär’ nix für mich. Wenn die so 10, 15 Meter an mir vorbeischießen, bin ich immer froh, wenn sie an der Einfahrt zur FIS-Schneise verschwinden und sicher durch die Hölle gekommen sind.“

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