Auf der Weltklimakonferenz - Das dunkle Geheimnis des glänzenden russischen Pavillons

Alles für die Kinder

Seine Visitenkarte weist Mischa als Direktor eines russischen Dachverbandes von Kinder- und Jugendorganisationen aus; auf der Karte stehen auch zwei Links zu Webseiten, die beide ins Leere führen. In der offiziellen Teilnehmerliste der COP wird Mischa als Experte für die russische Delegation geführt. Auf die Frage, warum er hier in Baku sei und den Infotisch bemanne, antwortet Mischa, Natur sei eben wichtig für Kinder. Früher habe sein Verband zum Beispiel regelmäßig ein großes Zeltlager in Belarus abgehalten, für Kinder aus Russland, Belarus, der Ukraine, Deutschland. Aber dann... 

Mischa spricht den Satz nicht zu Ende, schlägt lieber vor, ein Selfie vor den überlebensgroßen Matroschka-Puppen zu machen und schickt den Besucher mit zwei dünnen Info-Flyern wieder auf den Weg. Der eine Flyer informiert über die Arbeit der renommierten Moskauer Lomonossow-Universität in der vom Klimawandel besonders bedrohten Arktis-Region. Der andere wirbt für den „Climate Finance Day“, eine Reihe von Veranstaltungen der Russischen Zentralbank am Folgetag.

Bedrohte Schönheit

Eine Klimakonferenz besteht im Prinzip aus zwei verschiedenen Sektoren. Da ist einerseits der Diplomatie-Sektor, wo die Unterhändler der 196 beteiligten Staaten in Arbeitsräumen und Plenarsälen miteinander um jede noch so kleine Formulierung für spätere Beschlüsse feilen. Und dann ist da der Ausstellungs-Sektor, wo interessierte Staaten und Nichtregierungsorganisationen mit eigenen Pavillons ihre Bemühungen um den Klimaschutz ins Rampenlicht rücken können. 

Russland hat einen der größten Pavillons auf dieser Weltklimakonferenz, und einen der rätselhaftesten. Ein riesiger Bildschirm zeigt die wunderschöne Natur des Landes, die vom Klimawandel bedroht ist: Seen, die austrocknen könnten. Steppenlandschaften, die immer öfter abbrennen. Und natürlich die Permafrostböden, die durch die globale Erwärmung auftauen - und weitere klimaschädliche Gase freisetzen. Tatsächlich ist kaum ein Land so sehr vom Klimawandel bedroht wie Russland: Das Land heizt sich schneller auf als viele andere Regionen der Erde. Studien zufolge könnte die Durchschnittstemperatur in einigen Landesteilen bis zum Jahr 2100 um bis zu 5,5 Grad Celsius steigen.

Die Regierung in Moskau nimmt das Problem mittlerweile auch ernster als früher. Witzelte Präsident Wladimir Putin noch zu Beginn seiner Amtszeit, eine Erwärmung um zwei bis drei Grad wäre gar nicht schlecht, weil seine Landsleute dann weniger Pelzmäntel kaufen müssten, schlägt der russische Machthaber mittlerweile andere Töne an. Es sei zwar immer noch nicht klar, was genau die globale Erwärmung auslöse, behauptete Putin wenige Tage vor Start der Weltklimakonferenz bei einem Diskussionsforum in Sotschi. Klar sei aber, dass sie geschehe - und dass Russland deshalb bemüht sei, seine menschengemachten Emissionen zu verringern.

„Wir sind bereit, diese Mengen anzubieten“

Zumindest hier in Baku geht es Russland aber um etwas anderes, und im kleinen Nebenraum des hellgrau glänzenden Pavillons bricht das manchmal durch. Der Raum wird für Vorträge und Panel-Diskussionen genutzt, und nicht immer ist die Botschaft kompatibel mit so einer Klimakonferenz. Am Donnerstag letzter Woche etwa: Der Energiehunger der Welt wachse schneller, als er mit Erneuerbaren Energien gestillt werden könne, erklärte da Alexander Nazarow, Head of Investor Relations des sibirischen Erdgas-Riesen Nowatek, bei einer Panel-Diskussion. Das werde immer so bleiben, solange es global ein Bevölkerungswachstum gebe. 

Die Lösung sei simpel, so Nazarow: Immerhin habe Russland große Mengen preislich wettbewerbsfähigen Gases zum Verkauf. „Wir sind bereit, diese Mengen dem globalen Süden anzubieten“, sagte er. „Aber wir müssen zuerst die künstlichen Barrieren abbauen, die uns im Weg stehen.“ Beste Werbung für Gas aus Russland - wenige Stunden, nachdem UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einer leidenschaftlichen Rede im Hauptplenum von Baku das Ende der Nutzung fossiler Energien gefordert hatte. 

Verräterische Liste

Nutzt Russland die Weltklimakonferenz für lukrative Gas- und Ölgeschäfte? Ein Blick in die Teilnehmerliste der russischen Delegation legt das nahe. Alleine 50 Vertreter der drei fossilen Konzerne Gazprom, Lukoil und Tatneft sind in der Liste aufgeführt. In den Verhandlungen, so ist es auf den Fluren zu hören, geben sich die Russen nur wenig konstruktiv.

Gerade in Baku könnte es um Milliarden gehen: Internationalen Medienberichten zufolge soll Aserbaidschan auf der Klimakonferenz hinter verschlossenen Türen vorgeschlagen haben, russisches Gas als eigenes Gas zu „verpacken“ und nach Mitteleuropa zu verkaufen. Eine Pipeline, die durch die Ukraine führt, wird nach Auslaufen des Liefervertrages bereits Ende dieses Jahres abgeschaltet - also braucht Russland neue Transportwege. 

Moskau lässt sich diese Klimakonferenz auch einiges kosten. Genau 900 Delegierte hat Russland dieses Jahr nach Baku geschickt, doppelt so viele wie letztes Jahr zur COP in Dubai, so viele wie noch nie auf einer Klimakonferenz. Russland ist auch der Grund, warum die Konferenz überhaupt in der Öl- und Gas-Metropole Baku stattfindet: Turnusmäßig sollte die Klimakonferenz dieses Jahr nach Osteuropa gehen, doch Russland drohte mit einem Veto, sollte sich ein EU-Land bewerben. Übrig blieb: Aserbaidschan, als quasi osteuropäisches Land. 

Mit dem Gastgeber, selbst eine ehemalige Sowjetrepublik, liegt Russland auf einer Wellenlänge, was den Sinn fürs Geschäft angeht. Sein Land werde sich nicht dafür entschuldigen, auf großen Mengen Öl und Gas zu sitzen, sagte Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew im Rahmen seiner Rede auf der Weltklimakonferenz. Im Gegenteil seien fossile Energien „ein Geschenk Gottes“. Der Satz rief weltweit Empörung hervor, in der russischen Delegation hingegen dürfte er auf Zustimmung stoßen. Welche atemberaubenden Naturräume durch die fortschreitende Ausbildung fossiler Energien bedroht sind - Wälder, Steppen, Permafrostböden, Seen - lässt sich leicht begutachten. Im russischen Pavillon.