Beratungen dauern zu lange - Kindergrundsicherung, Förderprogramme: Was passiert, wenn bis Silvester kein Haushalt steht

Wofür darf die Bundesregierung noch Geld ausgeben?

Das Grundgesetz regelt dabei, was noch erlaubt ist und was nicht. In Artikel 111 wird die so genannte „vorläufige Haushaltsführung“ definiert. Neben den Verwaltungsausgaben sind demnach auch erlaubt:

- Zahlungen, zu denen die Bundesregierung rechtlich verpflichtet ist: Hierunter fallen nicht nur die Beamten- und Angestelltengehälter, sondern zum Beispiel auch Zahlungen an internationale Organisationen wie die UN und die EU.

- Zahlungen, um gesetzlich beschlossene Einrichtungen zu erhalten und beschlossene Maßnahmen durchzuführen: Das betrifft zum Beispiel den Betrieb von Behörden, aber auch schon beschlossene Ausgaben wie Sozialleistungen. Niemand muss sich also um Bürgergeld, Kindergeld, Wohngeld, Elterngeld, Bafög und andere Zuschüsse sorgen. Auch die Erhöhung des Bürgergeldes ist davon gedeckt, weil sie im bereits vorab beschlossen wurde.

- Zahlungen für Bauten, Beschaffungen oder sonstige Leistungen, die bereits im Vorjahr bewilligt wurden: Hiermit sind mehrjährige Bauvorhaben gemeint. Derzeit hat der Bund derer 600 Aktive, weitere 300 sind in der Planungsphase. Dazu gehört etwa die Erweiterung des Bundeskanzleramtes, der Neubau der Deutschen Botschaft in Wien, aber auch die Sanierung des Pergamonmuseums in Berlin. Außerdem wird zum Beispiel auch keine Materialbestellung der Bundeswehr am 1. Januar storniert.

Welche Zahlungen werden dann also tatsächlich gestoppt?

Nicht mehr erlaubt wären alle Ausgaben, die darüber hinaus gehen. Das betrifft zum Beispiel die neu beschlossenen Förderprogramme für energetische Sanierung und den Einbau von Wärmepumpen. Lindner hatte diese schon direkt nach dem Urteil auf Eis gelegt, weil die Gelder dafür aus dem KTF geflossen wären. Zudem dürfen vor Beschluss des Haushaltes keine neuen Ausgaben beschlossen werden. Deswegen hängt zum Beispiel das Wachstumschancengesetz derzeit im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat fest. Ohne Haushalt für das kommende Jahr wollen die Bundesländer hier keine Entscheidung treffen. Aber auch vorbereitende Maßnahmen zur Kindergrundsicherung, die ab 2025 kommen soll, können nun nicht getroffen werden. Dabei geht es vor allem um die Digitalisierung der Antragsstellung.

Wie lange gilt eine vorläufige Haushaltsführung?

In der Bundeshaushaltsordnung sind die Grenzen der vorläufigen Haushaltsführung definiert. Die oben genannten Ausgabenpunkte für die Verwaltung und Sozialleistungen dürfen unbegrenzt weiterlaufen, auch ohne, dass ein neuer Haushalt beschlossen wird. Andere Ausgaben, die nicht darunterfallen, aber schon im Bundeshaushalt 2023 auch mit Mitteln für 2024 ausgestattet wurden, dürfen maximal 45 Prozent des dafür vorgesehenen Geldes ausgeben. Das erklärt sich am besten an einem Beispiel: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau vergibt jedes Jahr Kredite an Unternehmensgründer. Für 2024 waren dafür im ursprünglichen Haushaltsplan 1,1 Milliarden Euro vorgesehen. Diese sind jetzt noch nicht final beschlossen, weil eben der Haushalt für 2024 noch nicht existiert, die KfW darf aber trotzdem Kredite mit einem Volumen von maximal 45 Prozent der 1,1 Milliarden Euro, also 495 Millionen Euro, ausgeben. Bei dieser Regelung wird davon ausgegangen, dass spätestens zur Jahresmitte immer ein neuer Haushalt steht und sich solche Ausgaben gleichmäßig über das Jahr verteilen.

Wenn bis Silvester kein Haushalt steht, wäre das ein Novum in der deutschen Geschichte?

Nein, der Fall einer vorläufigen Haushaltsführung tritt viel häufiger ein, als Sie vielleicht denken. Typischerweise erleben wir ihn immer im Jahr nach einer Bundestagswahl. Die amtierende Regierung stellt im Sommer immer ihren Haushaltsplan für das kommende Jahr auf. Da wir aber einen neuen Bundestag üblicherweise im September wählen, bleibt je nach Ergebnis der Wahl danach keine Zeit für die Parteien, bis Silvester eine Koalition zu bilden und einen neuen Haushalt zu beschließen. Wird die bisherige Regierung im Amt bestätigt, kann das funktionieren, bei einem Regierungswechsel ist es aber unwahrscheinlich.

So wurde etwa auch der Haushalt für 2022 erst im Mai desselben Jahres beschlossen, weil die Ampel-Koalition nach ihrer Wahl im September 2021 erst Anfang Dezember 2021 formal vom Parlament ins Amt gewählt wurde und erst dann anfangen konnte, über den Haushalt zu verhandeln.

Wann wird der Bundeshaushalt 2024 beschlossen?

Die Bundesregierung will sich noch in diesem Jahr auf einen Entwurf einigen. Dann müsste der Haushaltsausschuss des Bundestages erst zusammenkommen und die Einzelpläne der verschiedenen Ministerien durchgehen und einzeln billigen. Wahrscheinlich ist, dass sich der Ausschuss auf Grund der brisanten Lage wieder Sachverständige hinzuholen würde, um zu klären, ob alle Posten verfassungsgemäß sind. Diese Bereinigung durch den Ausschuss könnte noch vor Silvester funktionieren, es wird aber wohl knapp werden. Der Bundestag könnte sich dann in seiner ersten Sitzungswoche 2024 mit dem Thema beschäftigen. Diese findet vom 15. bis 19. Januar statt. Im besten Falle würde die vorläufige Haushaltsführung also nur knapp drei Wochen dauern.

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