Lars Feld im Interview - „Als Vorreiter beim Emissionshandel machen wir die deutsche Wirtschaft kaputt“

Woran liegt das?

Feld: Die alternde Bevölkerung geht in den Ruhestand – nicht nur hierzulande. Durch die Demografie wird eher entspart und mehr konsumiert – sowohl in Deutschland als auch in Asien. Diese steigende Nachfrage führt dazu, dass der natürliche Zins höher ist als in den 2010er Jahren. Und da ist es wichtig, dass wir Refinanzierungsbedingungen haben, die so gut sind wie in der Schweiz – und deutlich besser als in den USA, Großbritannien, Frankreich oder Italien. Es gibt aber noch einen anderen Grund.

Und der wäre?

Feld: Deutschland ist der wichtigste Garantiegeber im europäischen Währungsraum. Und mit unserer Exportorientierung profitieren wir von stabilen Verhältnissen. Ich weiß, dass Ökonomen wie Herr Stelter der Währungsunion skeptisch gegenüberstehen. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir sie dauerhaft erhalten können. Und dafür ist Deutschland als Anker wichtig.

Würden Sie nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre noch einmal Berater des Finanzministers werden?

Feld: Ich bin schon froh, ein bisschen aus der Schusslinie zu sein. Denn die Anfeindungen bewegen sich teilweise auf einem Niveau, das wir als Wissenschaftler nicht gewohnt sind. Aber wenn ich gefragt werde und es inhaltlich passt, werde ich mich nicht verstecken. Ich bin auch nicht ganz raus, sondern weiterhin Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium.

Welche Lindner-Idee der FDP würden Sie heute nicht mehr umsetzen wollen?

Feld: Der Tankrabatt 2022 als Teil des ersten Entlastungspakets war nicht so glücklich. Er hat zwar nicht so viel gekostet, war also weder finanz- noch klimapolitisch so schlimm, aber war für die Glaubwürdigkeit der FDP schlecht. Eine marktwirtschaftliche Klimapolitik erfordert, viel stärker für die CO2-Bepreisung oder für Mautkonzepte für den Verkehr einzutreten. Die FDP hat dies erst nach dem Auslaufen des Tankrabatts korrigiert.

Welche Folgen hat der Stillstand, der jetzt durch das Ende der Ampel entstanden ist, für Deutschland?

Feld: Die Substanz der deutschen Wirtschaft ist immer noch besser als Anfang der 2000er Jahre, aber man darf sie nicht weiter beschädigen. Hans-Werner Sinn hat Deutschland kürzlich als Geisterfahrer in der Klimapolitik bezeichnet, eine Einschätzung, die ich teile. Insgesamt ist die Situation aber nicht schlechter als vor den Reformen von Gerhard Schröder.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Feld: Die deutsche Wirtschaft steht in den Startlöchern, auch für Investitionen im Inland. Im Moment wird nicht investiert, weil die Rahmenbedingungen unklar sind. Wenn diese Unsicherheit abnimmt, wird wieder mehr investiert und mehr konsumiert. Dann haben wir zumindest einen konjunkturellen Effekt und müssen sehen, ob wir die Weichen richtig gestellt haben.

Andere Länder sind bereits aktiv.

Feld: Ja, oder planen es. In den USA wird Donald Trump die Steuerbelastung für Unternehmen auf 15 Prozent reduzieren, die Regulierungsintensität wird reduziert, vielleicht auf 20 Prozent von dem, womit wir zu kämpfen haben. Deshalb müssen wir auf EU-Ebene und in Deutschland dringend handeln. 

Wie würden Sie die Weichen stellen?

Feld: Es geht vor allem darum, mittel- und langfristige Perspektiven zu schaffen. Dazu gehört zum Beispiel die Regulierung des Arbeitsmarktes. Wenn es auf eine „große Koalition“ hinausläuft, also auf Schwarz-Rot, dann wird es keine Reformen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik geben.

Und wir haben verlernt zu diskutieren, wie problematisch die Arbeitskosten sind. Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die ins Ausland gehen oder Arbeitsplätze abbauen, weil die deutschen Arbeitskosten zu hoch sind. Das sehen wir gerade bei VW oder Bosch, die jetzt an den Arbeitskosten ansetzen, auch wenn die Gewerkschaften das nicht diskutieren wollen. Mit Arbeitskosten meine ich aber nicht, dass die Lohnsteigerungen hinter den Produktivitätssteigerungen zurückbleiben sollen, sondern ich komme wieder auf die Regulierung des Arbeitsmarkts zurück. Sie verursacht den Unternehmen enorme Kosten.

Dann brauchen wir auch einen Effizienzminister wie Elon Musk.

Feld: Musk ist sehr radikal, ich glaube nicht, dass man in Deutschland mit solchen Lösungen weit kommt. Das kann man vielleicht in den USA ausprobieren, aber in Deutschland bringt das nichts. Behörden zu schließen, geht im deutschen System mit Beamten und Beamtenrecht kaum. Unser Problem ist die Komplexität der Vorschriften. Das führt dazu, dass für die ganzen Berichtspflichten sehr viele Leute eingestellt werden, die unproduktiven Quatsch machen.

Dies trifft vor allem die Industrie, die bereits durch den Emissionshandel eingeschränkt ist. Und in dem Maße, in dem deutsche Unternehmen durch Regulierung und Subventionen weniger emittieren, können polnische, tschechische und französische Unternehmen mehr emittieren. Dem Klimaschutz ist damit nicht gedient. Die meisten wollen das nicht wahrhaben und sagen, dann sind wir Vorreiter. Und als Vorreiter machen wir dann die deutsche Wirtschaft kaputt und hoffen, dass uns andere in dieser Richtung folgen? Das ist absolut unsinnig.

Wie müssen umweltschädliche Emissionen bepreist werden?

Feld: Die Bepreisung hat drei wichtige Merkmale. Zuerst die Effizienzfrage: Wo spare ich in der Volkswirtschaft kostengünstig ein? Ein zweiter Aspekt kommt hinzu, die dynamische Effizienz. Das heißt, es gibt einen Anreiz, Innovationen zu generieren, und zwar dezentral. Technologien, die wir kennen, werden sich dann eher durchsetzen, wenn die CO2-Preise steigen; aber auch solche, die wir heute noch nicht kennen. Genau das ist mit Technologieoffenheit gemeint.

Und der dritte Aspekt?

Feld: Das ist gerade für den Klimaschutz der wichtigste. Mit einer solchen Bepreisung kann man sich international besser koordinieren. Wenn ich das vorstelle, kommt aus dem Publikum immer die Frage: Machen denn die anderen mit? Was kaum jemand weiß: Die USA haben in mehr als der Hälfte ihrer Bundesstaaten einen funktionierenden Emissionshandel und reduzieren deshalb ihre Emissionen genauso stark wie die EU. Auch in China gibt es ein Emissionshandelssystem, das aber noch nicht stark genug ist. Und da stellt sich die Frage, wie man das in Verhandlungen besser hinbekommt. Denn China hat ein Interesse am Klimaschutz, weil es national besonders betroffen ist.