Spanien-Chaos nach Angriff auf Rentner: Rassistische Attacken auf Restaurants – Polizei rät zur Schließung

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Eine spanische Kleinstadt befindet sich seit Tagen im Ausnahmezustand. Rechtsextreme rufen zur Jagd auf Migranten auf. Die Polizei hat alle Hände voll zu tun.

Torre-Pacheco – Das Angebot ist reichhaltig, der Strand ganz in der Nähe. Aber auch für Kulturfreunde und sportbegeisterte Touristen ist Torre-Pacheco eine Reise wert. Gerade im Sommer. Dann lassen sich auch viele ausländische Gäste in der 40.000 Einwohner beherbergenden Stadt in der südostspanischen Region Murcia nieder.

Aktuell wird Torre-Pacheco aber auch von Besuchern aufgesucht, die ganz anderes im Sinn haben, als sich eine schöne Zeit zu machen. Unter Berufung auf zuverlässige Polizeiquellen berichtet die spanische Zeitung El Mundo, binnen 24 Stunden seien rund 100 Rechtsextremisten aus verschiedenen europäischen Ländern wie Rumänien und Italien per Zug nach Murcia gereist, um anschließend den Bus in die Kleinstadt zu nehmen, in der seit einigen Tagen eine enorm aufgeheizte Atmosphäre herrscht.

Torre-Pacheco im Ausnahmezustand: „Das ist keine Gerechtigkeit, das ist Rassismus“

Die Lage vor Ort eskalierte, nachdem sich in den sozialen Medien die Nachricht eines Überfalls auf einen 68-Jährigen verbreitete. Drei junge Männer mit nordafrikanischen Wurzeln – 19, 20 und 21 Jahre alt – wurden in diesem Zusammenhang festgenommen. Der Hauptverdächtige lebt in Barcelona, war offenbar auf der Flucht nach Frankreich, als er ergriffen wurde. Seither sitzt er in Haft.

Was bringt diese Nacht in Torre-Pacheco? Ordnungshüter überwachen die Situation auf einer Straße. © IMAGO / Europa Press

Und Torre-Pacheco kommt nicht mehr zur Ruhe. Rechtsextreme riefen in sozialen Medien zur Jagd auf Migranten auf. Das lockte offenbar auch die Gesinnungsgenossen aus anderen Ländern an. Ihr Ziel: Migranten im Allgemeinen, aber offenbar Menschen nordafrikanischer Abstammung im Besonderen.

Von mindestens 13 Verhaftungen infolge der Unruhen ist die Rede. Euronews berichtet von einem Überfall auf ein Kebab-Restaurant. Dessen Besitzer, der nur Hassan genannt wird, reagierte geschockt: „Das ist keine Gerechtigkeit, das ist Rassismus.“

Ein chinesisches Restaurant in der Nähe blieb sogar vier Nächte nacheinander geschlossen. Aus Sicherheitsgründen. Auf Anraten der Polizei, wie es heißt.

Krawallen in Torre-Pacheco: Rechtspopulisten von Vox nutzt Lage offenbar aus und schürt Unruhe

Als treibende Kraft hinter den Ausschreitungen gilt Vox. Seit einigen Jahren ist die rechtspopulistische Partei in Spanien die Nummer drei, bei der Parlamentswahl 2023 bekam sie knapp 12,4 Prozent der Stimmen. Der X-Account von Vox verbreitete am Dienstag (15. Juli) einen Artikel, in dem Marokkanern die Schuld an den Nächten der Gewalt gegeben wurde. Dazu war zu lesen: „Sie sind hier, weil die Politik von PSOE und PP (die beiden größten Parteien, d. Red.) unsere Grenzen in ein Sieb verwandelt hat. Sie sind die wahren Schuldigen für das, was in Torre-Pacheco und anderswo in Spanien passiert.“ Es müsse daher deren Ausweisung erreicht werden.

Nun soll die Staatsanwaltschaft gegen Vox ermitteln. Doch die Partei ist sich keiner Schuld im Zusammenhang mit den Unruhen bewusst.

Polizisten und vermummte Jugendliche
Aufruhr in Torre-Pacheco: Polizisten sollen für die Sicherheit in der Kleinstadt sorgen, die Bürger versuchen ihre Gesichter zu verstecken. © JOSE JORDAN / AFP, AFP

Torre-Pacheco versinkt im Chaos: KI-Videos und Demonstration der extremen Rechten

Derweil bat der Verein „Aktion gegen Hass“ dem Sender LaSexta zufolge die Generalstaatsanwaltschaft, knapp 20 Social-Media-Konten zu untersuchen. Diese hatten in Torre-Pacheco Hass geschürt, lautet der Vorwurf. Der Verdacht: Es habe eine vorherige Absprache gegeben, um die gemeldeten Nachrichten massenhaft zu verbreiten. Die meisten Profile stünden mit Vox in Verbindung.

Zudem wird in einem weiteren Beitrag über Videos berichtet, bei denen es sich jedoch um Fälschungen handele. Die zu sehenden Angriffe auf Migranten seien lediglich das Produkt von KI. Sie wurden offenbar einzig kreiert, um weiteren Hass zu schüren. Der Chef der Gruppe, die dahinter stehe, sei bereits verhaftet worden.

Die extremen Rechten hielten in der Kleinstadt auch eine Demonstration ab, die sich „gegen die Unsicherheit und die Anwesenheit von Migranten“ richtete und wohl der Auftakt der sogenannten „Jagd“ werden sollte. Nach Informationen von El Diario fanden jedoch nicht einmal 100 Menschen zusammen. Beamte der Guardia Civil und der örtlichen Polizei seien in der Überzahl gewesen. Beschimpfungen der anwesenden Journalisten blieben dennoch nicht aus.

Unruhen in Torre-Pacheco: „Fremdenfeindliche politische Organisationen werden normalisiert“

Mariola Guevara, Abgeordnete der Zentralregierung in der Region Murcia, kritisierte laut El Pais: „Vox wartet auf einen Zwischenfall, um ihre Sommertournee starten zu können.“ Die Partei würde „zur Gewalt aufrufen“.

Die Politikerin warnt: „Radikalisierte, fremdenfeindliche und rassistische politische Organisationen, die ständig Hass schüren und jede Art von Kriminalität mit Einwanderung in Verbindung bringen, werden normalisiert und erhalten einen Platz in den Institutionen. Das löst in der Bevölkerung soziale Unruhe aus.“ Torre-Pacheco sei bislang „immer eine Gemeinde mit einem sehr guten Zusammenleben“ gewesen.

Auch Allal Abbou schaut mit bangem Blick in die Zukunft. Er hat 15 Jahre seines Lebens in Spanien verbracht, besitzt ein Café und leitet einen Verein, der sich für die Integration von Migranten einsetzt. Nun muss er feststellen: „Wir haben im Moment keine Sicherheit. Aber ich spreche nicht von Marokkanern oder Spaniern: Niemand hat Frieden.“ Es sei eine Situation, die er so noch nicht erlebt habe. (mg)

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