Ein Vogerl für die Löwen-Dompteurin
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So viel Ausdauer hatte nicht jeder Träger des Reiherordens. Ilse Aigner blieb am Samstag bis zum Schluss des fünfstündigen und fulminanten Programms der Erdinger Faschingsgesellschaft Narrhalla.
Erding - Die Präsidentin des Bayerischen Landtags erschien – passend zum schwierigen Amt – im Kostüm einer Löwen-Dompteurin mit Frack, Zylinder und Stiefeln – und war prächtig gelaunt.
Aigner befindet sich als Trägerin des Reiherordens in prominenter Gesellschaft. Seit der Wiederbelebung 2017 haben ihn unter anderem Pfarrer Rainer Maria Schießler, Fredl Fesl und Hansi Kraus erhalten. Der Orden selbst geht zurück auf den Erdinger Künstler Benno Hauber (1924-1994). Das Motiv ziert auch die Fassade des Schönen Turms.
Die Laudatio hielt Narrhalla-Präsident Detlef Felixberger. Er erinnerte an die Satzung, der zufolge der Orden unter anderem Leistungen auf dem Gebiet des Brauchtums, der Kultur und der Pflege des bayerischen Humors würdigt. Es müsse sich um Persönlichkeiten handeln, die sich auf politischem, gesellschaftlichem oder wissenschaftlichem Gebiet hervorgetan hätten. „Das alles passt auf Ilse Aigner“, verkündete Felixberger und ging auf die Vita der Ordensträgerin ein. Besonders lobte er, dass Aigner in den 80er-Jahren aufs Abitur verzichtetet, als Elektrotechnikerin einen Männerberuf ergriffen und sich in diesem behauptet habe.
Auch auf Aigners Affinität zum Fasching ging der Narrhalla-Präsident ein. Immerhin sei Aigner von 1995 an im Präsidium des Bundes Deutscher Karneval Oberbayern gewesen, dessen Ehrenpräsidentin sie seit 2021 ein. Ebenso erinnerte er an Aigners Engagement als Wasserwacht-Vorsitzende . Wie sehr sie ihrer Heimat verbunden sei, so Felixberger weiter, sehe man daran, wie Aigner den Oberlandler Dialekt pflege und dafür 2022 mit der Bayerischen Sprachwurzel ausgezeichnet worden sei. Ihre politische Karriere habe Aigner über München, Bonn und Berlin wieder nach München geführt, wo sie Barbara Stamm als Landtagspräsidentin gefolgt sei. Felixberger lobte auch Aigners Humor und ihre Fähigkeit, über sich selbst zu lachen.
Die neue Ordensträgerin überraschte die voll besetzte Stadthalle mit einem Danke in Form einer gereimten Büttenrede. „Feine Herren, edle Frauen, wie herrlich seid ihr anzuschauen“, rief sie in den Saal. Erding sei ein Ort, an dem die Lacher sprießen, mit der Narrhalla „regiert eine starke Truppe“. Aigner erhielt viel Applaus und begeisterte Rufe, in den Pausen wollten sich viele die Chance nicht entgehen lassen, sich mit der Löwen-Dompteurin fotografieren zu lassen.
Der Fasching kann mitunter eine ernste Angelegenheit sein, politisch ist er ohnehin. Zu Beginn der Ordenssitzung ging Felixberger auf die Demo gegen Rechts am Sonntag in Erding ein (siehe Bericht auf der lokalen Seite 1). Er erinnerte sichtlich bewegt an die Karnevalsgesellschaft Dorfen, die 1946, ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieg, mit dem Motto angetreten sei „Nach 1000 Jahren sind wie wieder Narren“. Unter den Nazis sei auch die KG verboten gewesen. Narren seien dazu da, den Regierenden den Spiegel vorzuhalten, „aber dafür brauchen wir Freiheit und Demokratie“, sagte der Narrhalla-Präsident und erhielt für seinen Appell: „Dafür müssen wir alle einstehen“ viel Applaus.
Das Besondere an der Reiherordensitzung: Die Zuschauer erleben das komplette Programm mit allen Garden, Prinzenrede und -walzer und Sketch. Und sie sahen eine Premiere: das Stadtpark-Gespräch. Esel Max (Dieter Jäckel) unterhält sich mit zwei Saatkrähen (Steffen Schadt und Martin Maierthaler) Sie sinnieren über die Stadtpolitik. Das hatte zuvor auch das Prinzenpaar Amelie I. und Alexander I. getan. Nicht zuletzt der Sketch behandelte die großen und kleinen Aufreger in der Herzogstadt. Wie ein roter Faden zog sich die Klage durch das Programm, dass in Erding abends nichts mehr los sei und man deswegen sogar nach Dorfen fahren müsse. Auch der verzögerte Winterdienst und das eilfertige Ordnungsamt Anfang Dezember bekamen ihr Fett weg – während der als Pech-Marie beziehungsweise Tod verkleidete OB Max Gotz jegliche Kritik weg lächelte. Die Kostüme im Publikum waren eine Schau, etwa der als Gold-Marie maskierte Stadtpfarrer Martin Garmaier.
Viel Applaus erhielten die Garden, vor allem die neue gemischte Formation, die gute Chancen hat, im März an der Deutschen Meisterschaft in Köln teilzunehmen. Ihren zweiten Auftritt hatten die Lotten-Harmonists. ham